16 Spätburgunder aus Baden
Die erste Probe der Bonner Weinrunde im Jahr 2010 führte in die „Sonnenstube der Republik“ oder auch „Deutschlands längstes Weinbaugebiet“, nach Baden. Das Thema war rot — passend zum nasskalten Winter sollten uns Florian und Guido 16 Spätburgunder präsentieren.
Die Erwartungen waren hoch, viele hatten bei der Themenwahl für das Thema votiert, entsprechend umkämpft waren die 15 Verkostungsplätze. Besonderen Einsatz zeigte die exilbadische Fraktion der Weinrunde, die teils sogar aus dem Ruhrgebiet angereist war. Mit Spannung wurde erwartet, wie sich die Weine präsentieren. Das Bild des badischen Spätburgunders kann fast unterschiedlicher nicht sein — restsüße Fruchtbomben, marmeladige Holzsuppen, überreife Alkoholgranaten, das alles hat man schon mal im Glas gehabt. Aber eben auch endlos elegante, burgundisch komplexe, mineralisch durchwobene Kreszenzen, die einen großen Teil der roten Spitze hierzulande bilden.
Der Schwerpunkt der Verkostung lag erwartungsgemäß im Kaiserstuhl und im Breisgau, Ausflüge wurden in die Ortenau und ins Markgräflerland gemacht. Außerdem wurde ein Pirat ins Rennen geschickt, von dem noch zu reden sein wird. Verkostet wurde in sechs verblendeten Flights. Angenehm unterbrochen wurde die Probe nach der Hälfte der Weine durch überaus geeignetes Probandenfutter in Form einer leckeren Gulaschsuppe. Doch nun zu den Weinen:
1. Josef Michel Spätburgunder „Alte Reben“, 2007
In der eher schlanken Nase Reste von rote Beeren, Kirschen, Blutorangen und Nelken, eine kühle Mineralität und zurückhaltende Holznoten; dazu aber auch Milchsäure, Sauerkraut, ein irgendwie saurer Stich, der dem Wein den Charme nimmt. Im Mund bestätigt sich das, eine saure Krautigkeit mit Kirschen; trocken, aber zugleich karg wirkend; die Struktur wird getragen von der Säure und dem Alkohol; im kurzen bis mittleren Abgang eine leichte Mokkanote. Insgesamt wenig charmant, da ist sich die Runde einig. (vom Weingut, 10,80 Euro, 82-86 Punkte, Median 84)
2. Franz Keller Spätburgunder „Edition Fritz Keller“, 2007
Im Glas ein leichter Braunton, auch schon ein Wasserrand; in der Nase Speck, rote und gelbe Gewürze, Kräuter, eine Spur von Vanille, etwas Kirsche, kaum Primärfrucht. Im Mund rauchig, speckig, etwas Mandarinenschale; das Tannin ist stumpfend und etwas bitter; die Frucht trägt eine morbide Süße und wirkt unharmonisch, entfaltet sich nicht richtig; geringe Länge. Der Wein entpuppt sich als Aldi-Wein und wird mit seinen sieben Euro endeutig für zu teuer befunden. (Aldi, 7 Euro, 78-84 Punkte, Median 82)
3. Bernhard Huber Spätburgunder „Alte Reben“, 2005
Die Nase gefällt gut; rote Beeren, süße Orangen, eine milde Currynote, deutliche vanillige Holznoten, Röstaromen, Kaffee, Holzsüße. Im Mund wirkt er angenehm warm und kommt recht stark über einen Rest von Fruchtsüße; das stabile Säuregerüst lässt ihn trotzdem frischer wirken als in der Nase; Röstaromen nun auch am Gaumen; eine gute Tanninstruktur, wenn auch noch etwas grob. Insgesamt ein runder, sehr stimmiger Verlauf, wenngleich der Wein sein Potenzial erst mit mehr Reife zeigen wird. (aus dem Fachhandel, 22 Euro, 86-89 Punkte, Median 87)
4. Dr. Heger Spätburgunder „Mimus“, 2004
In der Nase Rauch, rote Beeren, Backpflaumen, intensive Röstaromen, gerösteter Sesam, aber auch eine spürbare Mineralität; Holz und Frucht kommen gut zueinander. Im Mund eine schwere, dickflüssige Textur. Konzentriert, dick, trocken mit Aromen von mineralischen Kräutern, vielen ätherischen Kräuterölen, auch etwas Heftpflaster. Wirkt im Antrunk noch jung, etwas ruppig, hat aber Druck und Komplexität. Auch hier schon ein vernünftiger Abgang. Das wird sicher noch feiner und besser, daher geben ihm viele ein Plus. (aus dem Fachhandel, 23 Euro, 87-89 Punkte, Median 88)
5. Dr. Heger Spätburgunder „Mimus“, 2003
In der Nase fallen leicht medizinale Töne auf, auch Aceton, Klebstoff, der Rest wirkt verschlossen, irgendwie geblockt. Im Mund hingegen kann er sich besser entfalten, mit roten fruchtsüßen Beerenaromen und Mineralität am Gaumen. Hinzu kommen zunächst noch harmonische gemüsige Noten, die aber dann immer mehr zunehmen und an Blumenkohl erinnern. Auch die Säure ist etwas zu präsent und scheint bereits etwas neben dem Wein zu stehen. Insgesamt scheint er schon abzubauen. Er wirkt bereits zehrend, der Abgang ist kurz. Viele setzen hinter die Punkte ein Minus. Trotzdem, das Jammern geschieht auf hohem Niveau, das Ganze ist noch recht gut trinkbar. (aus dem Fachhandel, 23 Euro, 80-86 Punkte, Median 83)
6. Duijn Pinot Noir „Jannin“, 2004
Eine rauchige Nase, süßlich, portig, überreife Früchte, Blaubeeren, trotzdem nicht üppig, gut balanciert, Mineralität dringt hindurch, auch eine oxidative Note. Im Mund dann sehr reife Beeren- und Schokoaromen, würzig durchzogen von einer deutlichen Feuersteinnote, an Schiefer erinnernd; überhaupt eine reife, warme Stilistik, wozu auch der spürbare Alkohol beiträgt. Knapp mittlere Länge. Der Wein stößt an seine Grenzen, die überreife Frucht, der Alkohol, die oxidativen Noten gefallen der Runde nur mäßig. (aus dem Fachhandel, 24,80 Euro, 83-87 Punkte, Median 85)
7. Duijn Pinot Noir „SD“, 2004
In der Nase elegant und präzise wirkend mit speckigen, gemüsigen, beerigen Aromen, auch wieder die Feuersteinwürze und Mineralität am Gaumen; vielschichtig, subtil, harmonisch, ein leichter Alkohol-Touch. Im Mund „trägt er noch seine Rüstung“, öffnet sich noch nicht so wie in der Nase. Trotzdem ein schöner Aromakern mit schwarzen Beeren, Brombeeren, schokoladigen Noten; eine schöne Säure-Frucht-Balance, Druck am Gaumen, gute Länge; insgesamt elegant und ansatzweise tief. (aus dem Fachhandel, 36,40 Euro, 85-89 Punkte, Median 87)
8. Ziereisen Spätburgunder „Rhini“, 2004
In der Nase grüne Kräuter, grasige Würze, erinnert irgendwie an Cannabis, eine vielschichtige aromatische Kräuternase, dazu eine leichte Holzwürze, Heidelbeermarmelade, etwas Vanille, eine kühl wirkende Mineralität, eine frische Brise, aber auch ein Quentchen Alkohol. Im Mund ein kraftvoller aromatischer Stil, schöner Biss, wieder die frischen Kräuter, dazu Blaubeeren, Johannisbeeren, wieder die vanillige Holzwürze, ungemein frisch und kühl wirkend; die Tannine sind ansatzweise weich und aromatisch. Hat schönes Spiel, die Mineralität gefällt gut, einige wünschen sich noch etwas mehr Druck. Jetzt schon sehr gut trinkbar. (vom Weingut, 22,60 Euro, 88-92 Punkte, Median 90)
9. Reinhold und Cornelia Schneider „A“, 2005
In der Nase zuerst sehr zurückhaltend, der Wein öffnet sich nur widerwillig, dann immer mehr Kirschkonfit, cremige Kirsche und nochmal Kirsche, dazu Brotrinde und weißer Pfeffer. Im Mund sehr trocken, wieder Kirsche, eine leichte Pfeffrigkeit; geradliniger Stil, etwas weniger Spiel. dafür sind Alkohol und Säure auf den Punkt balanciert. Ein richtiger Struktur-Wein, der es mit seiner Straightness und Einfachheit etwas schwerer hat als die schwelgerischen Weine zuvor. (vom Weingut, 19 Euro, 82-86 Punkte, Median 85)
10. Reinhold und Cornelia Schneider „C“, 2005
In die Nase strömen wieder Kirscharomen, dazu Kräuter und eine gut dosierte Holzwürze, auch leicht gemüsige Aromen, mineralisch kühl durchwoben. Im Mund erneut sehr trocken, Kirschen, jetzt auch Beeren, ganz trockenes Holzkaramell, Mineralität am Gaumen, ein kleiner Bittertouch. Der Abgang hat etwas mehr Länge. Insgesamt bleibt der Wein aber eher schlank und ist voll auf Eleganz getrimmt. Dicht, konzentriert, aber mehr Understatement als direkte Trinkfreude. (vom Weingut, 15 Euro, 82-86 Punkte, Median 85)
11. Reinhold und Cornelia Schneider „R“, 2005
Auch blind wurde die Verwandtschaft der Weine 9, 10 und 11 deutlich. Wieder diese konzentrierte kühle Kirschnase, Kirschkonfit, auch wieder weißer Pfeffer, frische Kräuter, jetzt auch geriebene Vanilleschote, etwas mehr Holzwürze. Im Mund sehr dicht, konzentriert, trotzdem durchweg trocken, cremige Textur, trockene konfitürige Kirschfrucht und Beeren, dazu eine kreidige, weiche, elegante Mineralität und ein schöner kräuterig-ätherischer Abgang; kraftvoll und elegant zugleich, subtiles Aromaspiel, eine lange, tiefe, kühle mineralische Brise. Jedoch alles andere „easy to drink“, einigen fehlen die Fruchtaromen, andere monieren eine Marmeladigkeit. Ein Wein, der die Runde in viele Lager spaltet; es fällt der Spruch des Abends: „Auch einer Marmelade kann man Tiefe zusprechen.“ Und Michael ist entzückt: „Endlich ein Schisma-Wein“. (vom Weingut, 21 Euro, 84-91 Punkte, Median 86)
12. Bercher Burkheimer Feuerberg GG, 2006
In der Nase Kirsche, rote Johannisbeeren, roter Tee, Holzwürze, auch Holzsüße, Marzipan. Im Mund ein malziger Touch, etwas gefällige Fruchtsüße, rote vegetabile Aromen, auch wieder roter Tee, Mandeln. Der Verlauf ist nicht ganz rund, der Wein baut sich erst in der Mitte auf und taucht dann wieder ab. Die Süße steht etwas neben dem Wein, die Aromen fallen hinten auseinander. Richtig gut stimmen schon Säure und Tannin, eine tolle Struktur, die Aromatik wird sich noch finden. Noch junger Wein mit einem bis zwei Plus-Zeichen. Trotz des schwierigen Verlaufs einhellig gute Bewertungen in der Runde mit Hinweis auf das Potenzial. (vom Weingut, 32 Euro, 88-90 Punkte, Median 88)
13. Becker Schweigener Sonnenberg „Sankt Paul“ GG, 2006
Eine ganz ungewöhnliche Nase, Frischkäse, schwarzer Pfeffer, sehr viel Kirsche, frische Pflaumen, aufgrund der milchig-käsigen Note offensichtlich noch knackjung. Im Mund Kirschmarmelade, jetzt weißer Pfeffer, junge rote Früchte, viel Sauerkirsche, roter Früchtetee, ungemein cremig und fruchtig; die Primärfrucht tänzelt im Mund, wirkt schwerelos, was zusammen mit der jungen, aber harmomischen Säure enorm animierend wirkt. Auch im Abgang eine gewisse Länge mit fruchtigem Nachhall. Irre lecker, man fragt sich, was daraus mal werden wird. Ein Wein wie ein kleines Kind, voller Freude und bar jeder Vernunft. Mit dem Wiedererkennen dürfte man sich in ein paar Jahren schwer tun, zu gern würde man ihm beim Aufwachsen begleiten. Die Runde ist verzückt. (vom Fachhandel, 42 Euro, 88-91 Punkte, Median 89)
14. Salwey Oberrotweiler Kirchberg *** GG, 2006
Deutlicher Wasserrand im Glas. Reife? Konzentration? Die Nase verrät erstmal wenig, der Wein präsentiert sich verschlossen; neutral, kühl, etwas Mineralität, aber mit Frucht erstmal Fehlanzeige. Dann im Mund eine ganz saubere Sauerkirsche, eine Holznote, leicht salzig, animierende Säure, trinkig, aber durch die verhaltenden Aromen nicht sonderlich einladend. Hinten dann stumpfend, indifferent, außer Tannin kommt nicht mehr viel. Der Wein scheint zu jung und gerade so richtig verschlossen. Extrakt und Struktur sind aber toll. Daher ein bis zwei Pluszeichen. (vom Fachhandel, 44 Euro, 84-89 Punkte, Median 86)
15. Dr. Heger Achkarrer Schlossberg ***, 2005
Nach dem halben zuvor nun ein kompletter Ausfall. Die Nase ist völlig geblockt, an Aromen nasse Pappe mit Champignons, irgendwo eine Holznote, im Mund stehen Säure und das, was von der Frucht übrig ist, völlig nebeneinander. Eindeutig ein Flaschenfehler. Und einhelliges Bedauern als die Flasche aufgedeckt wird. (vom Fachhandel, 41 Euro, keine Bewertung)
16. Bernhard Huber Bombacher Sommerhalde „R“, 2005
Alle Hoffnungen flossen nun in den letzten Wein. In der Nase Johannisbeeren, rote Beeren, Graphit, tief von einer dunklen, etwas rauchigen Mineralität durchzogen, dann auch jodige Kräuter und Schokolade. Auf der einen Seite ein Füllhorn von Bukett, auf der anderen Seite bar jeder Opulenz; vielmehr vielschichtig, balanciert, elegant, ganz burgundischer Stil. Im Mund ist der Wein sehr trocken, eine saftige, dichte Frucht jetzt mit dunklen Früchten, vor allem Brombeeren. We wirkt viel kompakter als in der Nase und ist auch nicht so lang, zeigt aber schon seine tolle Struktur. Auch hier gilt es wieder Potenzial zu trinken, und davon hat er reichlich. Einigkeit in der Runde, diesmal bei Höchstpunktzahlen. Und dabei ist das nicht mal ein Großes Gewächs. (vom Fachhandel, 39 Euro, 88-92 Punkte, Median 91)
Was am Ende übrig blieb? Vor allem ein hervorragender Eindruck und die Erkenntnis, dass es nicht zu zeichnen ist, das Bild des typischen badischen Spätburgunders. Etwa einen Schneider, einen Huber und einen Ziereisen bekommt man nicht auf einen geschmacklichen Nenner. Die Qualität war durchweg sehr hoch. Mal vom Aldi-Wein und dem Flaschenfehler abgesehen gab es keine Ausfälle und wurde kein Vorurteil bedient. Auffällig wurde vielmehr, was die Badener herausholen können aus vor allem durchweg trockenen Weinen und dass der eine oder andere Blick in Richtung Burgund deutlich schmeckbar ist.
Der Abend bot eine Menge, was nur zu gut abzulesen war an den Gesichtern der Verkoster. Konzentriert ins Glas gerichtete Blicke, entrückt vor sich lächelnde Gesichter, ein berauschter Geräuschpegel — der Blick in die Runde zeigte, hier geht was. Nicht zuletzt schien auch die badische Fraktion mit ihren Weinen richtig zufrieden. Und das sagt mehr aus als alle Punkte. (Thorsten)