Bordeaux – 18x „gut und günstig“
Bordeaux – 18x „gut & günstig“
Bordeaux- gut und günstig? Ein Probenansatz, der vermeintlich kaum umzusetzen ist, wenn man in klassischen Stereotypen denkt. Kaum eine Region steht in den letzten Jahren so für Preisexplosionen wie das Bordelais. Spätestens mit dem großen Jahrgang 2005 sind alle Hemmungen der Chateaubesitzer gefallen, der Markteintritt der Asiaten hat sein Übriges getan.
Schwächere Jahrgänge bieten aktuell auch nur vergleichsweise geringe Preisabschläge, die jedoch immer noch nicht in jedem Fall einen Kaufreflex ausüben. Egal, dann kauft es halt irgendwer anders. Die Nachfrage ist einfach da. Bordeaux-Weine sind, jedenfalls wenn man in die erste Reihe schaut, zu einem Luxusgut geworden, die Nachfrage hat sich verschoben, langsam weg vom Genuss- und verstärkt hin zum Prestigeobjekt, jedenfalls, wenn man die Entwicklung bei den Premier Crus und Super Seconds verfolgt.
Um so mehr verwundert es den unvoreingenommenen Beobachter, dass die Winzer jenseits der Top 50 der Region vom Sog der Nachfrage nur wenig profitieren können (und die Situation der Preisentwicklung bei den Fassweinproduzenten lasse ich hier einmal gänzlich außen vor) – und es freut einen zugleich, führt dies doch zu der vermeintlich paradoxen Situation, dass der Absatz vieler vergleichsweise unbekannterer Weingüter, die nicht vom Segen Parkers geküsst wurden, in dessen langen Schatten auch heute noch nicht preislich explodiert sind.
Meine Blog-Kollegen Thorsten und Rainer haben solche Weine zusammengetragen, blind präsentiert, und eine interessante Probe mit Weinen in einer Preisklasse bis 30 EUR zusammengestellt, wobei diese Grenze nicht zu 100% sklavisch an Hand der aktuellen Bezugs- bzw. Marktpreise verfolgt wurde… insofern gab es mit dem drittletzten und dem letzten Wein aktuell teurere Weine – man ahnt, wie viel Gegenwehr dazu am Tisch aufkam!
1) 2007 Chateau Penin „Grand Selection“│9 Euro│ 79 Punkte
Dieser Wein bedient umgehend die Vorurteile, mit der die Hinterbänkler zu kämpfen haben…
In der Nase verbranntes Holz, Amarenakirsch, reife Würze, leider etwas zu alkohollastig.
Schlank im Antrunk, ein wenig rotfruchtig, Hagebutte, nicht sonderlich überzeugender Verlauf. Saftig säuerliches Fruchtspiel. Schnell geht die Aromatik dann am Gaumen ins bitterliche, ja metallische. Eine Spur Alkohol zeigt sich. Mittleres, einfaches Finale, sauber und mit moderatem Tannin.
2) 2009 Chateau Penin „Les Cailloux“ │13 Euro│ 83+ Punkte
Was bei Immobilien die Lage, ist bei Bordeaux-Weinen der Jahrgang. So stark verkürzt erklärt sich, dass dieser Wein seinen Vorgänger mühelos schlägt (Kistenweise im Keller braucht es ihn aber trotzdem nicht)…
In der Nase (leicht) gekochte Früchte, die Nase ist recht dicht, flankiert von einem Vanilleton, Kirsche und etwas Minze. Recht ansprechend.
Im Mund saftig-dichte Kirschfrucht, kompakter mittlerer Körper, viel Schwarzkirsche. Dann kommt die Jugend, herbe Holztöne, Säureeinschlag und gröberes Tannin. Hat in diesem Zustand noch wenig Charme. Mindestens zwei bis drei Jahre liegen lassen.
3) 2003 Chateau Maugey │20 Euro│ 81 Punkte
Volle Schwarzkirschnase, ja fast schon duftig ist sie, die Kirschfrucht, viel Krokant und (leider) noch mehr Alkohol. Im Mund eine extraktsüße, dunkle Kirschfrucht, mollig, eher auf Breite und extraktreiche Süße angelegt, merlotig. Fast schon voller Körper, die Frucht wird vom Alkohol leider etwas überdeckt und erscheint so nehmend zubitter. Das Finale wird stumpf, vom alkoholischer Kraft geprägter, wuchtiger Nachhall: scharf, bitter und kurz.
Ein Opfer seines Jahrgangs, ziemlich eindeutig erkennbar.
4) 2009 Chateau du Glana│19 Euro│ 86+ Punkte
In der Nase ein röstiger Mokkaduft, Johannisbeere, frisch und ansprechend. Die rote Frucht und das Holz stehen kühl nebeneinander, dies macht trotz Jugend schon einen recht balancierten Eindruck.
Mittlerer bis schon voller Körper, saftig, mit frischer Säure versehen. Aromatisch von Johannisbeere und Holznoten geprägt – schön verwoben, das Ganze. Die Süße stimmig, das Tannin saftig, wenngleich noch kantig. Der Wein endet mit einem holzwürzigem Finale, sehr guter Gesamteindruck.
5) 2009 Chateau Bertrand „Nectar de Bertrands“│13 Euro│ 87+ Punkte
Schluss mit Subtilität – nun kommt ein Wein mit den Ausmaßen eines SUV.
Schmelzig-schokoladiger Duft, vollreife Kirschen dahinter, Rosmarin. Kräftig und satt.
Im Mund geht es ungebremst weiter: sahnig-schmelziger Antrunk, eine dicht gepackte Frucht, Schwarzkirsche bis zum Abwinken. Kantig adstringierendes Tannin, aber nicht stumpf.
Extraktsüß und voller Charme, der Alkohol noch eingebunden. Mittellanger Nachhall. In Summe harmonisch.
Ein Verführer, der in den nächsten 8 Jahren ohne intellektuelle Anstrengung einfach getrunken werden darf.
6) 2008 Chateau L´ Inclassable│ 14 Euro│78 Punkte
Wir werden uns mit diesem Wein nicht einig. Ich meine, dass diese Flasche (oder das Fass?) nicht ganz sauber ist. Hierfür spricht ein leichter Sauerkrautton in der Nase, die Frucht ist eher diffus dahinter. Kräuternoten. Nur verhaltene Kirschfrucht. Im Mund recht schlank und saftig, kippt dann am Gaumen weg, die Frucht verjüngt sich, wird säuerlich-rotfruchtig und schroff. Und ist im kurzen Nachhall schnell weg, ein metallischer Rest an Aromen bleibt.
7) 2005 Chateau Cap Leon Veyrin│13 Euro│ 85? Punkte
Vollreife Nase, etwas Schwarzbrot, Kräuter und ein Lorbeerblatt schwimmen im Bratensaft, der sich hier aus dem Glas hervortut. Ansprechend.
Dieser Wein aus Listrac eröffnet mit mittelvollem Körper, einer reifen Blau- und Brombeerfrucht. Seine leicht balsamische Säure steht etwas vor. Abgesehen von dem derzeit stumpfenden und kraftvollen Tannin bleibt der Wein recht harmonisch, auch im mittellangen Finale, wo er dunkle Schokonoten hervorzaubert. Könnte sich noch schöner zeigen mit weiterer Reife, ganz sicher ist die Prognose aber nicht.
8) 2005 Chateau D´Aurilhac│13 Euro│ 88-89 Punkte
Dieses Weingut gehört in der Tat zu den beachtenswerten Weinwerten in ausgezeichneten Jahren – und auch die Ausgabe 2005 weiß zu gefallen: Eine drückende Nase mit hochreifer, dunkler Frucht und einem Block Bitterschokolade. Vollreif geht es mit der Frucht auch im Mund weiter, aromatisch flankiert von Salzlakritznoten, kaltem Rauch und etwas Speck. Sehr strukturierter Verlauf, schokoladenschmelzige Schwazkirsche, kühl von der Frucht, ein wenig wärmend vom Alkohol. In Summe jedenfalls sehr ernsthaft, im deutlich mittellangen Finale kommt noch dunkler Tabak hinzu. In drei bis fünf Jahren voll trinkreif.
9) 2005 Chateau La Tour de By│13 Euro│ 85+ Punkte
In der Nase Kirschkonfit, ein Hauch Minze, die Nase bleibt recht hell mit Blüten und recht deutlich Orangenschalenaromen. Hinzu kommt je eine Nuance Vollmilchschokolade und Kaffee.
Üppiger Antrunk, seidig fülliges Mundefühl. Hellfruchtig-duftiger Charakter auch im Mund. Nur eine Spur Paprikabiss lässt einen sofort auf Bdx schliessen. Die Frucht wird im Verlauf dann wieder enger und ernsthafter, die Säure ist kräftig, aber stimmig. Wirkt noch ein wenig verschlossen und könnte sich in zwei-drei Jahren noch ein klein wenig besser zeigen. „Charmant und gut gemacht“ heißt es am Tisch – stimmt!
10) 2004 Chateau du Pez│20 Euro│86 Punkte
Als Wein zum Essen kam dieser Saint-Estephe auf den Tisch. Eine kräuterwürzige, rotfruchtige Nase, recht tief seine Kirschfrucht, schön balanciertes Bitterschokoladenflair. Offen und zugänglich.
Im Mund eine kräutrig herbe, leicht mineralische Kirschfrucht, ein klassischer Bordeaux alter Machart. Sein Tannin ist noch präsent, dies wird mit weiterer Reife zugänglicher werden. Deutlich mittellanges Finale mit Hagebutte und etwas Graphit. Inzwischen wieder ein solider Klassiker.
11) 2000 Chateau Paloumey│20 Euro│ 88-89 Punkte
Eine ausbalancierte Nase mit Vollmilchschokolade, Kräuter, etwas Paprika, Hagebutten und Tannennadelboden. Diese Aromen finden sich auch im strukturierten Mund wieder. Eine harmonische rote Hagebuttenfrucht, Tannennadelwürze – der Wein wirkt sehr geschliffen und bietet mit seiner eher schlanken und feinzeichneten Art viel Freude. Frische Säure. Hagebuttiges, feinstrukturiertes mittellanges Finale. Sehr schön…
12) 2003 Chateau Rollan de By│17 Euro│ 87-88 Punkte
In der leicht brettigen Nase Kirsche und Pfeiffentabak, Kräuter und ein leichter Champignonton. Nougataromen sorgen für Charme.
Extraktsüße Kirsche im dicht gepacktem Fruchtkern, fülliger Auftritt, aber ohne Schwulst. Wieder dunkler Nougat. Kraftvoll und schon voll zugänglich, ein schönes Spiel von würzigen Kräutern und einer nur leicht vorstehenden Säure. Sein Tannin ist noch kantig und aktuell eine Spur trocknend. Ein Wein im Stil eines „Blockbusters“, dem aber eine schwerfällige Süße abgeht. Damit gewinnt er.
13) 2003 Chateau D`Escurac│14 Euro│ 86 Punkte
Eine warme und reife Schwarzkirschnase, Schokrokant a la herbe Sahne, leider auch etwas Alkohol. Anders als bei seinem Vorgänger ahnt man hier schnell die Jahrgangsherkunft.
Kakaostaubiger Antrunk, süßliche Rotfrucht. Wieder „herbe Sahne“-Schokoladenaromatik. Wärmend. Das Tannin ist etwas stumpf, die Aromatik leidet unter dem rumtopfigen Einfluss des Alkohols. Im Finale bleibt viel Schokoschmelz und stumpfendes Tannin – schade, etwas mehr Frucht hätte hier besser gefallen. So bleibt schnell der Verdacht auf den Hitzejahrgang.
14) 2001 Chateau Cambon la Pelouse│22 Euro│ 89 Punkte
Welch Wohltat nach dem Vorgänger – es riecht nach Bordeaux klassischer Machart. Paprika, herbes Holz und jede Menge Zigarrenkiste. Recht tief und ansprechend.
Weicher Auftakt im Mund, eine verwobene Mixtur aus roter Frucht, Zigarrenkiste und etwas Paprika – letztere just in einer Menge, dass sie ein Mehr an Aromatik gibt. Die frische Säure sorgt für Trinkfluss. Das Tannin hat noch viel Grip, dürfte sich mit weiterer Lagerung runden. Speckige Noten und rote Frucht im knapp langen Finale. Sehr schön.
15) 1996 Chateau Cantemerle│20 Euro│84-85 Punkte
Ich bin froh, diesen Wein blind im Glas serviert bekommen zu haben – denn ich verbinde viele schöne Erinnerungen mit ihm. Diese Flasche konnte mich leider nicht überzeugen und so wurde mein Gesicht immer länger, als die Flasche herum gegeben wurde.
Röstige Nase mit markanter Bitterschokolade, etwas tertiäre Unterholz-, Kirsch- und Minzaromatik. Im Mund ein schokokrokantiger, sehr röstiger Auftakt, etwas Cassis und Kirsche, das Tannin strukturgebend, aber nicht störend. Feine, leicht süßliche Frucht. Tertiäre Aromatik. Leider betont diese Flasche die Säure so stark, dass man meint, der Wein habe seinen Zenit etwas überschritten. Das Holz führt den Wein in enger Schiene und ruft laut nach einem „Steak-Begleiter“. Dennoch nicht überzeugend, diese Flasche.
16) 1999 Chateau Smith-Haut Lafite│30 Euro│ 91-92 Punkte
Ganz anders der Folgewein – eine vielfältige und verspielte Nase nach klarem Johannisbeergelee, dem man die Süße genommen hat, dahinter ansprechende Kaffeenoten. Diese Nacht bietet fruchtige Noblesse. Im Mund der für mich am besten balacierte Wein des Abends – rote Frucht, Säure und Holzeindrücke vereinen sich in wunderbarer Harmonie. Auch hier deutlich Johannisbeere, das Spiel aus Frucht und Holz sorgt für aromatische Tiefe, die Rösttöne fein und geschliffen. Deutlich mittellanges Finish mit Lakritze und schokoladigen Tabaknoten. Jetzt und bis 2017. Aber warum warten?
17) 1999 Chateau Poujeaux│20 Euro│ 89-90 Punkte
Mit dieser Qualität kommt das Jahrgangspendent, der Poujeaux, nicht nach – wenngleich auch dies ein wunderbarer Weinwert ist. Eine fruchtsatte Kirschnase, etwas Cassis und Himbeere, fast eine Spur ätherisch. Anklänge an nasses Laub und verhaltene Würznoten sorgen für Komplexität.
Auch im Antrunk ein fruchtsatter Wein, der mit roter Frucht und Orangenschale aufwartet. Die zurückgenommene Säure stützt die Frucht wunderbar und bietet einen schönen Verlauf. Allenfalls die Holzaromen sind etwas kräftig, es findet sich aber als Ganzes gut ein. Das Finale bereitet ein fein strukturierter, deutlich mittellanger, mit mineralischen Ansätzen und Leder-Aromatik ausgestatteter Nachhall. Knapp „ausgezeichnet“.
18) 1986 Chateau Chasse Spleen│60 Euro│ 91-92 Punkte
Wie geschrieben, wir verließen mit dieser Flasche den aktuellen Marktpreis von 30 EUR. Dafür bekäme man aktuell allenfalls noch eine halbe Flasche. Wir hatten da erkennbar mehr Glück:
Eine Nase von feinem Leder, etwas Schwarzbrot, Cassis, roter Beerenfrucht und Paprika. So soll ein reifer Bordeaux riechen. Im Mund feingliedrige rote Frucht, etwas Schwarzbrot, eine Eisen-Mineralik – diese Komponenten geben dem Wein zusammen mit einer feinen Tanninstruktur etwas transparentes. Spielerisch im Verlauf, aber mit Anspruch. Dicht genug, ohne jede Schwere. Die rote Frucht und ihre beginnend tertiäre Aromatik zieht sich satt ins lange Finale durch. Ein ausgezeichneter Claret, der in dieser Verfassung bis 2016 getrunken werden darf (und soll).
Wer nach einem Fazit fragt – vielleicht dazu soviel: es finden sich schöne Weine im beprobten Preissegment, die es lohnt zu suchen und zu kaufen, ohne dass man seine Erbtante gleich heimsuchen müsste. Wer Bordeaux-Weine und Ihre Aromatik schätzt, wird mit Weinen wie Poujeaux, Tour de Pez oder D` Aurilhac seine Freude haben können. Auch mit einem Mittelklassemodell kommt man bisweilen gut von A nach B. Maybach und entsprechende Konsorten bleiben dann einfach den besonderen Tagen vorbehalten… Santé!
(Guido Mueller)