Bordeaux aus dem Libournais (Bonner Weinrunde am 10.10.2009)

Bordeaux aus dem Libournais (Bonner Weinrunde am 10.10.2009)

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„Satelliten“, „kleine Bordeaux-Appellationen“, „Best of the Rest“: Der Titel der Oktober-Probe war nicht ganz leicht zu formulieren. Thorsten hatte sich vorgenommen, abseits der bekannten Pfade, jenseits der Appellationen, die schon aufgrund ihres Namens den Preis treiben, nach Weinen zu suchen, die Aufmerksamkeit verdienen. Er machte sich dort auf die Suche, wo weder der Spekulant noch der Discounter normalerweise fündig werden: am rechten Ufer, rund um die Stadt Libourne, jedoch im (mehr oder weniger) großen Bogen um St. Emilion und seine so genannten Satelliten sowie Pomérol. Um es konkret zu benennen: Aufgetischt wurden Weine der Anbaugebiete (Canon-)Fronsac, Blayais, Bourgeais, Côtes de Castillon, Côtes de Francs, Lalande-de-Pomérol sowie Bordeaux Supérieur.

Die Weine dieser Anbaugebiete sind in der Regel deutlich früher trinkreif als die Vertreter der großen Orts-Appellationen des rechten, vor allem auch des linken Ufers. Das liegt zum einen an der Vinifizierung, die auf einen schnelleren Konsum ausgelegt ist, zum Teil aber auch an der Cuvée, in der neben der Haupttraube Merlot der Cabernet Franc eine wichtige Rolle spielt. Der Cabernet Sauvignon reift hingegen auf dieser Seite der Gironde selten aus. In ihrer jeweiligen Charakteristik erweisen sich die Anbaugebiete — obwohl sie nicht groß sind — grundsätzlich als wenig homogen. Wir versuchten daher nicht so sehr, eine klare Stilistik in den jeweiligen Flights zu erkennen, sondern wir konzentrierten uns voll und ganz auf den einzelnen Wein.

Thorsten sortierte die Probe konsequent nach Anbaugebieten, in sechs Flights plus einem Essenswein und einem Betthupferl stellte er uns „seine“ Reise durch das Libournais vor. Da mit den wenigsten Weinen jemand aus der Runde Erfahrung hatte, konnten wir getrost offen verkosten.

Flight Nr. 1: Fronsac & Canon-Fronsac
1. Chateau Canon Moueix, 1998

70% Merlot, 30% Cabernet Franc

Leuchtendes Rot mit ganz leichten Braunreflexen. In der Nase beerig, ätherisch, etwas Leder, Kirsche, schwarze Johannisbeere, schwarzer Pfeffer, Wacholder und Pilze. Wirkt im Mund auf den Punkt gereift, sehr offen, die Frucht hat sich bereits zurückgezogen, Wacholder, gut eingebundene Tannine bei mittlerer Länge. Ein sehr schöner Essensbegleiter, sagt die Runde.

81 bis 86 Punkte, Median 84. 14,90 €.

2. Moulin-Haut-Laroque, 1998

65% Merlot, 20% Cabernet Franc, 10% Cabernet Sauvigon, 5% Malbec

Dichte, undurchdringliche Farbe, trüb. In der Nase eine immer noch kräftige Holznote, Vollmilchschokolade, saftig-fleischig, fast ein portiger Eindruck (man hört gar das Wort „Todessüße“), Maggi. Im Mund ebenfalls Milchschokolade, zunächst voll und geöffnet auf der Zunge, weiter hinten aber etwas adstringierend, rauhe und etwas ruppige Tannine, eine mürbe Frucht. Im langen Abgang wieder etwas portig.

82 bis 85 Punkte, Median 83. 23.- €.

3. Chateau Fontenil, 1998

90% Merlot, 10% Cabernet Franc

Serviert aus der halben Flasche. Etwas gealterte, trübe Erscheinung im Glas. Tolle Nase mit Johannisbeere und schönem Holz, ledriger Würze und Mineralik. Im Mund noch jung wirkend, mit kräftiger Säure, kühl und dicht, eine gewisse Frische, Kräuter, wieder die Johannisbeere und etwas Kaffee.

84 bis 87 Punkte, davon fünf Mal mit Plus, Median 86. 25,40 €.

Flight Nr. 2: Blayais & Bourgeais

4. Roc de Cambes, 1998

75% Merlot, 20% Cabernet Sauvignon, 5% Malbec

Klares, leuchtendes Rot im Glas. In der Nase ein überraschendes Holz mit fast spätburgunderartigen Anklängen an Kokos, Rauch, Toast, Kakao, dahinter aber auch eine kühl-mineralische Note. Im Mund noch jung, schwarze und rote Johannisbeere, Brombeere, ein Kakao-Schoko-Komplex, Pfeffer und schön gereifte Tannine.

84+ bis 89 Punkte, Median 87. 20.- €.

5. Fougas Maldoror, 2000

75% Merlot, 25% Cabernet Sauvignon

Trübes Rot im Glas. Kräuter und schwarze Johannisbeere in der Nase, Wacholder, fast ein wenig Pfefffer, ein leichter Alkoholtouch. Im Mund ein voller Antrunk, gewisse Wärme, beerig, kräuterig, weist insgesamt einen umstrittenen Verlauf auf: Nach dem ersten vollmundigen Eindruck verengt er sich, manche sagen gar, er bräche ab, andere betonen, er käme im Abgang nochmal wieder. Kommentare sind zu hören wie „kratzige Haptik“, „kernig“, bis hin zu „einfach“.

83 bis 87 Punkte, Median 85. 20.- €.

6. Les Jonqueyres, 2000

90% Merlot, 5% Cabernet Franc, 5% Malbec

Mitteldichtes Rot. Würzige Nase, Fleisch, Extraktsüße und kühlende Mineralik. Im Mund sehr geschmeidig, wenig Ecken und Kanten, fruchtig, getrocknete Pflaume und Kirsche, Milchschokolade. „So’n Schoko-Kirsch-Zeug“.

81 bis 87 Punkte, Median 85. 13,40 €.

Flight Nr. 3: Côtes de Castillon

7. Cap de Faugères, 2000

85% Merlot, 10% Cabernet Franc, 5% Cabernet Sauvignon

Kräftiges Rot. In der Nase Schokolade, Wacholder, florale Noten, fleischig, vielleicht etwas Zimt, Kräuter. Im Mund schwarze Kirsche, im hinteren Mundraum Nougat (manche erkennen gar Marzipan), sehr weich und „straight-forward“. Easy Drinking.

80 bis 86 Punkte, Median 83. 20.- €.

8. Chateau d’Aiguilhe, 2000

80% Merlot, 20% Cabernet Sauvignon

Etwas trüb im Glas, als erster Wein des Abends ordentliches Depot. Volle, würzige Nase, leichte Kühle, Paprika, Mineralik, Schokolade. Im Mund Schokolade, kräuterig, fleischig, elegant, zieht seine Struktur konsequent durch bis zum Schluss, lang. Wirkt auf den Punkt gereift.

83 bis 88 Punkte, Median 87. 20.- €.

9. Clos les Lunelles, 2001

80% Merlot, 20% Cabernet Franc/Sauvignon

Wirkt in der Nase sofort überreif, Port, Schwarzbrot, Wucht, dennoch mit einer kühlenden Komponente (Minze). Explodiert fast auf der Zungenspitze, auch hier Brot und Minze, sehr dicht (laut Thorsten mit 20hl/h gelesen!), hält diese Wucht aber nicht ganz bis zum Ende durch, hinten ganz leicht trocknend. Wenn auch die Punktestreuung nicht breiter ist als bei anderen Weinen, spaltet dieser Wein dennoch in der Diskussion: Die Beiträge reichen von „viel zu viel“ über „Handgranate im Mund“ und „Maul voll Wein“ bis zu „Erlebniswein“ oder schlicht „geil“.

84 bis 89 Punkte, Median 86. 34.- €.

10. Domaine de l’A, 2001

70% Merlot, 25% Cabernet Franc, 5% Cabernet Sauvignon

Strahlend im Glas, aber nicht ganz klar. Fleischige Nase, Pilze, Kräuter und Mineralik, klar, präzise und rund. Im Mund fleischig, seidig, schönes Holz, frische rote Frucht, elegant, mit Schmelz, gute Struktur, die sich bis zum Ende durchzieht.

86 bis 91 Punkte, Median 88. 34.- €

Flight Nr. 4: Côtes de Francs

11. Chateau Puygueraud, 2000

70% Merlot, 15% Cabernet Franc, 10% Malbec, 5% Cabernet Sauvignon

Dunkelbeerige Überreife in der Nase, Teer, fast ein wenig flüchtige Säure. Im Mund vor allem trocken, keine Frucht, Säure und trocknendes Tannin. Kommentar: „Die Tannine einer Brombeere.“

78 bis 82 Punkte, Median 80. 28.- €.

Flight Nr. 5: Lalande de Pomerol

12. Chateau de Chambrun, 1998

Leider Kork.

Keine Wertung. 32,90 €.

13. Chateau La Fleur de Boüard, 1998

75% Merlot, 25% Cabernet Franc

Tiefes, nicht klares Rot. Leicht angekokelter Duft, irgendwie verbrannt, „Kartoffelfeuer“, Paprika, Holz, etwas Schweiß. Im Mund eine schöne Struktur, kräftiges Tannin, ein wenig trocknend und staubig, alles in allem ein strenger Wein („Herrenwein“ hört man sagen), vielleicht zu jung?

79 bis 87 Punkte, Median 83. 26,50 €.

14. Chateau Les Cruzelles, 2000

Leicht violetter Einschlag im Glas. Eine gemüsige Kirsche in der Nase, etwas spritig, Wacholder und Rosine. Stoffig im Mund, gute Struktur, straff, aber verschlossen wirkend, kantige Tannine, könnte in drei bis vier Jahren noch werden.

83+ bis 87+ Punkte, insgesamt sieben Mal mit Plus, Median 85. 22,90 €.

Flight Nr. 6: Bordeaux Supérieur
15. Grée Laroque, 2000

75% Merlot, 20% Cabernet Franc, 5% Cabernet Sauvignon

Parfümierte Nase, Brombeergelee, Himbeere, Cassis, Fruchtsüße, Paprika und eine maskuline Teernote. Im Mund ein etwas künstlicher Geschmack, wieder Brombeere und Fruchtsüße, Gummi, Leder, schweißig, ein wenig rustikal, etwas stumpf.

82 bis 85/86 Punkte, Median 84. 17,50 €.

16. Reignac, 2001

75% Merlot, 25% Cabernet Sauvignon

Kräuter, Teer und Kaffee in der Nase, Heidelbeere und eine salzige Kirsche (?). Fruchtsüße als erster Mundeindruck, Kaffee, Kräuter, dunkle Frucht und füllige Struktur, leicht trocknende Tannine. „Lecker.“

83+ bis 88 Punkte, insgesamt fünf Mal mit Plus, Median 85. 19,90 €.

17. Le Défi de Fontenil, 2000

Sehr schöne Farbe. Hochreifer Eindruck in der Nase, konzentriert, Vollmilchschokolade, Amarone, etwas Brot. Im Mund konzentriert, Schokolade, gut eingebundener Alkohol, ganz leicht trocknende Tannine, lang, eigentlich Bordeaux-untypisch. Lebt von seiner Konzentration.

84 bis 90 Punkte, Median 87. 41.- €.

Betthupferl
Chateau Maugey, 1999

80% Merlot, 20% Cabernet Franc, Petit Verdot, Malbec

Pflaume und Cassis in der Nase, kühle Mineralik, gute Cuvée-Charakteristik. Im Mund Cassis, eine pelzige Haptik, balanciert, im Abgang ein wenig Alkohol und einen Tick zu kurz.

88 bis 90 Punkte und ein Ausreißer mit 80, Median 89.

Eine interessante Probe mit Weinen in unterschiedlichstem Grad der Trinkreife, von elegant-strukturbetont bis hin zu konzentriert-extraktreich. Für jeden Geschmack etwas dabei. Bedenkt man aber, dass die Preise ungefähr auf dem Niveau eines guten Cru Bourgeois bis hin zu kleineren Cru Classés liegen, wird klar, dass man gründlich forschen muss, um in den Appellationen rund um Libourne Schnäppchen zu finden. Die Weine des Abends waren für uns der Roc de Cambes (4), der Chateau d’Aiguilhe (8) und der Le Défi de Fontenil (17) mit jeweils 87 Punkten und ganz besonders der Domaine de l’A (10) mit 88 Punkten. Der Roc de Cambes ist dabei mit 20.- € der Preis-Leistungs-Sieger.

Der Rahmen für die Probe war dabei einmal mehr den Weinen absolut ebenbürtig: Wir bedanken uns bei Marie-Luise für die Gastfreundschaft, die wir an ihrer Festtafel genießen durften und träumen noch heute vom perfekt zubereiteten Wildschweingulasch mit Pfifferlingen. Sensationell! Zum Essen gab es einen Chateau Grand Village, Bordeaux Supérieur, 2003 (8,50 €).

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