Der Weihnachtsmann kam erst am 26. Dezember

Der Weihnachtsmann kam erst am 26. Dezember

Probe 26. Dez 2012 - Titelbild-100Die Liste jener Weine, die unbedingt noch ihren Weg in mein Glas finden müssen, wird ständig länger anstatt kürzer. Vermutlich kennt jeder von uns dieses Phänomen. Anlass genug spontan mit ebenso verrückten Weinfreunden einen spontanen Abend zu verabreden, an dem in kleiner und vertrauter Runde große Weine aufgezogen werden; getreu dem Motto der Weihnachtsmann kommt 2012 erst am 26ten.

Die Weine wurden der Runde in Flights vorgesetzt, als Gastgeber kannte ich als einziger das gesamte Line-Up. Wie immer weichen bei solchen Blindverkostungen die Meinungen stark voneinander ab, auch an diesem Abend war dies nicht anders.

Clos Ste Hune 1991-100Vor dem offiziellen Programm ging es mit zwei „Vorweinen“ los. Zunächst kam mit dem 1991er Clos St. Hune ein Riesling ins Glas, der sich leider gänzlich gegensätzlich zu der Flasche im Februar des Jahres präsentierte. Diese hier war komplett oxidiert, vermutlich schlechte Lagerung. Eine einzige Enttäuschung und für manche Tischgenossen die erste willkommene Gelegenheit, über den Clos Saint Hune im Allgemeinen rumzumeckern, weil sie noch nicht das einmalige Vergnügen einer besser aufgelegten Flasche dieses großen Rieslings hatten. Hilft nur heute nix, ich erspare ihnen die Beschreibungen von Petrol und Co und lege mit 81/100 den Mantel des Schweigens über diese Flasche, zugegebenerweise ein teurer Mantel.


Der nächste Wein sollte aromatisch auf die folgenden Burgunder einstimmen und erreichte für mich sein Ziel bestens. Der 1990er Clos Vougeot von der Domaine Francois Lamarche zeigte in der Nase klare rotbeerige Früchte, sehr fein komponiert, vielleicht ein wenig zu leicht, man könnte aber auch sehr elegant sagen, wobei da nicht viel Tiefgang war. Im Mund ebenfalls von schlanker Statur, fein-fruchtiger Auftakt, kaum Holz erkennbar, sehr eleganter, balanciert Wein, der eher an einen hochklassigen Village-Wein erinnert und für einen Grand Cru, insbesondere für einen Vougeot jede Konzentration und Dichte vermissen ließ. Von der formalen Enttäuschung abgesehen, präsentierte sich uns ein überaus eleganter, sicherlich einfach gestrickter Burgunder, der schön gereift war und eine gelungene, sehr sauber feinfruchtige Stilistik zeigte. Den meisten am Tisch fehlte der Druck, ich freute mich über die Eleganz und vergab 88/100.


Clos des Lambrays 1999-100Der erste Flight stand im Zeichen von drei Grand Crus, zwei aus dem Burgund und einem aus Deutschland. Es ging los mit dem Clos des Lambray Grand Cru aus dem Jahr 1999. Der bot einen intensiven Duft nach Schwarzkirsche, roten Beerenfrüchten und Zigarrenkiste, dahinter etwas erdige Nuancen. Am Gaumen von kräftiger Statur, viel Fruchtfülle, erinnert an Kirschen und etwas Pflaumen, beide von Schokolade umhüllt, gut eingebundenes, wenngleich kräftiges Holz, das dem Wein sein nicht unübliche Röstigkeit verleiht und sich leider hinten etwas trocknend auswirkt. Dies habe ich bei den 99er-Burgundern bereits häufiger, überwiegend unangenehm erlebt. Offensichtlich ein kerniges Jahr. Insgesamt aber ein stimmig komponierter Burgunder, wenngleich dem Lambrays immer die Finesse und Komplexität von großen Grand Crus abgeht. Die Tannine zeigten noch viel Biss, der Abgang von mittlerer Länge. Dank der intensiven Frucht vergab ich ein kleines Plus 90+/100.


Becker Pinot Noir Hommage 2005-100Der nächste Grand Cru kommt aus Deutschland. Ich denke die Bezeichnung ist formal korrekt, denn der Pinot Noir Tafelwein „Hommage“ von Friedrich Becker darf wohl als Referenz gelten, zumal aus dem großen Burgunderjahr 2005. Die Nase kraftvoll, sehr fleischige Frucht, Orangenschlage, Lebkuchengewürz und Anklänge von Mineralik, zeigt Komplexität und Klasse. Am Gaumen ebenfalls sehr dicht, kräftig und süß. Satter Antrunk nach Mon Cheri, Sahneschokalde und saftigen Kirschsaft. Wir haben absoluten Kindermord vor uns, derart auf der primärfruchten Seite ist dieser Wein heute. Er wirkt dekadent fruchtig, mit üppigen Hüften, nicht vom Alkohol, sondern alleine von der Frucht, wirkt im jetzigen Zustand sehr aufgesetzt und nicht mein Fall. Die Säure ist fest, da ist auch Mineralik, das Holz präsent mit viel süßlicher Vanille und der Wein bleibt lange am Gaumen haften. Tja, der Hommage hat sicherlich alle Anlagen um irgendwann in der angestrebten Liga mitzuspielen, aber mind. 15 Jahre sollte man schon noch warten. Ob er dann die Eleganz und aromatische Vielschichtigkeit zeigt bleibt abzuwarten. Der „einfache“ Pinot Noir Tafelwein ist ihm heute deutlich überlegen.
Mit Fantasie 91+/100.


Morin Clos Vougeot 1959-100Zum Abschluss des Burgunder-Flight kam noch ein 59er Clos des Vougeout von der Domaine Morin ins Glas. Der zeigte bereits deutlich Alterstöne, erinnerte an Jod, Pilze, etwas aufgesetzte Kirschfrucht, recht schlank. Am Gaumen ebenfalls schlank, eingetrocknete rote Früchte, indifferente Süße, Hustensaft, bleibt lange am Gaumen haften, sicherlich schon ein paare Jahre drüber, noch gut zu trinken, ohne jede Größe 84/100.


Talbot 1982-100Zur Überbrückung, die Küche kam nicht hinterher, gab es noch einen 82er-Talbot. Leider kein Flaschenglück, denn dieser Wein gilt als großer 82er, schon öfters auf 95 Punkte-Niveau getrunken, diese Flasche war davon aber himmelweit entfernt. In der Nase sehr schöne, tiefe, reife BDX-Nase, süßliche, reife Paprika, Zedernholz, weiches Sattelleder und feiner Arabicaduft. Am Gaumen von mittlerem Körper, erneut fällt die süßliche Paprika auf, dunkle Brombeerenfrucht, süßliche Holzwürze, fast ein burgundischer, spröder Charme, nur leider geht alles nicht zu recht zusammen, wirkt uncharmant, trocknet hinten erstaunlich aus, endet kurz und enttäuschend. Ich vermute fast einen Flaschenfehler 86/100.


Jaboulet Aine La Chapelle 1997-100Anschließend ging es an die Rhone. Mehr ein Arbeitsflight, denn die angestellten Weine waren noch zu jung – aber Neugier macht bekanntlich ungeduldig. Der 97er Hermitage „La Chapelle“ von Paul Jaboulet Ainé roch unangenehm nach Maggi, Kerbel und anderen Kräutern, sonst nicht viel. Am Gaumen von mittlerem Körper, viel Extraktdichte, rosinige Früchte, Korkant, recht große Tanninstruktur, präsente Säure, langer, aber recht unwirscher Nachhall. Lange Gesichter an der Tafel nach dem Aufdecken 85/100. Am nächsten Abend hatte sich der Wein komplett gewandelt, war nun harmonisch, zeigte Tiefe und Klasse an und wurde von mir und einem Weinfreund mit Freude auf 90/100 Punkte-Niveau genossen.


Beaucastel 1995-100Anschließend gab es den 95er-Chateauneuf des Pape vom Chateau de Beaucastel, der mich direkt mit einem Duft nach Teef, roten Paprikapulver und dunklen BeerenBeaucastel 1995 - 2-100frucht in seinen Bann zog, zeigt Tiefe und Klasse an. Am Gaumen von mittlerem Körper mit intensivem Geschmack nach Lakritz, süßen dunklen Beerenfrüchten, endlich mal einen Beaucastel ohne die unangenehme Note nach Pferdeschweis, wenngleich auch hier ein Tick animalische Noten festzustellen sind. Die Konzentration des Weines gräbt sich in den Gaumen ein und bleibt lange stehen, aber besonders raffiniert empfinde ich es nicht 89+/100. Auch er am nächsten Abend besser.


Bruno Giacosa Serralunga Barolo Reserve 1989-100An so einem Abend darf natürlich Italien nicht fehlen und so hatte ich einen besonderen Wein vorbereitet. Leider konnte nicht jeder etwas damit anfangen, manche sprachen gar von Aldi-Wein und offenbarte eine offensichtliche Abneigung gegenüber derartiger Stilistik. Wir hatten 89er-Barolo Riserva Falletto di Serralunga d´Alba von Bruno Giacosa im Glas. Er zählt ganz sicher zu den Ikonen der gereiften Barolo und zum Glück hatten wir eine bessere Flasche des Weines erwischt, denn die großen Jahrgänge 89 und 90 sind nicht alle so gut gereift wie erhofft. Aber diese Flasche flog und rechtfertigt die extrem hohen Bewertungen und Preise. Wir haben perfekt gereiften Barolo im Glas, der nach Asche, Teer, Veilchen und hochreifen, bereits leicht rosinigen Früchten intensiv duftet. Am Gaumen von gewaltiger Konzentration, leichte Lacknoten, intensiver, verdichteter Kirschsaft, Trüffel, erneut Teer und ein Hauch frisch geschnittenes Gemüse, viel Tiefgang, große Komplexität, ein großer Wein mit feiner Säurestruktur, wirkt heute noch etwas sperrig, jede Menge Zukunft, kann noch groß werden, aber heute schon locker 93+/100. Andere geben unter 85 – meine verbliebenden, gereiften Barolos und Barbarescos mache ich alleine auf.


Chateau Margaux 1983-100Danach ging es für drei Weine ins heimische Wohnzimmer, sprich wir waren im Bordeaux. Es ging los mit dem 83er-Chateau Margaux. Den Wein hatte ich nun schon mehrfach im Glas und er zeigt sich immer sehr solide auf hohem Niveau. Sein Merkmale sind die klaren und sehr feingewobenen Fruchtaromen, die feste, nahezu kühle, abweisende Struktur und die wunderbar mürben Tannine. Auch diese Flasche wirkte fast jugendlich, ja scheu, herrlich frischer Cassisfrucht mit dezenten Anklängen an Waldboden und Leder. Kein Powerhouse, sondern ein klassischer Margaux mit viel Zukunft, den ich derzeit noch ein paar Jahre liegen lassen würde 94/100.


Lafite 1989-100Danach kam mit dem 1989er-Lafite Rothschild ein Wein ins Glas, den vermutlich jeder Weinfreund auf seiner Liste hat. Dieser Jahrgang ist als klassischer Lafite bekannt, demnach also eher ein feiner, mittelgewichtiger Wein und so präsentierte er sich auch. In der Nase eine klare und hochfeine dunkle Beerenfrucht, herrliche Cassis-Würze, aber auch Blau- und Brombeeren, feinstes Sattelleder und Zedernholz, wirkt ernsthaft, zeigt Tiefe und Klasse an. Am Gaumen höchstens von mittlerem Körper, hier findet sich Finesse pur, im Antrunk viel Graphit und hochfeine Cassis, vielfältiges Spiel aus Kräutern, die Tannine noch fest aber bestens integriert, das Holz hält sich zurück und die Säure ist perfekt verwoben, trotz aller Leichtigkeit wirkt der Wein ungemein geschmacksintensiv, im nur mittellangen Nachhall noch leicht trocknend, da könnte er noch etwas mehr Charme entwickeln. Trotzdem noch knapp ein großer Wein, ein klassischer Paulliac, dem ich die Größe anerkennen muss, der mich aber nicht wirklich berührt hat 95/100.


La Mission Haut-Brion 1997-100Den Abschluss machte ein wunderbar gereifter La Mission Haut Brion aus dem wirklich nicht tollen Jahr 1997. In der Nase erstaunlich viel steinige Mineralität, eine verführerisch süße Cassiswürze, etwas Heftpflaster, dahinter noble Barriquenoten. Am Gaumen von mittlerem Körper, mit himmlich gereiften dunklen Beerenfrüchte, rotes Paprikapulver, Anklänge nach Minze, Lorbeerblatt und ein winzigen Hauch Nelke, alle umwoben mit einer Ahnung Schokolade, im weiteren Verlauf kommen vermehrt Noten von Holunder und Marzipan auf, die Tannine mürbe, die Säure mild und schön integriert und endlich eine schöne Länge. Der Wein ist jetzt auf den Punkt gereift, größere Zukunft gehe ich ihm nicht 95-96/100.


Musar 1970-100Der Höhepunkt des Abends kam mit dem 1970er-Musar aus dem Libanon. Ein großer Wein mit intensivem und einzigartigem Duft nach Backpflaume und Lakritz, dahinter  auch Küchenkräuter und etwas Teer und einer steinbetonte Mineralität. Am Gaumen ähnlich intensiv mit kräftigem Körper und einer heftig intensiven Fruchtfülle, erneut Backpflaume, dunkle Waldbeeren, süßlichem Pfeiffentabak und feinem Stattelleder, alles wirkt enorm konzentriert, die Tannine sind noch sehr präsentent, aber weich und weit gereift, die Säure mild und schön integriert, geht aber fast unter vor lauter Aromenfülle, der Abgang hat eine Länge wie ich es bisher selten erlebt hatte, mitsamt diesem irren Spiel aus Frucht, Süße und tertiären Aromen, was einfach nicht aufhören wollte. Ein großer Wein, der die hohe Investition lohnt 98/100.


Tirant 2001-100Danach ging es nach Spanien, genauer gesagt ins Priorat. Und sofort roch es nach Graphit und Schiefer. Daneben zeigte der 2001er-Tirant von Rotllan Torra auch eine hochfeine, sehr klare und dunkle Kirschfrucht. Auch am Gaumen die Frucht klar wie ein Gebirgsbach, Blaubeersaft, Schwarzkirsche, etwas Lakritz vom Holzausbau, feinporige, lebhafte Säure, verleiht dem Wein Frische und stellt ein notwendiges Gegenstück zum Alkohol dar, der sich aber nie störend zeigt, gute Länge. Ein herrlich saftiger, frischer Wein, der jetzt sehr animierend zu trinken ist. Für eine große Wertung fehlt es ihm an letzter Tiefe und Vielschichtigkeit 94/100.


Zum Abschluss kam noch die 2011er Saarburger Rauch Riesling Spätlese von Zilliken in der Versteigerungsvariante auf den Tisch. Das ist Jugend, Agilität und Brillanz in reinster Form. Glockenklarer Duft nach nassem Stein und Essenzen von diversen Kernfrüchten. Am Gaumen tänzelnd, reintönige und fein-saftige Rieslingfrucht, null Botryitis, die Mineralität zeigt Mosel pur, die Säure lebhaft, aber fein, tänzelt über den gesamten Verlauf auf dem Gaumen rum, langer Nachhall. Eine Spätlese wie ich sie mir wünsche und die mich die nächsten Tage auf gleichbleibendem und ausgezeichnetem Niveau begleitet hat 94/100.

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