Ein Besuch im Napa Valley, Tag 2

Ein Besuch im Napa Valley, Tag 2

Nachdem ich mich am ersten Tag des viel zu kurzen Napa-Aufenthaltes von Süden nach Norden ins Tal bis nach St. Helena vorgearbeitet hatte, nahm ich diesmal den umgekehrten Weg und reiste von Nord nach Süd. Mit zwei Ausflügen in die Berge rechts und links. Zum einen, um die Natur und die wunderschönen und vor allem schön zu fahrenden Straßen zu genießen (after all, this is America – der Carbon Footprint dieses Urlaubs ist mit den üblichen Skalen sowieso nicht mehr messbar gewesen; ich habe irgendwo kurz vor San Francisco zum Ausgleich mal einen Redwood umarmt). Und zum anderen, um den Kopf zwischen den Weingütern wieder ein wenig, hm, frei zu bekommen.

Das Programm war abwechslungsreich: Frühmorgens zu Duckhorn für ein paar kraftvolle Merlots, danach mit Heitz einen der Pioniere und Vertreter des feurigen und staubigen Rutherford, dann mit Frog’s Leap die schlank-elegante Variante, und zum Schluss Turnbull – hierzu zunächst kein Kommentar.

Duckhorn Vineyards, St. Helena

Ich hatte von Duckhorn weder bislang einen Wein getrunken, noch war mir das Weingut konkret empfohlen worden – ich bin hier ausschließlich meinem Kalifornien-Führer und Johnson gefolgt. Es hat sich gelohnt. Duckhorn hat Weinberge in Napa und im Russian River Valley (vermarktet unter dem Label „Migration“) und eine eigene Pinot-Kellerei (Goldeneye) im Anderson Valley. Der Stil der Napa-Weine fällt eher kräftig und alkoholstark aus, und Duckhorn ist das einzige Weingut, bei dem ich Merlots probiert habe – so könnte ich allerdings jeden Morgen beginnen.

2009 Chardonnay „Migration“, Russian River Valley: 10 Monate in 100% frz. Eiche. Amerikanischer Chardonnay. Buttrig, toastig, gelber Apfel. Im Mund ebenfalls sehr buttrig, Säure spürbar zurückgenommen, ein wenig weichgespült und offen gestanden eher langweilig. $30.-, 86 Punkte.

2007 Merlot Three Palms Vineyard Napa: 93% Merlot, 5% CabSauv, 2% Petit Verdot. Yes! Schöne Pflaumen-/Kirschfrucht, Kräuter und kühle Mineralität. Im Mund noch verschlossen, viel Tannin, noch etwas trockend; Kaffee, Zigarre, etwas pilzig, viel Struktur. Wird toll. $85.-, 92+ Punkte.

2007 Merlot Stout Vineyard Howell Mountain: 94% Merlot, 6% CabSauv. Etwas Kirsche, Pflaume, schöne Mineralität, insgesamt noch sehr verschlossen. Am Gaumen kraftvolle Säure, viel Tannin, Johannisbeere, die Aromen eher grünlich-kühl als warm und braun. Vielleicht nicht ganz die Tiefe und Struktur wie der Three Palms. Kommt noch. $85.-, 90+ Punkte.

2007 Pinot Noir Anderson Valley (Goldeneye): Dies ist der Einstiegs-Pinot. (Ich ärgere mich im Nachhinein sehr, dass ich ein paar Tage später nicht noch den Umweg ins Anderson Valley gemacht habe.) Trüb. Kalkige Nase, Kirsche, Kräuter, sehr burgundisch. Im Mund sanft-süßlich, noch jung, die Frucht wird derzeit von kreidigen Tönen und Holz ziemlich untergebuttert, kraftvoll und zweifellos alkoholstark (14,5%), noch ruppige Tannine, dennoch schon ein toller Wein, lang. $55.-, 89/90+ Punkte.

2007 Cabernet Sauvignon Rector Creek Vineyard Napa: 91% CabSauv, 9% Merlot. Leder, etwas stallig, Mineralik und Sandelholz. Spürbarer Merlot-Anteil. Sehr cremig am Gaumen, sehr dicht, schöne Frucht aus Cassis, Kirsche, grüner Paprika, viel Tannin, elegant, noch ein wenig verhalten. $95.-, 92+ Punkte.

2007 Cabernet Sauvignon Patzimaro Vineyard Napa: 81% CabSauv, 19% CabFranc. Wieder Leder, mehr Cassis, frisch, man meint den CabFranc zu spüren. Im Mund weicher als erwartet, viel Cassis, baut mehr auf die Frucht als der Rector Creek, nicht ganz mein Blend. $95-, 90 Punkte.

2007 „Canvasback“ Napa: 56% Syrah, 37% Grenache, 5% Carignane, 2% CabSauv. Syrah! Zigarre, Vanille, cremige Textur, überhaupt nicht scharf. Im Mund hingegen schon ein wenig, wieder viel Vanille, reife Pflaume, etwas eindimensional, etwas Kreide, auf dem Weg zur Reife. $52.-, 88 Punkte.

Eine wirklich schöne Kollektion, sehr alkoholstark (alle Weine außer dem „Migration“ waren mit 14,5% etikettiert), aber dennoch elegant. Natürlich auch teuer. Die Merlots und Cabs waren aber konsistent gut, daher erkläre ich diesen Besuch zu einem der Highlights.

Heitz Cellar, St. Helena

Die zweite Station des Tages war Heitz. Offen gestanden hatte ich den Namen vor meiner Reise noch nie gehört, den Tipp verdanke dem Personal von Chimney Rock. Mittlerweile weiß ich, dass Heitz in den 60er Jahren zu den Pionieren des Qualitätsweinbaus in Napa gehörte – das Weingut wurde 1961 gegründet. Die Spitzenweine der Verkostung fand ich faszinierend, weil sie auf den ersten Schluck eigentlich so gar nicht dem von mir bevorzugten Stil entsprechen, sie sind eher heiß und vollreif, bei näherem Hinschmecken stellen sie sich aber als höchst interessant heraus.

2009 Sauvignon Blanc Napa: Schöne grasige Nase und Mineralität. Sortentypisch und schlank. Konsistent hierzu im Mund, frisch, rauchig, angenehm zu trinken. $19,75, 87 Punkte.

2007 Zinfandel Napa: Kühle Mineralik, nur sehr zurückhaltend die üblichen Zinfandelnoten nach Gewürzen und dunklen Früchten. Auch im Mund eher schlank, fast flach, kein typischer Zinfandel, nach dem, was ich bislang von dieser Rebe kenne. Interessant, aber für mich nicht bewertbar, da zu ungewöhnlich. $22.-.

2007 Grignolino Napa: Bitte was? Nie gehört. Sehr helles Rot. Interessante kirschige Frucht, etwas Rosine. Im Mund grasig-grünlich, erinnert ein wenig an Sauvignon Blanc, nur in Rot. Ungewöhnlich. Ca. $15.-

2005 Cabernet Sauvignon Napa: Dies ist der aktuell im Verkauf befindliche Guts-Cabernet. Eher ungewöhnlich. Ledrig-rosinige Nase. Weich, wirkt schön angereift. Kirsche, grüne Paprika und Mineralik. Etwas Alkohol. Schöner Wein mit ungewöhnlicher Charakteristik, aber ohne die ganz große Überzeugungskraft. Diese Flasche war bereits seit zwei Tagen offen. Ein frisch geöffnete und ohne Hilfsmittel ausgeschenkte Flasche zeigte sich ganz anders: Kräftige Nase nach Teer und Tabak, im Mund viel Cassis, aber auch schon recht weich. Mir wäre er wahrscheinlich nach zwei bis drei Stunden Dekantieren am liebsten. $42.-, 88 Punkte.

2005 Cabernet Sauvignon Trailside Vineyard Rutherford: 100% CabSauv. Leder, ein wenig portig, Rosine, sehr konzentriert und, trotzdem er erst in den Verkauf kam, sehr reif wirkend. Im Mund sehr auf diese Reifenote bauend, Leder, staubig, kaum eine einzelne, identifizierbare Frucht. Höchst interessant, aber ungewöhnlich. Keine Ahnung, wie sich so etwas über die Zeit noch entwickelt. $70.-, 91 Punkte.

2006 Cabernet Sauvignon Martha’s Vineyard Oakville: 100% CabSauv. Ebenfalls hochreif, Zigarre, Rosine. Im Mund trotz der Hochreife frisch, wieder Zigarre und Rosine, Gewürze, wieder eher ungewöhnlich, aber großartig. $150.-, 93 Punkte.

Die Typizität der drei Cabs ist sehr konsistent, die Steigerung in Qualität und Konzentration sehr gut herausgearbeitet. Tolle Serie. Das Herz tendierte zu Martha, die Vernunft zum Napa, getroffen haben sie sich schließlich beim Trailside in der Mitte. Hier die etwas ausführlichere Besprechung der ganzen Flasche.


Frog’s Leap Winery, Rutherford

Das Fazit in diesem Fall gleich vorweg: Frog’s Leap hat in meiner Verkostung nicht die höchsten Punkte bekommen. Das liegt aber in erster Linie daran, dass hier Weine gemacht werden, die viel Zeit brauchen: in der Flasche und im Glas. Die Weine sind alle eher schlank und elegant, mehr französisch als amerikanisch, und hier spielt dann sicher auch mein amerikanisierter Geschmack eine große Rolle, der mit so viel Struktur, Eleganz und gar Kargheit einfach nicht mehr auf Anhieb zurechtkommt. Ich bin sicher, dass ich mich im Laufe eines ganzen Glases weiter an diesen Stil herangetrunken hätte. Frog’s Leap produziert nach strengen Bio-Richtlinien und ist einer der wenigen Betriebe im Valley, der nicht bewässert. Außerdem haben sie die unterhaltsamste Website, die ich je bei einem Weingut gesehen habe.

2009 Chardonnay Napa: Schlanke Nase, kaum Butter und Holz (überwiegend Zweitbelegung), Kiwi, Apfel, Zitrus, vulkanisch-mineralisch. Ebenfalls sehr schlank im Mund. Nur 13,2% Alkohol. Säurebetont, elegant, dezente mineralisch-steinige Note, ganz leicht Vanille, muss noch reifen. Eindeutig ein Essenswein. Preiswert. $26.-, 88+ Punkte.

2008 Merlot Rutherford: Recht leise Nase. Schöner, saftiger, kräuteriger, eleganter Merlot. Kirsche, Pflaume, Graphit, etwas Teer, noch nicht richtig geöffnet. Bemerkenswerte 12,9% Alkohol. Eleganter Wein, der es aber gegen die Kokurrenz (z.B. Duckhorn) nicht leicht hat. Fairer Preis. $34.-, 89+ Punkte.

2007 „Rutherford“: 93% CabSauv, 7% CabFranc. Der Top-Wein des Gutes. Das Ziel ist, den typischen Rutherford-Geschmack herauszuarbeiten, den „Rutherford Dust“. Schöne Kirsch-Nase mit einem Hauch schwarzer Johannisbeere, kalkig-mineralisch, Zedernholz, wieder eher auf der verhaltenen Seite. Im Mund noch frisch, kalkig, Graphit, ein wenig „spicy“, extrem elegant, schon recht sanfte Tannine. Es wäre höchst interessant zu sehen, wie das in fünf Jahren ausschaut. Und außerdem würde ich diesen Wein gerne für $40.- kaufen, wie die anderen auch. 13,6% Alkohol. $75.-, 91+ Punkte.

2008 Petite Syrah Rutherford: Stall, Leder, Tabak, Heidelbeere. Im Mund ebenfalls Heidelbeere und Stall (ein wenig zu aufdringlich), Tabak, kaum Fruchtsüße. Die Stalligkeit macht einiges her, aber so richtig verstehe ich das alles nicht. Zu einseitig. Ob das noch wird? $35.-, 84 Punkte.

Ich werde mich in Boston auf die Suche nach dem Merlot machen.


Turnbull Wine Cellars, Oakville

Turnbull ist mir zum ersten Mal im Oktober letzten Jahres in Form ihres 2006er Napa-Cabernet begegnet, der mir damals als ein recht guter Preis/Leistungs-Schnapp vorgekommen war. Danach nochmal mit dem gleichen Wein an einem fröhlichen Abend in einem Steakhaus in Vegas. Genug, um einen Besuch zu rechtfertigen? Ich hatte irgendwie nichts anderes mehr vor an diesem Tag, und das Gut lag günstig. Schicksal.

2007 Cabernet Sauvignon Napa: 76% CabSauv, 13% Syrah. Syrah? Noch nie bewusst mit Cabernet verblendet getrunken. Schaun mer mal: extrem dunkel im Glas. Etwas Zigarre, Leder, schwarze Kirsche, leicht alkoholisch. Noch frische Frucht, Rosine, Cassis, dicht, seidig, im Abgang etwas bitter und brandig. Zu soft und warm. Syrah-Anteil tut nicht gut. $40.-, 87 Punkte.

2006 Cabernet Sauvignon Leopoldina Vineyard Oakville: 88% CabSauv, 10% PV. Viel eleganter, mehr Mineralik, Johannisbeere, Zigarre. Schön fruchtsüß-weich, zu weich, samtig, dunkle Frucht, Tannine noch etwas ruppig. $60.-, 89 Punkte.

2006 Cabernet Sauvignon Leopoldina Vineyard Oakville: 88% CabSauv, 10% PV. Minimal Gummi, etwas Teer, Kirsche, Brombeere. Viiiiel Fruchtsüße, dunkle Frucht, vor allem Brombeere. Hat mit Cabernet meines Erachtens wenig zu tun. $60.-, 89 Punkte.

2007 Cabernet Sauvignon Amoenus Vineyard Calistoga: 93% CabSauv, 5% PV, 2% Malbec. Etwas stinkig, Pfeffer, Gewürze, etwas Mineralik. Zedrig im Mund, Lakritz, dunkel, weich, fast weichgespült, Vanille. Nicht schlecht, aber alles dermaßen überkonzentriert, dass man den Fokus verliert. $75.-, 90 Punkte.

2007 „Black Label“ Cabernet Sauvignon Reserve: 78% CabSauv, 15% PV, 7% Malbec. Ach, und 15,5% Alkohol. 94 Parker-Punkte. Gummi, extremer Fruchtstrauß, Sandelholz. Super-konzentriert, viel Tannin, Frucht derzeit eher verwaschen, macht noch nicht auf. Derzeit für mich nicht bewertbar. Wenn ich meine Notizen richtig lese, steht da „Parker’scher Alptraum“. Und da wusste ich noch nicht mal etwas von seiner Bewertung. $100.-

Ich bin vielleicht ein wenig unfair. Neben mir am Verkostungstresen lehnten zwei twitternde, kurzberockte, recht kräftig gebaute Ladies, die anscheinend „in the industry“ arbeiteten (Praktikum?) und sich einmal hoch und runter durch’s Valley schnackten, um die Konkurrenz kennenzulernen. Ich konnte mich bei dem Geschnatter nicht konzentrieren. Gefallen hat mir das alles (die Weine) aber ganz und gar nicht. Zu konzentriert, zu heiß, zu verwaschen. #fail

Zum Abschluss der Napa-Reise wird in einigen Tagen noch die Besprechung von Cosentino (Yountville) sowie von Kunde Estate (Sonoma) und Schug (Carneros) folgen.

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