Kraftakt Pinot Noir VI — Spätburgunder aus Frankreich, Deutschland, Österreich und von weiter her

Kraftakt Pinot Noir VI — Spätburgunder aus Frankreich, Deutschland, Österreich und von weiter her

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Wie jedes Jahr versammelten wir uns zu Beginn des Jahres in vertrauter, verschworener Runde — diesmal zur immerhin schon sechsten Ausgabe unseres Kraftakts Pinot Noir. Wie immer galt es, trinkreife, große Weine um unseren kleinen persönlichen Pinot Noir Cup streiten zu lassen. Im Zaum gehalten wurde das Line-up von einem unserer wahren Burgund-Kenner in der Runde, Heiko. Es lag jedoch nicht an ihm, dass auch diesmal erneut das Burgund die auf dem Papier renommierteste Equipe stellte. Und doch sollte es anders kommen. Die Krone holte sich diesmal ein Wein, den keiner von uns auf dem Zettel hatte.

Kraftakt Pinot VI (1 von 17)Champagner Drappier Carte d’Or
Zum Start gibt es einen Champagner, der vollständig aus Pinot Noir gekeltert wird. In der Nase eine rotbeerige Frucht, auch Apfel und Limette, duftig, brotig; saftiger Antrunk, feine Perlage, hohe Dosage, etwas füllig, tolles Süßes-Säure-Spiel; nicht komplex, aber hoher Trinkspaß; ein Kabinett von einem Champagner. (87 Punkte)

Domaine Georges Mugneret-Gibourg Cote de Nuit Villages Vosne-Romanee 2009
Weiter geht es mit einem sogenannten Nuller-Wein, der uns jedoch gleich auf ein vernünftiges Niveau befördert. In der Nase duftige Himbeeren, gelierte Frucht, fruchtbetont, aromatische Pfeffernote, würzige Spuren; im Mund rote Frucht, trocken, leichte Holzwürze, Piment, Gewürze, Nelken, Kräuter, trockener Stil, leicht hitzig, mittlere Länge, auf jeden Fall jung, verliert aber schon seine Kernigkeit. (89 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (2 von 17)Paul Achs Pinot Noir Burgenland 2009
Nun wird es ernst. Der erste Wein aus dem offiziellen Line-up bietet eine intensive Nase mit Kirschen, dunkelwürzig, leicht speckig, etwas Schokolade; im Mund viel Konzentration, dabei eine schöne reife Frucht, gute Holzwürze, dann vor allem herbe Noten, sehr röstig; die Herbheit zieht sich durch, die Frucht wird dadurch geblockt, der Verlauf endet in kaltem Rauch; adstringierende Tannine, hinten treten die Phenole immer stärker heraus. (85-86 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (3 von 17)Claus Preisinger Pinot Noir 2008
In der duftig verspielten Nase rote Früchte, rote Johannisbeere, Hagebutten, rotwürzige Noten, sehr schöne Holzwürze, Milchschokolade, erste Reifetöne; kräftiger Antrunk, trockener Stil, die Frucht wird durch die Holzsüße super gestützt, feines Tannin, sahnige Textur, saftig strukturiert, filigrane, animierende Säure; zimtiger Abgang. Ein fruchtiger und eleganter Wein zugleich, der viel Spiel und ansatzweise Tiefe hat, vor allem aber einfach lecker und zugänglich sein will. Und sich mit seiner Struktur dem nicht entgegen stellt. (92 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (4 von 17)Gesellmann Pinot Noir Siglos 2008
In der Nase eine trockene dunkle fleischige Frucht, ganz dunkle Schokolade, Mokkanoten, Kräuter; im Mund dann etwas hitzig, dunkelröstig, schokoladig, dunkle Beeren, ansatzweise ätherische Noten; trocken, sehr konzentriert, hat Mineralität und schöne Frucht zugleich, Wacholder, guter Holzeinsatz, Komplexität, aber der Alkohol wird hinten anstrengend. Ein vielschichtiger, auf seine Art extremer Wein, andere Stimmen finden die Tannine dominant und stumpfend und vermissen die Balance. Dass er aber hinten den Alkohol von der Leine lässt, ist spürbar. (86-91 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (5 von 17)Reinhold und Cornelia Schneider Spätburgunder *** R 2005
Schinkenwürzige Noten, animalische Noten, würzig, räucherig, dunkle Früchte; im Mund kalte Holzkohle, kalter Rauch, Kaffee, auch stark fruchtaromatisch mit Noten von Erdbeeren und Holunder, Wacholder; die Säure ist prägnant, aber das Holz wirkt bitter, das Tannin ist kräftig; schöne Aromatik, aber zur Zeit ist der Wein zu holzgeprägt und es fehlt etwas an Druck und Biss. Wir rätseln, ob sich das noch entwickeln kann. Aus der Erfahrung mit den Schneider-Weinen stimmen wir jedoch dafür. (88+ Punkte)

Kraftakt Pinot VI (7 von 17)August Kesseler Spätburgunder Assmannshäuser Höllenberg 2005
Sauerfruchtige Nase, Noten von frischen Erdbeere, Sauerkirschen, Rhabarber; die Frucht ist betörend frisch und blitzsauber, Komplexität bildet sich jedoch noch nicht aus; im Mund deutlich Cassis, zur Zeit fruchtbetont, sehr jung. Feines Tannin, tolle Säure, schöner Biss, tiefe Frucht; der Wein ist jetzt schon jetzt schon richtig gut zugänglich, er hat ganz viel Spiel, wässrige Textur, trinkanimierend; ein förmlich strahlender Wein, mit mehr Reife wird er ganz sicher noch deutlich größer und komplexer. (92+ Punkte)

Kraftakt Pinot VI (6 von 17)Ökonomierat Rebholz Spätburgunder Im Sonnenschein 2005
In der Nase konzentrierte, schweißige, auch kohlige Noten, gedeckte Frucht, leider uncharmant; im Antrunk erneut schweißig, hochreife Frucht, extraktreich, Sahnekaramell, Gemüse, rote Früchte; der Wein ist zur Zeit schwierig und hinterlässt uns erstaunt und ratlos. Dabei war 2005 doch ein ganz großes Jahr in der Südpfalz. Braucht er tatsächlich noch mehr Reife? Oder haben wir einfach Pech? Nun, es ist leider nicht die erste derartige Erfahrung, die wir mit diesem Pinot Noir gemacht haben. (83 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (8 von 17)Domaine Drouhin-Laroze Chambertin Grand Cru Latricieres 2005
In der Nase dichtes Extrakt, fruchtbetont mit Himbeergelee und Wacholder, die Frucht hat wunderbar gezeichnete Konturen; im Mund zuerst ein dicht gewirkter, extraktsüßer Antrunk, kraftvoller Auftritt, die Tannine trocknen noch etwas nach, der Wein steckt noch mitten in der Jugend, fruchtbetont, saftig, starke Säurestruktur, ganz tolles Holzmanagement, braucht mindestens noch sechs bis acht Jahre, hat aber alle Anlagen für vielleicht drei, vier Punkte mehr. (91+ Punkte)

Kraftakt Pinot VI (11 von 17)Ziereisen Jaspis Spätburgunder Alte Reben 2003
In der Nase Räuchernoten, Speck, Piment, pilzige Reifetöne, konzentriert, leicht schweißig; im Mund eine sehr schöne opulente Frucht, Wacholder, viel Würze, herbe Schokolade, etwas animalische Noten, prägnante Säure, ein kerniger, aromatischer Wein, würziges Laub, Unterboden, sehr jung, hat noch viel Zeit; wird seine Wildheit behalten, aber ganz sicher schöner, wenn er weicher wird. Tolle Länge und jetzt schon einige Tiefe. Wie auch sonst polarisiert dieser Wein. (88+-91+ Punkte)

Kraftakt Pinot VI (10 von 17)Koehler-Ruprecht Pinot Noir Philippi R 2003
Dunkelbeerig ind er Nase, reife Früchte, dunkle Brotkruste, kühl anmutender Stil, dunkler Tabak, Piment, dunkle Bitterschokolade; im Antrunk dann konzentriert und extraktsüß, dabei keine füllige, eher eine sehnige Struktur; dazu Kräuter, viel Extrakt, bittere und rauchige Anmutung, die Säure dringt deutlich hindurch, aber es fehlt trotzdem die Frische; der Wein wirkt fett und überkonzentriert, er drückt einfach zu sehr über das Extrakt. Leider bestätigt er somit den Jahrgang. (87 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (9 von 17)Domaine de la Vougeraie Charmes-Chambertin Les Mazoyeres 2003
In der Nase zuerst kein guter Start: Fleischbrühe, etwas Liebstöckel, rote Früchte, neues Holz in der Nase, im Mund Himbeeren, Kirschen, Zitrusabrieb, wässrige Textur, saubere, geöffnete Frucht, duftig gereift, obwohl er ausgiebig dekantiert wurde entwickelt er sich im Glas deutlich weiter, wird ansatzweise straff, elegant und immer trinkanimierender. Die muffigen Töne verschwinden, eine strahlende Rotbeerigkeit atmet sich immer weiter in den Wein, eine tolle Entwicklung im Glas; wären nun auch noch die Tannine etwas feiner und sanfter, wäre dieser Wein richtig groß. In die Richtung wird er mit mehr Reife aber noch gehen. (90-92 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (12 von 17)Aldinger Spätburgunder *** Untertürkheimer Gips 2007
Im Glas leicht bräunlich mit Wasserrand; in der Nase schwarze und blaue Beeren, Schwarzkirschen, auch Aprikosen, dazu irgendwie heuige, grasige, krautige Noten; im Mund vor allem rote Früchte, rote Johannisbeeren, auch reife, karamellige Noten, Piment, Kräuter, fleischiger Ansatz; die Frucht wirkt eingekocht, der Verlauf ist sehr herb; auch das Tannin ist stumpfend, weiter hinten wird der Wein sogar noch schärfend und hitzig. Am Anfang gefällt er noch recht gut, nach hinten wird er aber immer unharmonischer. (86 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (13 von 17)Domaine G. Roumier Chambolle-Musigny Premier Cru Les Cras 2006
In der Nase etwas zurückhaltend, an Aromen rote Kirsche, Cranberries, helle Schokolade; im Mund feine Noten von Zitrusfrüchten, Orangenabrieb, roter Weinbergspfirsich, hellfruchtig, eindeutig französischer Stil, ganz feine Saftigkeit, sehr feinduftig, weiße Pfefferigkeit, hinten etwas Salz; welch vielschichtiger und dabei tief entspannter Wein, ständig changierend, ganz viel Spiel, tänzelnder Auftritt, und in ein paar Jahren wird er sicher noch besser. (93+ Punkte)

Kraftakt Pinot VI (15 von 17)Domaine Alain Burguet Vielles Vignes Gevrey-Chambertin 1998
Der Wein schwenkt trüb im Glas; in der Nase Reifenabrieb, Tabak, Mokkapulver, Wacholder, Unterboden, rote Beeren, pilzige Noten; im Mund erneut die Zigarrenkiste, der Wein hat eine eigenartig pulverige Textur, die Säure steht neben dem Wein, die Frucht fehlt, hinten bitter, eventuell ein Problem mit der Flasche. Sehr schade. (keine Wertung)

Kraftakt Pinot VI (14 von 17)Bruno Clavelier l’Combe d’Orveaux 1998
In der Nase eine tiefe rote Frucht, roter Tee, Hagebutten, rote Würze, weißer Pfeffer, helle Schokolade, kühler Stil, feinduftig mit viel Noblesse; im Mund dann vollmundig, rote Kirschen, feine Salzigkeit, kalkig mineralische Anmutung; die Säure beginnt langsam hervorzutreten, die Frucht ist etwas zurückgetreten, die schöne kreidige Mineralität tritt immer stärker hervor, die Säure ist pointiert, das Tannin noch etwas stumpfend; ein insgesamt kräftiger Stil, aber dennoch sehr elegant. Dürfte mit mehr Reife noch deutlich zulegen. (91+ Punkte)

Kraftakt Pinot VI (17 von 17)Domaine Francois Lamarche Vosne Romanee La Grand Rue 2000
In der blitzsauberen Nase sehr kräuterig, rotwürzig, hellfruchtig, Zitrusabrieb, rote Früchte, die sich mehr und mehr in den Wein hineinatmen; im Mund Eindrücke von schwarzem Tee und getrockneten roten Früchten, vor allem Hagebutten, dabei extraktsüß, schöne weiche Tannine, eine lebendige, fast schon heftige Säure, dazu eine starke mineralische Ader, schlanker, puristischer Stil; auch dieser Wein öffnet sich mit mehr Luft immer weiter. (91-93 Punkte)

Kraftakt Pinot VI (16 von 17)Sanford Pinot Noir La Rinconada Santa Barbara County 1999
In der Nase schwarze Kirschen, schokoladig, ein Hauch von Holzkohle, karamellig, sahnig, Kaffee, füllig und extraktreich; im Mund überbordendes Extrakt, sogar süß anmutend, aber trotzdem viel Spiel, tänzelnd, konzentriert, präsente weiche Tannine, viel Druck, bleibt aber in der Spur, schwarze Oliven, rote Teearomen, sehr extraktreich, aber trotzdem trinkanimierend; ein Verführer, dem in all seiner Konzentration eine besondere Tiefe innewohnt und der sogar die Burgundpuristen in der Runde zu überzeugen weiß. (92-95 Punkte)

Was bleibt am Ende? Einerseits fühlten wir uns bestätigt. Bis auf den Assmannshäuser Höllenberg hielten die deutschen Spätburgunder einmal mehr nicht mit, was ganz sicher zum Teil an unseren Geschmäckern — den Jaspis kann und sollte man verteidigen —, aber auch an der ungleich größeren Komplexität und Transparenz der französischen Burgunder liegt. Österreich war wieder mal für einen Achtungserfolg gut mit dem wunderbar trinkigen Pinot Noir von Claus Preisinger. Einen Paukenschlag lieferte aber diesmal ausgerechnet Kalifornien. Der Sanford vermochte uns am meisten zu begeistern, obwohl wir schon beim Verkosten seine Herkunft erkannten. Große Weine können also auch extraktsüß und sahnig sein. Nicht immer braucht man Mineralität und straffe Säure für hohen Anspruch. So freuten wir uns, wieder mal überrascht worden zu sein — von den Weinen und von uns selbst.

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