Kraftakt Riesling IV – 2011

Kraftakt Riesling IV – 2011

„Downsizing“ war das eigentliche Motto des Kraftakts Riesling IV im Spätherbst 2011 – jedenfalls, was die Vorsätze für die  den Wein begleitenden Speisen betraf. Ich schreibe im Imperativ, weil spätestens zu Beginn dieses gelungenen Abends jedem der Teilnehmer klar wurde, dass die kochaffinen Teilnehmer dieses Kraftaktes einmal mehr Vollgas gaben. Einzelheiten halte ich an dieser Stelle zurück, denn wir sind ja ein Weinblog – nur soviel: Danke Jungs, ihr habt Euch wirklich einmal mehr nicht lumpen lassen – schlicht köstlich, was Ihr da in den ungezählten Gängen zwischen den Weinen auf den Tisch gezaubert habt.

Getrunken wurde beim Kraftakt bei den Rieslingen wie immer blind, allein ein Teilnehmer kannte das Lineup der vorhandenen Weine. Aufgedeckt wurde erst nach dem letzten trockenen Riesling – in den Gesichtern Staunen und große Augen…

Den sonnendurchfluteten Oktober-Nachmittag eröffnete ein merklich gereifter, dennoch spritziger und zitronig klarer 1992er Wallufer Walkenberg Kabinett trocken von J.B.Becker (82 Punkte) , der aufgrund seiner Kargheit und den merklichen Reifetönen nicht jedem in der Runde zu gefallen wusste. Als Wein „Null“, was für eine schiere Untertreibung, kam der „Running Gag“ der letzten Riesling Kraftakte auf den Tisch, Künstlers Hölle Goldkapsel trocken 2005. Diesmal zwar als Solist, wie von mir im letzten Jahr noch gewünscht, nun aber wieder nicht mit der gebotenen Bühne. Ein nach meinen Notizen verschlossen wirkender Wein mit uppiger Hüfte und weicher Säure, begleitet aber von einer wunderbaren Pfirsich- und gelber Steinfrucht und einer gut eingebundenen Mineralität (91+ Punkte).

Sodann folgte das Hauptprogramm…

1 Marc Kreydenweiss Le Chateau Kastelberg Grand Cru Alsace, 2004

Dunkles Bernsteingold – die Farbe kündet von Reife. Die Nase betont oxydativ, dazu viel Bayerisch-Malz und feine Honigtöne. Im Mund nahezu fruchtfrei, allenfalls Mostapfel und Mirabelle vernehmen wir, dazu oxydative Rosinentöne, viel Extrakt und noch mehr Säure, die aber vom Extrakt gerade noch gepuffert wird. Den Alkohol gut einbindend. Mittellanges, salzig-rauchiges Finale. Wenngleich der Wein auf diese Weise geschlossen auftritt, kann er die Runde nicht begeistern. Einigen fehlt dann doch die Komplexität, die auch dem einsamen Rufer, der attestiert, der Wein sei zu kalt auf den Tisch gekommen, keinen überzeugten Glauben schenken wollen. Ein Prototyp in Sachen „Rieslingtypizität“ ist das jedoch nicht. Und Mostapfelaromatik ist auch nicht jedermanns Ding. So bleiben 88 Punkte von mir, die Runde vergibt recht einheitlich 88 bis 89 Punkte.


2 Georg Breuer Rüdesheimer Berg Rottland, 2002

Welch Wohltat nach diesem oxydativen Geschoss – der Rottland riecht nach straffem Riesling. Zitruszesten, grüner Apfel, kalter Rauch und ein perfekt eingebundener unaufdringlicher Reifeton. Im Mund ein komplexes Fruchtsäurespiel, Apfel, Zitrustöne, viel kühle Mineralik, etwas Tabak. Spannend finde ich die salzige Pikanz, die die Frucht umspielt. Aber die Runde kann meine Begeisterung nicht so gänzlich teilen. Auch der Hinweis auf die vorhandene Länge dieses Weines, begleitet von seiner eleganten Art, kann hier nicht für Überzeugung sorgen. „Hinten zu säurestark“, „Alterstöne“, „zu schlank im Finale“ – die vergebene Punkterange spiegelt diese leicht ignorante Haltung wieder. Überzeugte 92 Punkte von mir, 88-90 von der Runde.


3 Domaine Schoffit Clos Saint-Theobald Grand Cru Rangen Alsace, 2002

Und nochmal ein ganz anderer Stil Riesling. Holunderblüte, merklich florale Töne, dazu deutliche Botrytisnoten, Honig. Ungemein süßlicher Antrunk, dem jede Säurespannung fehlt, rosinig, ergänzt von einer pfeffrig-flintigen Mineralität. Sehr üppiger Stil, dem Wein steht die Botrytis nicht (mehr) sonderlich gut zu Gesicht. Deutlich schöner hingegen die gelbe Pflaume und die merklichen Tabaknoten, flankiert von einer kraftvollen Mineralik, die sich hinter den Honigtönen durcharbeiten. Wärmend vom Alkohol zum Gaumen hin, der Wein schafft es aber noch in die Balance. Deutlich mittellang. Ein in der Summe anstrengender Wein, der einige schöne Facetten hat, aber bald getrunken werden will. 86 Punkte von mir, uneinheitliche 86 bis 91 Punkte von der Runde.


4 Bürlin-Wolf Forster Pechstein GC, 2007

Dieser Wein erschloss sich eigentlich erst nach dem Aufdecken. Gänzlich zur Unzeit geöffnet und viel zu jung präsentierte der Wein blind eine völlig verschlossene Nase mit Spontitönen, floralen Anklängen und einen brotig-kreidige Steinfruchtnote. Verwaschene, aber mittelhaardttypische Aromatik. Im Mund eine unentwickelte Zitrusfrucht, mit knackiger Säure, gänzlich straight und schlank, Ananas, etwas Salz. Bricht am Gaumen recht schnell ab, bleibt auch nur recht kurz mit mineralischer Schärfe stehen. Erleichterung beim Aufdecken – kein Wunder, dass der Wein nicht mit uns reden wollte – und von mir eine vorsichtige Wette auf 90 Punkte beim Kraftakt 12… heute recht einhellige 84-86 Punkte von der Runde.


5 Dr. Wehrheim Kastanienbusch Köppel 2007

Eine sehr fruchtbetonte Nase findet sich in Wein 5, eine Fülle von gelben Früchten, insbesondere Pfirsich und Maracuja. Der Wein wirkt noch sehr jugendlich. Die Runde tauscht erstaunte Blicke aus nach dem ersten Probierschluck: „intensiv-extrem“ heisst es am Tisch. Voller Körper, eine merkliche Fruchtsüße, viel Pikanz entwickelnd, dazu eine kraftvolle Mineralität. Tabackig. Die vernehmliche Kraft überlagert die durchaus erahnbare Komplexität dieses Weines – er verlangt noch einige Jahre Geduld. Macht derzeit, insbesondere ohne Essensbegleitung weniger Spass – mir jedenfalls (88+ Punkte). Andere in der Runde können hier schon mehr Trinkspass entwickeln. Sie punkten gleichmäßg verteilt 88+ bis 92 Punkte.


6 Koehler-Ruprecht Kallstadter Saumagen Auslese trocken R, 2001

Eine faszinierend vielfältige und von Komplexität geprägte Nase. Eine Mischung aus Johannisbeere, Zitrone und Eukalyptus. Elegant. Im Mund ungemein balanciert, die Frucht und die mineralischen Eindrücke perfekt verwoben. Gelbe Frucht, insbesondere Ananas, dazu Johannisbeere, heller Tabak, Stachelbeerblatt, Jod, hochmineralische Noten. Pikant verwoben, konturiert durch einen feinen Gerbstoff. Und immer wieder elegant. Langer, strukturierter und mineralisch feiner Nachhall. Die Runde ist durchweg begeistert und nominiert den Wein als erstes Highlight, was sich in 92-94 Punkten ausdrückt.


7 Bürklin-Wolf Forster Ungeheuer GC, 1997

Wieder eine komplexe Frucht, aber druckvoller und lauter als beim Vorgänger. Geprägt von Steinfrucht und Ananas. Kraftvoll, aber wunderschön verwoben. Kraftvoll auch der erste Eindruck im Mund, rotwangiger Apfel, Ananas. Ein Fels von braunem Mineral – der Wein wirkt fast unentschlossen, tänzelt die Frucht doch zwischen Mineralität und Säure hin und her. Kraftvoll verspielt, aber dabei durchweg harmonisch. Am Gaumen entwickelt der Wein eine leichte Herbe, die in ein langes, leicht salziges Finale übergeht. Um im letzten Eindruck noch etwas Aroma vom roten Apfel freizugeben. Keiner am Tisch schätzt das Alter dieses Weines zutreffend – folgerichtig, da Altersnoten nicht vernehmbar sind. Wieder 92 bis überwiegend 94 Punkte, gleichmäßig verteilt.


8 Domaine Albert Mann Schlossberg Grand Cru Alsace, 2007

Leider konnte das zuvor hohe Niveau nun nicht gehalten werden. Wein 8 hatte eine kalkig-zitronige Nase, Mandarinenschale, Weinbergspfirsich. Füllig, aber leider nicht so ausdrucksvoll wie Saumagen und Ungeheuer. Ruhiger Antrunk mit leicht cremigen Zitronennoten. Trotz dieser Cremigkeit mit fester Struktur, wird zum Gaumen immer strenger, zeigt kantiges Mineral. Leider merklich stumpfender Gerbstoff, der zudem noch etwas trocknend. Knapp langer, von feiner Cremigkeit und Mineralität getragener Nachhall. Gerade hier wird die Säure immer präsenter – und ist nicht mehr völlig eingebunden, weshalb der Verlauf des Weins dann auch noch säurespitz holprig wird. 87-88 Punkte, eine einzelne Stimme hält 91 Punkte für sachgerechter.


9  Meyer-Fonné Riquewihr Schoenenbourg Grand Cru Alsace, 2007

In der Nase Trockenblumen und Kräutertee, auch Fenchel wird benannt. Brotige Töne ergänzen diese sehr gelungene Nase. Im Mund eine verschwenderische Frucht, die aber nicht anstrengend oder aufdringlich wird, erinnernd an rote Äpfel, Brotkruste und Nüsse. Durchaus komplex und verspielt, ein feines Mineral präsentierend. Bietet ein feines, sehr präsentes Säurespiel. Zieht die Frucht gänzlich ins lange Finale mit. Ein wirklich sehr schöner Wein, mir 91 Punkte wert ist, die Runde ist nicht minder überzeugt und vergibt 91 bis 93 Punkte.


10 Emrich-Schönleber Monzinger Halenberg GG, 2006

Zitrus und leicht tropische Noten in der Nase, reife Mandarinen, die Nase lädt ziemlich aus. Und zwar auf ernsthafte Art und Weise, da die Eindrücke zunehmend mineralischer werden. Cremige Mandarine im Mund, auch ein Hauch Bitterschokolade. Ein filigranes Süßsäurespiel. Kräuter und erste Reifetöne – alle Komponenten schön und auf der eleganten Seite verwoben. Konzerntriert bis zum Finale, hier wird der Wein dann leider etwas ruhiger, er endet deutlich mittellang. Einmütige 91-92 Punkte am Tisch für soviel Harmonie.


11 Weingut Prager Wachstum Bodenstein Smaragd Wachau Österreich, 2003

Eine ruhige, gelbfruchtige Nase mit Zitruszesten und einem leichten Pfefferl. Recht tief. Im Antrunk eine süßliche Gelbfrucht, dann kippt der Wein auf eine dunkelmineralisch salzige Schiene. Leider kommt die Säure hier nicht nach, sie bleibt jahrgangstypisch weich. Und auch in Sache Reife macht der Wein seinem Jahrgang alle (zweifelhafte) Ehre: der Alkohol ist merklich (zu) kräftig und nimmt dem Wein die Leichtigkeit. Ein „ein-Glas-Riesling“ – die Menge reicht den Teilnehmern am Tisch bereits zum weiteren Abwinken. Dennoch 89-90 Punkte für das erste Glas.


12 Weingut Bründlmayer Zöbinger Heiligenstein Alte Reben Kamptal Österreich, 2006

Stilistisch kraftvoll ging es weiter. Eine laute, leicht florale Nase, etwas rosenartige Bukettsorten-Note, Maracuja und Tabak, Gelbwurz wird auch genannt. Es kachelt kräftig durchs Glas, seinen Alkohol kann der Wein aus diesem hochreifen Jahr nicht verhehlen. Mit etwas Altersmilde kann man über den leichten nasalen Alkohol hinwegsehen. Nicht hingegen über die merkliche Botrytis, die in dieser Nase leicht störend mitschwingt. Im Mund kräutrig, etwas Honig unf gelbe Frucht. Dabei sehr konzentriert – leider dann aber auch sein Alkohol. Ein Wein für kalte Tage, er wärmt wie ein Öfchen. Richtig schlimm wird es aber nicht, denn die Aufmerksamkeit des Trinkers wird schnell auf eine leicht salzige und dreckig dunkle Mineralik gezogen. Ein in seiner Art stimmiger, aber etwas zu gewaltiger Wein. Abzüge vorallem für den Alkohol, von der Runde deshalb „nur“ 91 – 93 Punkte.

Damit war das Hauptprogramm erledigt und die Zeit gekommen, den Probanden unter die verdeckende Hülle zu schauen. Das Siegerpodest bleib danach fest in Pfälzer Hand – Ungeheuer und Saumagen dabei auf absoluter Augenhöhe.

Was sonst noch war? Natürlich wäre der Kraftakt kein Kraftakt, hätte es auf halber Strecke nicht noch ein paar Rotweine zum Essen gegeben – ein rustikal-kerniger Chasse Spleen 1986 (86/87 Punkte), ein charmanter reifer Sociando Mallet 1985 (89 Punkte), Librandis kirschig-würziger Gravello 2000 mit kantigem Tannin (86 Punkte) und ein feinduftig rotfruchtiger 2006er Irancy von Colinot (87 Punkte) mit frischer Säure, der zum Wildeintopf mit Gartengemüse eine schöne Verbindung einging.

Und auch die weissen Süßweine durften zum Schluss noch glänzen bzw. anstrengen. In schönerer Erinnerung blieb dabei Dönnhofs Auslese aus dem Norheimer Dellchen 2006, die mit cremiger Zitrusnase und einer feinen Pfirsichfrucht und balancierter Botrytis zu überzeugen wusste (89 Punkte). Schwerfällig üppig-kraftvoll Krachers 2002er Welschriesling TBA Unter den Seen Nr. 8 und eher alkoholisch-derb Philippis Beerenauslese Elysium 1993, die vielleicht bei Sauternes-Freunden mehr Gefallen finden könnte, mir aber keine nennenswerte Bewertung aus der Feder locken konnte.


Und so werden wir wieder zusammenkommen, auf ein Neues beim Kraftakt V 2012 – und natürlich, liebe Mitleser, der wird dann alles sein, nur nicht: downsized…

(Guido)

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