Kraftakt Spätburgunder 5: Pinot Noir aus Frankreich, Deutschland und der neuen Welt
Im Januar 2014 trafen sich die üblichen Verdächtigen im Gelpetal in Wuppertal bei Heiko, um ihre Nasen in Pinot Noirs aus allen möglichen Ländern zu stecken. Die fünfte Ausgabe des Kraftaktes für Spätburgunder stand an, und jeder brachte mal wieder zwei hochwertige Weine an den Start. Unser Master of Wine war in diesem Jahr Michael, der streng über die Güte der Vorschläge wachte.
Um es vorweg zu nehmen, die Franzosen verwiesen erneut die Konkurrenz auf die Plätze, nur das Weingut Koehler-Rupprecht mit seinem ausgezeichneten 2002 Philippi „RR“ schob sich zwischen all die Weine aus dem Burgund, die aufgrund ihrer einmaligen Ausgewogenheit und Feinheit den anderen keine Chance ließen. Für mich wurde dabei auch mal wieder deutlich, dass hochwertiger Pinot Noir Zeit benötigt, um sich zu entwickeln, bis er seine ganze Feinheit und Finesse entfalten kann. Leider bieten unsere Keller noch zu wenige wirklich gereifte Weine, aber umso mehr freue ich mich auf die kommenden Kraftakte, denn jedes Jahr der Reife wird helfen. Herzlichen Dank an Heiko für die erneute Gastfreundschaft und das schmackhafte Essen. Wir kommen wieder!
Der beste Start für eine Rotweinprobe ist natürlich ein anständiger Riesling, der dieses Jahr von der Nahe kam.
Emrich-Schönleber Monzinger Halenberg Riesling halbtrocken Nahe Deutschland, 2002
Ich sage es immer wieder, die Kategorie „Halbtrocken“ ist zu unrecht stigmatisiert. Zum Glück erlebt sie heute unter dem Begriff „R“ im bescheidenden Rahmen eine gewisse Renaissance. Schönleber pflegt diese Klasse seit vielen Jahren und mich begeistern diese Weine immer wieder, insbesondere zum Essen und wenn sie mindestens fünf Jahre gereift sind. Der 2002er Halenberg macht da keine Ausnahme, roch er anfänglich nach Fahrradschlauch, übernahmen danach klare tropische Noten, Schiefer und ersten Reifenoten. Am Gaumen mit herrlich saftigem Auftakt; die Fülle wird von einer knackigen Säure perfekt gepudert; üppiger Ansatz, auch heute noch ein wenig Babyspeck; gelbfleischige Früchte, kandierte Zitronen, gelber Apfel und Mango; sehr harmonisch, würde mir heute aber zum Essen noch mehr Spaß machen; souveräner Verlauf, mittlere Komplexität, gute Länge. Noch zwei Jahre liegen lassen.
91+/100, 2015 bis 2020
Comte de Vogüe Chambolle-Musigny Burgund Frankreich, 2004
Der 0er-Wein hätte locker im Hauptfeld spielen können und zwar nicht nur wegen seines großen Namens – aber für einen Vogüe hätte ich mir noch etwas mehr erwartet, trotz des kleinen Jahrgangs 2004. In der Nase sofort als Burgunder zu erkennen; er duftet nach roten Beeren, vornehmlich rote Johannisbeeren, Abrieb von Zitrusfrüchten, leicht staubiger Ansatz, Sojanoten, leider nur mittlere Tiefe. Am Gaumen von schlankem Körper, im Ansatz eine saubere Frucht (rote Johannisbeeren, Wacholder), die über den gesamten Verlauf von einer herben Röstigkeit vom Fassausbau überlagert wurde, meines Erachtens hätte man in diesem leichten Jahr noch stärker den Holzeinsatz zurückgefahren; die Säure tritt bereits recht rustikal und rassig auf und bedrängt die Frucht im weiteren Verlauf immer stärker; in der Frucht schön eingebundene herbe getrocknete Kräuter, mittlerer Nachhall mit feiner Frucht. Danke an Steffen für die überaus großzügige Spende.
88/100, jetzt trinken
Talley Vineyards Pinot Noir Rosemary´s Vineyard Kalifornien USA, 2010
Irgendwie blieb mir der Wein beim Verkosten ein Rätsel, denn obwohl es irgendwie merklich ein Pinot Noir war, blieb er mir fremd und als erstes notierte ich ein + für viel zu jung, was sich nach dem Aufdecken auch bestätigte. Der Duft eine Mischung aus Mokka, weißer Pfeffer, Herzkirschen, roten Johannisbeeren, florale Anklänge und Schokolade. Am Gaumen kam die erste Ahnung nach neuer Welt auf, derart seidig fühlte er sich auf dem Gaumen an, dabei drückte die Konzentration schon ganz ordentlich, die Frucht erinnert an Orangenschalen, dunkle Steinfrüchte, Schokolade; sehr würzig, raumfüllend, süß, milde Zigarren, ungestüm jugendlich; der Alkohol wärmt, noch wenig entspannt, es fehlt mir die Trinkigkeit eines Pinots, aber das mag sich noch finden, heute nur mittlerer, wenig aufregender Nachhall. Trotzdem allemal sehr gut.
87+/100, ab 2020
Christian Hermann Pinot Noir -H- Graubünden Schweiz, 2009
Der nächste Wein erneut so ein jugendliches Zeugs – hallo, Jungs, Kraftakt heißt Best Bottle-Party und nicht Potenzial-Probe. Entsprechend roch es nach Sahnekirschen, Kaffee und Mokka vom Fassausbau. Im Mund kräftig, röstiger Antrunk mit viel sauberer, fleischiger Frucht, vor allem Herzkirsche und Pflaume, erstaunlich animierende Säure, fast tänzelnd, leider trampelt dann das Holz derart jugendlich ungestümt auf meinen Gaumen rum, dass ich es sofort auf die Ersatzbank versetzten möchte. Im Ernst, der Wein hat Klasse, wirkt wohl komponiert und dürfte ein ausgezeichnete Niveau erreichen, wenn er sein Trinkfenster erreicht hat – in 10 Jahren vielleicht. Heute aber deutlich darunter.
86+/100, ab 2020
Donaldson Family Pegasus Bay Pinot Noir Waipara Valley Neuseeland, 2005
Und der nächste Jungwein, aber zum Glück zumindest eine neig gereifter. Dieses Mal aus Neuseeland (Waipara). Für das Bukett notiere ich Trockenkräuter, Thymian, eingelegte Pflaumen, weißer Pfeffer, der Alkohol reizt die Schleimhäute. Am Gaumen druckvoll, der saftige Frucht im Auftakt, leichte Überreife, dunkle Steinfrüchte, Lorbeer, röstige Aromen vom Fassausbau, eindeutig moderne Stilistik, wirkt schlichtweg überextrahiert, bittere Noten im Abgang. Sicherlich ein ambitioniert erzeugter Wein, der sich heute aber nicht sehr ausgewogen präsentiert.
83/100, ab 2019
Weingut Huber Bombacher Sommerhalde R Baden Deutschland, 2007
Würziges Bukett, Lorbeerblätter, Piment, Sauerkirsche und rote Johannisbeeren, der Alkohol reizt leicht die Schleimhäute, trotzdem ein angenehmer Duft. Am Gaumen überraschend kräftig im Körper, nun eher dunkle, zur Überreife neigende Früchte, das Holz noch jugendlich unwirsch von dunkler Rüstigkeit. Auch dieser Wein ist einfach noch nicht fertig. Viel Lakritz und eine salzige Mineralität bringen eine eigene Komponente in den Wein. Die Säure ist fein, mit viel Spiel; guter Verlauf, noch etwas von der Jugend geprägt, könnte in fünf Jahren durchaus ein ausgezeichnetes Vergnügen bereiten.
88+/100, ab 2019
Weingut Christmann IDIG Spätburgunder GG Pfalz Deutschland, 2007
Duftet nach Rauch, Schinkenspeck, überreife Früchte, vor allem Erdbeeren, ein wenig Lösungsmittel, der Alkohol juckt. Am Gaumen von mittlerem Körper, hoch überreife, ins kompottige gehende Frucht, erneut Erdbeeren, die sich erfreulich jugendlich präsentieren. Rassiges Säurespiel, leicht schärfende Pfeffernote vom Fassausbau, wirkt insgesamt gut ausbalanciert, die Tannine gut eingebunden und rund, eigentlich sehr gut gemacht. Leider zeigt sich hinten eine recht deutlich alkoholische Note. Entwicklung bleibt abzuwarten.
86-87+/100, ab 2018
Domaine Bouchard Volnay Caillerets Burgund Frankreich, 2005
Ahh, Burgund! Glockenklare rotbeerige Nase mit Noten von Sauerkirschen, roten Johannisbeeren, die noch wenig integrierte dunkle Herrenschokolade deutet die Jugendlichkeit des Weins an; tänzelnd, wenngleich nicht sonderlich komplex. Am Gaumen satt, klar und saftig, fleischige Kirschfrucht, Zitrusabrieb, Kakaopulver vom Fassausbau, die Säure angemessen, aber noch wenig integriert wirkend, die Tannine haben noch jugendlichen Biss, aber sind reif. Der Wein benötigt noch einige Jahre, um sich zu harmonisieren, aber die ausgezeichnete Qualität ist bereits heute mit Freude zu genießen; ein sehr langer, nuancierter Nachhall mit feinen Fruchtaromen.
91+/100, ab 2020
Domaine Robert Chevillon Nuits-Saint-Georges Les Vaucrains Burgund Frankreich, 2002
Klarer, leicht süßlicher Duft nach Waldbeeren, vor allem Brombeeren, aber auch ein Hauch rote Johannisbeeren, dahinter Himbeergelee und Milchschokolade. Auch dieser Wein kann seine Jugend nicht verleugnen, lässt aber bereits einen schönen Blick auf seine kommende Tiefe zu. Mittlere Körper am Gaumen, samtig – saftiges Mundgefühl, viel Süße und Schmelz, Himbeeren, Walderdbeeren notiere ich mir. Die Säure integriert mit vitalem Spiel, Zitrusabrieb und Holzkohle im weiteren Verlauf. Auch dieser Wein ist noch einen Tick zu jung und so fehlt es ihm an der letzten Gelassenheit und Harmonie, um für mich ausgezeichnet zu sein, viele werten jedoch deutlich höher, langer Nachhall.
89+/100, ab 2019
Koehler-Ruprecht Philippi Spätburgunder RR Pfalz Deutschland, 2002
Eine grandiose Nase bietet der Wein von Bernd Philippi, er riecht nach Sesam, ätherischen Noten, Minzpaste, Leder, Schinken und einer klaren, rotbeerigen Frucht, komplex, ein echtes Wow. Am Gaumen von mittlerem Körper, saftiger Antrunk, wirkt sehr verspielt, die Aromen des Buketts tauchen auch hier auf, die Frucht dunkel, mit leichtem Hang zur Reife, bereits perfekt ausgereift, endlich ein Wein, der seine Trinkreife erreicht hat. Eine, animierende Säure, die Tiefe nimmt nach hinten hin leicht ab, aber die klare rotbeerige Frucht, vor allem Hagebutte, bleibt lange stehen. Ein toller Wein.
93/100, jetzt bis 2019
Domaine Bachelet Cote de Nuit Village Burgund Frankreich, 2005 (Essenswein)
Selbst der einfach Village ist heute einfach noch viel zu jung. Bereits die Nase ist noch sehr verschlossen, mit jugendlichen rotbeerigen Früchten, Kräuteranklänge, blitzsauber, jedoch kaum Tiefe. Am Gaumen ähnlich verschlossen, auch hier herrlich sauberer Fruchteindruck, aber komplett zu, noch kantiger Holzansatz, die Tannine viel Grip, mineralischer Biss, überwiegend Kalkstein, bricht hinten ab, noch mindestens drei Jahre liegen lassen, könnte sich noch durchaus verbessern.
86+/100, ab 2017
Domaine Cachat-Ochuidant et Fils Corton Clos des Vergennes Grand Cru Burgund Frankreich, 1998
Viel Schwarzbrot und leicht staubige Frucht in der Nase, im Hintergrund Kakao, Zitrusabrieb und Pfeffer. Am Gaumen erstaunlich fein, von mittlerem Körper, eine klare Himbeerfrucht im Auftakt, erst danach kommt ein rustikale Kräuterwürze auf, Pfeffer, Rauch und Kaffeenoten vom Fassausbau, die Tannine sind noch recht griffig, mittlere Tiefe, noch jugendlich wirkend, gute Länge.
90/100, jetzt bis 2020
Koehler-Rupprecht Philippi Pinot Noir „RR“ PMG Fass Nr. 02/61 Pfalz Burgund, 1999
Ein animierender Duft nach roten Johannisbeeren und Hagebutten, getrockneten Kräutern, Olivenpaste, Teer, ein leicht schärfender Pfeffereinschlag. Fast kräftiger Körper, im Auftakt ein saftiges Duett aus schwarzbeeriger Frucht und viel Holzwürze, dunkle Schokolade, Espresso, Leder, Brombeeren, alles von viel Würze ummantelt sehr eigensinnig; im weiteren Verlauf wird er ein wenig streng, was es ihm etwas an Charme nimmt; der Alkohol macht sich ganz zart bemerkbar, trotzdem eine bemerkenswerte Länge.
90/100, jetzt bis 2018
Domaine Ponsot Chambolle-Musigny Les Charmes Burgund Frankreich, 1997
Eine hochfeine Nase bietet der Ponsot, er duftet nach Wacholder, roten Früchten, die eine Wolke aus Kräutern und Fassaromen umgibt; alles tänzelt und fliegt umher. Am Gaumen von höchster Feinheit, komplexes Spiel aus roten und schwarzen Waldbeeren, nur die Essenz von Früchten, ohne jede Süße, der Wein wirkt nahezu schwerelos. Die Tannine sitzen perfekt, geben Kontur, ohne jede Grobheit. Die Säure ist vielleicht ein wenig unaufgeregt, aber sie tut bestens eingebunden ihre Pflicht. Bemerkenswert ist das sich ständig wandelnde Aromenspiel, immer wieder tauchen andere Kräuter oder Früchte auf, der Wein liegt lange am Gaumen. Ein Wein, den ich ganz alleine am Abend genießen möchte. Endlich mal wieder ein fast großer Ponsot, der die hohen Preise der Domaine rechtfertigt. Mein Wein des Abends.
94/100, jetzt bis 2022
Ahr Winzer eG Bachemer Karlskopf Spätburgunder Auslese trocken „im Barrique gereift“ Ahr Deutschland, 1997
Anfänglich eine unangenehme Nase nach Chlor und Gummi, diese verfliegt aber zunehmend und macht Platz für eine tiefe, satte Beerenfrucht, vor allem Himbeeren und rote Johannisbeeren; erste Reifenoten, Brühwürfel, Küchenkräuter, deutet Tiefe an. Am Gaumen erstaunlich schlank, auch hier etwas Gummi, die Frucht wirkt klar und frisch, ohne jede Überreife, vielleicht leicht staubig, wirkt trotzdem sehr animierend, viel Kräuterwürze, asiatischer Touch, Kurkuma, Ingwerschärfe, kühle Mineralität, die Frucht liegt über den gesamten Verlauf satt auf dem Gaumen, jetzt hochreif und daher sehr entspannt wirkend, im Nachhall kommen erste Champignon- und Brüharomen auf, trotzdem noch ein ausgezeichneter Wein. Großes Erstaunen nach dem Aufdecken.
90/100, jetzt trinken
Domaine Esmonin Gevrey-Chambertin Clos Saint-Jacques Burgund Frankreich, 1993
Mineralisch, noch jugendliche Nase, klare Sauerkirschen, komplexe Kräuter, ein Hauch Röstaromen, insgesamt sehr animierend und klar wirkend, sofort als Burgunder zu erkennen. Am Gaumen fein, mit klar fruchtigem Auftakt, viel Zitrus und Orangen, roten und weißen Johannisbeeren und einer saftigen Kirschfrucht. Die Säure durchzieht den Wein und bringt jugendliche Frische in den gesamten Verlauf; ätherische Noten, das Tannin sitzt einfach perfekt, es ist kaum zu glauben, dass der Wein bereits 20 Jahre gereift ist. Im weiteren Verlauf wird er immer subtiler mit einem feinen mineralischen Kick im Nachhall, sehr lang. Erneut ein toller Burgunder aus dem Jahr 1993.
93/100, jetzt 2020
Domaine Faiveley Clos de Vougeot Burgund Frankreich, 1993
Bestes Beispiel, dass es nicht so sehr auf die Lage ankommt, sondern auf den Winzer. Der Clos de Vougeot bleibt ein Minenfeld und man muss wiessen, dass Faiveley nicht die besten Parzellen in dieser Lage hat. So präsentierte sich der Wein. Sehr röstiges Bukett, Leder, verbrannter Kaffee, schwarze Waldbeeren, die leicht gedeckt wirken. Am Gaumen mittlerer Körper, dunkle Beerenfrucht im Antrunk, verbrannte Kaffeeröstung, grobes Leder, wenig Charme, kräftige, fast resche Säure, die Tannine trocknend, bittere Anklänge im mittleren Nachhall, nach dem Aufdecken eine einzige Enttäuschung.
84/100, jetzt trinken
Jules Belin Vosne-Romanée Les Suchots Burgund Frankreich, 1966
Herrlich geöffnetes Bukett mit Fleischbrühe, Olivenpaste, Pata Negra, geöffnete Beerenfrucht, reife Hagebutte, erstaunliche Tiefe. Am Gaumen saftig, weich und charmant, mit viel roter Beerenfrucht und Würze, unglaublich entspannt und trinkanimierend, kugelrundes Tannin, subtile Kräuterwürze, weiche und reife Säure, gute Länge. Ein wunderbar gereifter Burgunder, der einfach süchtig macht.
91/100, jetzt bis 2020
Wie immer wurden die Weine blind verkostet. Das Line-up war bis auf bei den selbst eingestellten Weine unbekannt. Nach jedem Wein wurde aufgedeckt.