Riesling Große Gewächse 2010 – Eine Bestandsaufnahme nach zwei Jahren Flaschenreife
Nach gut zwei Jahren war es an der Zeit eine repräsentative Bandbreite von 2010er-Großen Gewächsen Riesling zu verkosten um die Entwicklung des Jahrganges zu überprüfen. In unserem Artikel zur Arrivage-Verkostung vor zwei Jahren (Hier lesen) sprachen wir dem Jahrgang durchaus eine gehobene Güte zu, womit wir eher die Ausnahme darstellten. Uns gefiel der feste Kern der Rieslinge und die straffe Säure, zumindest in jenen Weinen, die nicht zuviel an Apfelsäure enthielten. Entscheidend war auch möglichst sauberes Lesegut zu verarbeiten, was bei der stark ausbreitenden Fäulnis im Herbst 2010 nicht einfach war.
Als Fazit nach den beiden Verkostungsabende lässt sich festhalten, dass viele Weine heute die weiterhin strafe Säure ausgezeichnet integrieren. Die Gewächse wirken fest, klar in der Fruchtaromatik und machen Hoffnung auf eine weitere positive Entwicklung. Wenig erstaulich zeigten sich in dieser frühen Phase der Entwicklung die formal „kleineren“ Gewächse weiter in ihrer Entwicklung und konnten so gelegentlich den eigentlichen Stars den Rang ablaufen; sie waren einfach bereits harmonischer und zeigten mehr Tiefe und Spiel. Die Kunst einen Wein zur rechten Zeit zu öffnen, darf nicht unterschätzt werden. Es liegt also nicht nur in der Verantwortung des Winzers, sondern auch an der Kenntnis über die Reifeentwicklung großer Rieslinge beim geneigten Weinfreund. So waren wir heute sehr angetan von Wittmanns Aulerde oder von Mosbachers Kieselberg, ohne dass wir ihnen noch eine Verbesserung zutrauen. Die Weine erreichten teilweise aber ein derart unverschämtes Niveau, dass wir nur raten können sie gerade jetzt zu genießen, vermutlich werden sie kaum besser werden; aber es hängt natürlich auch vom eigenen Geschmack ab. In einigen Jahren wird sich das Bild vermutlich ändern. Besonders stark schätzen wir die Kollektionen von Keller, Schönleber und Bürklin-Wolf ein, die in 2010 erneut überaus ansprechende Große Gewächse abfüllten, die sich in unserer Blindverkostung wiederholt durchsetzten.
In Hektik muss man mit dem 2010er-Jahrgang aus unserer Sicht nicht fallen. Die meisten GGs scheinen uns für eine längere Entwicklung bestens vorbereitet, manche werden erst in 10 Jahren vollständig geöffnet haben. Selbst nach mehreren Tagen der Belüftung wollten einzelne Gewächse noch keine Angaben machen – sie blieben infantil, verschlossen, aber mit viel Potential ausgestattet. Winzer, deren Weine aus Tradition viele Jahre Reife benötigen, haben wir bewusst nicht geöffnet, wie z.B. Breuer, Rebholz oder Querbach.
In der Breite macht es heute noch wenig Sinn, die 2010er zu öffnen, oder sie von der Karte im Restaurant zu bestellen; da nehme man die 2009er. Die hohe Säure konserviert die Weine und lässt sie nur langsam reifen, gerade die formal großen Weine zeigen zwar ihr Potential deutlich an, sind jedoch inmitten ihres Winterschlafes und noch mind. zwei Jahre von ihrer ersten Genussphase entfernt. Gedulden sie sich noch ein wenig, der Wein wird es ihnen danken.
Allgemein bleiben wir bei all den Schwierigkeiten derzeit bei unserer ursprünglichen Einschätzung; 2010 wird vermutlich als das hochwertigere Jahr für trockene GGs im Vergleich zu 2009 in die Geschichte eingehen und zählt somit zu den überdurchschnittlichen Jahren des ersten Jahrzehnts.
Die Verkostung der Weine erfolgte für die Teilnehmer blind, wobei KA teilweise die Weine kannte. Die Flaschen wurden am Vorabend für ca. 30 Minuten einfach oder doppelt dekantiert und am Verkostungstag nochmals mindestens 30 Minuten vorab in eine Karaffe gefüllt. Die folgende Reihe an Weinen wurde nachträglich nach Gütern und Anbaugebiet geordnet. In der Verkostung kam die Weine in anderer, zufälliger Reihenfolge ins Glas.
Mosel
Indifferente Süße, Zitrus, geht in Richtung Putzmittel. Am Gaumen von mittlerem Körper, fast leichtfüssig, mit angenehmen Restzucker, feine Süße, etwas Gerbstoff, hat was bewegliches, klare Steinfrucht, die Mineralik erinnert an Schiefer, die Säure kraftvoll, aber fein, wirkt beweglich, so schön Süße und Säure sind, so wenig spielen sie heute miteinander, vielversprechendes Finish, er wirkt heute nicht fertig, dürfte sich jedoch entwickeln.
88-91+
Loch (Weingut Herrenberg) Wiltinger Schlangenberg Alte Reben
Ganz leichte Anklänge an Spülmittel, Kalkstein, sehr verschlossen, granithartes mineralisches Fundament. Sehr klarer Antrunk, deutlicher Apfelgeschmack, wahrnehmbare Restsüße, die pikante Säure wird von der Süße gepuffert, noch ein gänzlich unfertiger Wein, mit einer schönen Länge, heute schwer zu bewerten, hinten sehr unruhig. Die Anlage lassen uns hoffen.
88-92+
Markus Molitor Zeltinger Sonnenuhr Auslese trocken **
Leichte rote Beerenfrucht, eine Ahnung von steiniger Mineralität, Kräuter, cremig, kalte Cola, Hefearomen, Spontitouch, komplett verschlossen, alle Anlagen vorhanden. Am Gaumen herrlich reintönig, kristaline Struktur, hat eine innere Spannung, großer mineralischer Biss und strafe Säure ohne sauer zu wirken, unterschiedliche Eindrücke am Tisch, aber alle sind begeistert. Ein insgesamt noch sehr junger, verschlossener Riesling, der sich aber bereits heute für Freund mineralischer Weine mit viel Freude trinken lässt, langer salzig-mineralischer Nachhall.
93+
Rheingau
Kräutertee, sehr würzige, herb, Botrytisanklänge, Wachs. Mittlerer Körper, saftig, leicht süßlicher Auftakt, erinnert an sehr junge noch unreife Aprikose, bereits im Antrunk übernimmt die resche Säure das Kommando und peitscht auf den Gaumen, Apfelbutzen, mineralische Ahnung, Feuerstein, die (Apfel?)-Säure löscht den Wein fast aus, mittlere Länge. In diesem Zustand kaum zu trinken und aufgrund fehlender Säure heute nicht einmal ein sehr guter Wein.
87? KA, 84? GM
Peter-Jakob Kühn Mittelheim St. Nikolaus
Harmonische Nase, kräutrige Ausrichtung, Grapefruit, Zitruszesten, wirkt eigentümlich, aber sehr klar. Mittlerer Körper, klare Steinfrucht, erneut eine resche Säure, die aber jetzt deutlich feinsinniger und reifer wirkt, ist aber an der Grenze, wird im Übrigen am Tisch kontrovers diskutiert, einige sprechen von Bitternoten im Abgang, die Früchte sind ummantelt von Käuterteearomen, sehr fest und lang. Auch hier konnten wir uns nicht auf eine gemeinsame Wertung einigen. KA vertraut auf Lage und Winzer, GM moniert (zu Recht) das aktuell fehlende GG-Niveau.
89-91+, 86-87 GM
Weingüter Wegeler Geisenheim Rothenberg 2010
Leider Kork
Nahe
Schäfer-Fröhlich Monzinger Halenberg
Feuerstein, gedeckte Nase, ein Hauch rote Beeren, pure Mineralik ohne besondere Ausprägung, vom Sponti zugedeckt, nicht unangenehm. Mittlerer Körper, enorm straff, sehr dicht, aber fokussiert, toller Säurebogen, klar, rein, etwas unnahbar, große Struktur, vermeidet jegliche Form von Schwülstigkeit, einer der fokussiertesten Weine des Abends, herrlich klare, Steinfrucht, über den gesamten Verlauf sehr klar in seiner Ausrichtung, unruhiges, mittellanges Finish. Wir attestieren ihm eine möglicherweise große Zukunft.
91 – 93+
Schäfer-Fröhlich Bockenau Felseneck
Deutliche Spontinote, primär mineralisch betonte Nase, etwas Handcreme, wirkt insgesamt verschlossen, feiner Blütenton, die scheue Frucht wirkt maskiert, feuchter Tonboden, Anflug von Aprikose. Mittlerer Körper, sehr frische, klare Frucht in Antrunk, weißer Pfirsich, jahrgangstypisch rassige Säure, vielversprechend gute Anlagen, hat Biss, wirkt positiv stoffig, zeigt Ansätze von Volumen, mittlerer Nachhall mit leichter Süße, bringt alles mit, ist aber noch gänzlich verschlossen. Uneinheitliche Meinungen am Tisch, insgesamt leicht unter unseren Erwartungen. Weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.
89-92+
Emrich-Schönleber Monzingen Frühlingsplätzchen
Kork
Emrich-Schönleber Monzingen Halenberg
Feuerstein, Zündholz, Spontinoten, sehr würzig, komplett fruchtfrei, vollkommen jugendliche Steinfrucht, Gletschereis, hoch feinsinnige und komplexe Nase. Am Gaumen von betont mittlerem Körper, herrlich reintönig, im Antrunk bereits sehr kühl, wie ein Gebirgsbach, feinste Anlagen, ein grandioser Riesling von höchster Eleganz, die Säure ist da, aber gänzlich integriert und steht genau da wo sie soll, heute kaum Frucht wahrnehmbar, leicht Rauchnote, festes mineralisches Fundament, ein Monolith, sehr langer Nachhall von großer Feinheit. Erneut ein großer Halenberg von Schönleber.
93-95 +
Dönnhoff Norheim Dellchen
92-93
Dönnhoff Niederhausen Herrmannshöhle
89-90+
Rheinhessen
88-91
Wagner-Stempel Siefersheimer Heerkretz
93 (KA), 88 (GM) – Potential
Wittmann Westhofen Aulerde
94-96
Wittmann Westhofen Kirchspiel
94 – 95 +
Wittmann Westhofen Morstein
91 – 93+
Wittman Westhofen Brunnenhäuschen
92 +
Keller Nierstein Pettenthal, 2010
92-94+
Keller Dalsheimer Hubacker, 2010
Kalkstaub, Kakao, rotbeerige Frucht, Rauch, röstige Würzigkeit. Am Gaumen erstaunlich trocken, gewaltiger Zug am Gaumen, herrliche kandierte, hinreichend schmeichelnde Zitrusfrucht, sehr straff und klar über den gesamten Verlauf, die Säure ist keck, sitzt aber perfekt und zeigt herrliches Spiel und Zugkraft, schon heute wunderbar zu trinken, große Länge mit Zitrusschalen am Ende, sehr fein-salziges Finale, das herrlich mit der Säure spielt. Schon heute mit Freude zu trinken, dürfte aber noch drei weitere Jahre Flaschenreife danken.
93-94+
Keller Westhofen Kirchspiel, 2010
Rauch, erdwürzige Mineralität, klare Rieslingfrucht, Zitrusanklänge. Mittlerer Körper, sehr saftiger strahlender Antrunk, dominiert von einer glockenklaren Steinfrucht, die bereits ein wenig geöffnet wirkt, Schalen von rotwangigen Äpfeln, die Säure resch, am oberen Bereich, nur im Nachhall wirkt sie uns noch ein wenig unwirsch, insgesamt aber ein toller Wein, der alle Anlagen mitbringt. Es bleibt für uns der beste Kirchspiel den Keller bisher gemacht hat.
93-94 +
Keller Westhofen Morstein, 2010
Extrem verschlossene Nase, harter Kalkstein, ein Lüftchen Zitrus, sonst nichts. Am Gaumen enorm fest, man kaut Steine, festes steiniges Fundament, herrlich aufrauschendes Säurespiel, der Bogen schwingt über den Gaumen, Kakao, aristokratische Noblesse, mit deutliche salziger Mineralität. Aller Voraussicht ein großer Riesling, der noch mindestens fünf Jahre Flaschenreife benötigt.
94+
Pfalz
91+, 89+ GM
Mosbacher Deidesheim Kieselberg, 2010
93 – 95
Bassermann-Jordan Deidesheim Kalkofen, 2010
92
Bürklin-Wolf Forst Ungeheuer, 2010
91-92+
Bürklin-Wolf Forst Pechstein, 2010
Würzig-mineralische Nase, feine Basaltnoten, verwoben mit einer sehr feinen, klassischen Rieslingfrucht, vor allem Kernfrüchte. Am Gaumen fest von mittlerem Körper, grüner Apfel und Orangenschalen, zeigt Brillanz ja fast Noblesse, hartes mineralisches Fundament, dass heute noch kaum Zeichen setzen kann, viel Zug am Gaumen, die Säure reif, mit lebhaftem Spiel, ist sich bereits am Integrieren, sehr langer, aromenreicher Abgang. Der Wein benötigt noch fünf Jahre Flaschenreife, erst dann wird sich vermutlich das Terroir zeigen können.
92 – 94+
Von Winningen Forst Jesuitengarten, 2010
92+
Von Winningen Deidesheim Langenmorgen, 2010
Spontinote, süßliche Holzwürze, Zündholz, grüner Apfel, am Gaumen sehr fest, das Holz tickt im Antrunk etwas hoch, nimmt aber im weiteren Verlauf immer weiter ab und spielt gekonnt mit der Frucht, die an angereiften Äpfeln und Zitrusfrüchte erinnert, eine feine Restsüße spürbar, feste Struktur und Tiefe, enormer Druck am Gaumen, hinten kommt immer mehr Kalkstein und Wildkräuter auf, die sich beide erstaunlich gut aromatisch mit den Holznoten verbinden, leicht salziger Nachhall. Sehr eigenständig und schon heute mit Gewinn zu trinken.
93+
Wachau
90 – 93+
Elsass
92+