VDP Weinbörse 2015: Rheingau und Nahe

VDP Weinbörse 2015: Rheingau und Nahe

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Im ersten Teil unseres Berichts von der VDP Weinbörse verkostete Rainer den Jahrgang 2014 in → Rheinhessen und an der Mosel. Im zweiten Teil geht es nun mit Guido in den Rheingau und an die Nahe. Ausgerechnet im klassischsten aller Riesling-Gebiete, dem Rheingau, hat das Wetter 2014 erneut ordentlich zugeschlagen. Trotzdem, die Winzer haben vieles gutgemacht, einige Weine haben uns sehr gut gefallen. Überquert man den Rhein, ist wieder alles anders – an der Nahe sind die Weine (wie fast jedes Jahr) blitzsauber, fein, crisp, mineralisch, als gäbe es hier nichts anderes als immer nur das beste Wetter.

Rheingau

„Ein schwieriges Jahr voller Herausforderungen“ – so war der kurzgefasste Tenor ziemlich unisono bei den Winzern an den Probierständen zu hören. Und wenn diese einem eine solch klare Einschätzung – teilweise sogar unaufgefordert – mit auf den Weg geben, noch während man die ersten Weine probiert, mag man erahnen, wie es um diesen Jahrgang 2014 im Rheingau bestellt war. Berichte von „nachhaltigem Erntestress“ bei den Winzern, weil man plötzlich von der Feuchtigkeit überrannt, bestenfalls überrascht wurde, habe ich an vielen Ständen hören dürfen: „Ja, woher sollten wir auch so kurzfristig noch die notwendigen Erntehelfer herbeiholen?“

Dass es dennoch gelang, ordentliche Weine ins Glas zu bringen, zeigt, dass die Winzer ihr Handwerk durchaus verstehen, auch in einem solchen – für das Rheingau kritischen – Jahr. Davon will ich hier berichten. Der Schwerpunkt lag hierbei auf den trockenen Rieslingen des aktuellen Jahrgangs 2014, die Auswahl der besuchten Stände war intuitiv, alles zu verkosten war an einem Tag schlicht nicht zu schaffen. Dass daher einzelne Winzer hier unbenannt bleiben, soll im Umkehrschluss also keinen Hinweis auf deren Weinqualität bieten.

Weingut Johannishof

Die drei gezeigten Weine können durchweg überzeugen. Der Riesling Mineral ist in diesem Jahr straffer und noch eine Spur kräuteriger als in den Vorjahren und überzeugt mit seiner Rasse, dürfte dennoch eher jung zu trinken sein. Der Riesling Johannisberger Auf der Höll und auch der Riesling Rüdesheimer Rammstein (beide als Fassprobe ausgeschenkt) überzeugen jeweils mit würziger Aromatik und guten Anlagen. Beide Weine präsentieren sich ohne jede Fäulnis, der Rammstein besticht besonders durch seine mineralische Würze. Bei beiden Lagenweinen zeigt sich damit die engagierte Selektionsarbeit des Weinguts erfolgreich im Glas.

Weingut Jakob Jung

Bei Jakob Jung sind die beiden Erbacher Weine, die ich probieren konnte, als gelungen zu bezeichnen. Der Erbacher Riesling trocken ist ein klarer, straffer Ortswein, der mit feiner Struktur und ordentlichem Zug beim Trinken zu überzeugen weiß – er sollte eher jung getrunken werden. Mehr Fülle dann im Riesling Erbacher Steinmorgen, was vermutlich der Belegung mit einem Drittel im großen Holz geschuldet ist – schöne Textur, ein feines Süß-Säurespiel mit steinigem Fundament.

Weingut Graf von Kanitz

Die vier probierten Weine des Weinguts konnten mich in diesem Jahr nicht richtig überzeugen. Dem Lorcher Riesling mangelt es an Klarheit, er wirkt wie weichgespült, die Frucht erscheint fast etwas dumpf. Ähnlich auch der Lorcher Schiefer Riesling trocken. Ansprechender schon der Lorcher Riesling Quarzit, gelbfruchtig, auch mineralisch dichter gepackt im Antrunk, leider kann der Wein das aber nicht durchhalten und bleibt dann doch eher verhalten im Gesamtausdruck. Im Quartett die schönste Braut ist eindeutig der Lorcher Krone Riesling trocken „Alte Reben“ mit geschliffener Frucht und mineralischem Fundament bei ordentlicher Länge.

Weingut Peter Jakob Kühn

Zwei trockene Weine aus 2014 konnte ich probieren. Der Hallgartener Riesling Rheinschiefer zeigt bereits in der Nase seine winzerische Herkunft. Er duftet flintig nach Schießpulver und ist straff, pur und kompromisslos im Mund, noch etwas gerbstoffig, bereits heute mit guter Länge. Gelungen ist auch der Oestricher Riesling Quarzit. Ich mag die puristische Art in diesem Wein, die er sich auch im Jahr 2014 dankenswerterweise erhalten hat. Salzige Anklänge in der Zitrusfrucht, dazu eine animierende saftig-pikante Säure. Bereits jung zugänglich, vermeintlich zugänglicher als in den Vorjahren, das ist durchaus als Empfehlung zu verstehen!

Weingut Günter Künstler

Das Hochheimer Weingut Künstler ist in der guten Spur zurück. Was sich bereits in den letzten Jahren zunehmend anzeigte, hat man 2014 auch bei den Lagenweinen jenseits der Großen Gewächse als ersten Eindruck verfestigen können. Gelungen ist nicht nur der Hochheimer Kirchenstück Riesling Kabinett trocken mit einer klarfruchtigen Aromatik, vor allem Pfirsich, und crisper Säure, auch der Hochheimer Domdechaney Riesling trocken zeigt sich straff und pikant mit langem, klarfruchtigem Finish. Wer es etwas kraftvoller mag, darf sich getrost vom Hochheimer Hölle Riesling Kabinett trocken einschenken. Die Hölle in der Kabinettfassung ist auch im Jahr 2014 – so wie in ihrer Jugend üblich – noch mit einer leicht dropsig tropischen Gelbfrucht versehen, man darf sich aber nicht täuschen, die dunkle Mineralität der Hölle scheint bereits durch und wird mit Reife an Präsenz gewinnen und dem Wein mineralischen Schmelz verleihen. Da die Säure rassig ist und die Frucht sauber scheint, wird der Wein wohl gut reifen können.

Weingut Hans Lang – Inh. Urban Kaufmann

Fruchtig zeigt sich der Hattenheimer Riesling trocken bei Hans Lang – leider nimmt hier der leicht überstehende Restzucker etwas den Trinkfluss. Selbiger will sich auch beim Hattenheimer Schützenhaus Riesling trocken nicht so recht einstellen. Seine Frucht ist limonadig-spritzig, eher undefiniert verwaschen, kerniger Verlauf im Mund und fast schon herb im Nachhall. Schwierig, diesen beiden Weinen aktuell gerecht zu werden, aber es bleibt der deutliche Eindruck einer unsicheren Prognose zurück.

Weingut Prinz

Zwei gelungene Weine hat das Weingut Prinz dargeboten. Der Hallgartener Riesling trocken überzeugt mit einer sauberen Apfelfrucht, schön eingebundener Säure und einem leichten Rheingau-Zuckerl, der dem Wein durchaus Charme verleiht, wenn man ihn in der Jugend trinkt. Eine Empfehlung ist der Hallgartener Hendelberg Riesling trocken, der mit steinig-puristischer Art anmutet. Pikantes Frucht-Säurespiel, Apfelfrucht, zeigt gewisse Tiefe und Ernsthaftigkeit, die Säure pointiert, ein Wein, der sich in der Balance präsentiert.

Weingut Josef Spreitzer

Der Oestricher Doosberg Riesling Kabinett trocken schmeckt besser, als die nachfolgende Beschreibung es vermuten lässt – obwohl ich mir andererseits auch nicht sicher bin, wo seine Reise mit mehr Flaschenreife hingehen wird: leichte Spontiwürze in der Nase, dann säuerlich-würziger Antrunk, kernig und schlank, eine Spur Salz, wenig Primärfrucht, mittlere Dichte, aber irgendwie auch indifferent. Damit jedenfalls aromatisch klar abgegrenzt zum Oestricher Lenchen Riesling Kabinett trocken. Das Lenchen ist so, wie man es erwartet – ein Wein der Kategorie „Everybody’s Darling“: betont fruchtig, verspielt, schlank und sauber, für den Verzehr in naher Zukunft gemacht. Der Oestricher Doosberg Riesling Kabinett trocken „Alte Reben“ kommt mit deutlich mehr Struktur ins Glas, leider aber auch mit deutlichem Restzucker (vermutlich nur sensorisch). Würzig-süßlich im Antrunk, toller Verlauf, schönes Säureskelett, gute Länge. Braucht etwas Reife und könnte dadurch dazugewinnen.

Weingut Robert Weil

Der Kiedricher Riesling trocken zeigt mit seiner Apfelfrucht viel Gebietstypizität, leider steht die Süße etwas zu sehr vor. Im Finish kann die Frucht nicht durchgehalten werden, hier wird der Wein etwas stengelig, er erscheint für einen Ortswein doch etwas wenig nachhaltig. Der Kiedricher Klosterberg Riesling trocken ist trotz leichter Restsüße durchgehend definiert und mit kerniger Säure versehen, ein durchaus gelungener Wein. Der Kiedricher Turmberg Riesling trocken, ein Wein, der stets mit straffer Mineralität aufwartet, wirkt in diesem Jahr ziemlich gezähmt. Charmante Fruchtsüße, pointierte Säure – aber wo ist heuer die Mineralität der Lage geblieben? Die große Begeisterung konnte sich nicht einstellen. Beachtet man jetzt noch, dass es aus dem Gräfenberg offenbar kein Großes Gewächs geben soll, kann man sich vorstellen, was auf dem schönen Weinberg los war im Jahr 2014. Drücken wir Robert Weil für 2015 noch stärker die Daumen, die Weine können so großartig sein.

Nahe

Die Winzer an der Nahe dürfen in 2014 auf ein insgesamt gutes Jahr zurückblicken. Die Säuren stehen hoch, sind aber reif und eingebunden, die Frucht ist überwiegend sauber – allenthalben findet man gelungene Weine, die auch bereits früh zugänglich sind, jedenfalls, soweit es die einfachen Qualitäten betrifft. Feuchtigkeitsstress soll es in dieser Region kaum gegeben haben.

Weingut Dr. Crusius

Das Weingut rockt. Im metallischen Sinne, denn hier sind die Weine durchwegs stark mineralisch geprägt. Sowohl beim Traisener Riesling trocken als auch beim Vom Fels Riesling trocken fällt ein straighter, puristisch mineralischer Stil auf, wobei der Vom Fels mit einer saftigen Frucht und längerem Finish den Direktvergleich sofort für sich entscheidet. Der Traiser Rotenfels Riesling trocken fällt insofern fast aus der Art, als er sich mit leichtem Schmelz und Körper vorstellt: ein geschliffener Geselle mit einer feinen Würze und sehr guter Länge (Empfehlung). Der Riesling „Top of the Rocks“ ist in der Nominierung des lächerlichsten Wein-Fantasienamens in diesem Jahr erneut ganz weit vorne, was soll’s, der Wein, eine Cuvée aus drei Einzellagen, gefällt trotzdem mit feiner Frucht und diverser steiniger Mineralität – der Rotenfels scheint aber dennoch der eigentliche Top-Wein der gezeigten Kollektion zu sein.

Weingut Helmut Dönnhoff

Drei gute trockene Weine präsentiert der Altmeister der restsüßen Weine aus Oberhausen. Der Tonschiefer Riesling trocken zeigt sich mit pikanter, steiniger Art, viel Zitrusfrucht, trotz leichtem Zuckerl viel Zug im Glas, auch genügend steinige Substanz, um einige Jahre reifen zu können (Empfehlung). Aromatisch und stilistisch anders der Kreuznacher Kahlenberg Riesling trocken, grüner Apfel, dicht gepackter Körper, weniger Spiel – dafür mehr Extrakt – es bleibt eine Frage der persönlichen Vorliebe, aber auch dieser Wein ist gelungen. Der Roxheimer Höllenpfad Riesling trocken zeigt heute am wenigsten an – stengelig und kernig straff, fast grün im Antrunk, dann aber sofort mit klassischer Rieslingfrucht und salzigen Anklängen im Verlauf, dieser Wein braucht wohl noch etwas Zeit und bietet ebenfalls ordentliche Anlagen in der Jugend.

Weingut Emrich-Schönleber

Auch bei den Schönlebers zeigen die VDP-Vorgaben zu Lagenbezeichnungen inzwischen Wirkung. Die gute alte Halenberg Spätlese trocken ist nicht mehr – nun heißt der entsprechende Wein Riesling Monzingen Halgans. Aber entscheidend ist ja bekanntlich im Glas. Und hier zeigt der „Halenberg junior“ eine dichte, steinig unterlegte Kern-Frucht mit geschliffenem Körper und einer rassigen Säure. Im Finale lässt die Halgans leider Federn und bricht etwas zügig ab. Ein Quell der Trinkfreude ist in diesem Jahr der Riesling trocken Lenz, mit stoffig-verspielter Frucht, mineralischer Pikanz und einer speicheltreibenden Säure. Auch hier ist die Länge nicht auf Nachhaltigkeit getrimmt – das braucht der Wein aber auch nicht, denn es gilt: Spaß im Glas, schenk nach (und deshalb auch eine Empfehlung). Der heimliche Star in der Kollektion unterhalb der Großen Gewächse ist in diesem Jahr für mich der Riesling trocken Mineral. Purer Stein, verschlossen, hart, mit feinem, versöhnenden Zuckerl im klaren Fruchtkern. Diesem Wein prognostiziere ich eine gute Zukunft, er braucht aber Zeit (2017+, Empfehlung). Verschlossen zeigte sich der Monzinger Frühlingsplätzchen Riesling trocken, er gehört nochmals nachprobiert.

Weingut Kruger-Rumpf

Trinkanimierend leichte Weine im besten Sinne fand ich bei Kruger-Rumpf vor. Der Schiefer Riesling trocken ist ein einfacher, aber gelungener, trinkanimierender Gutswein klassischer Machart, zart im Antrunk, er gefällt mit feiner Zitrusfrucht und ist allenfalls etwas kurz im Finale. Besser im Direktvergleich dann der Quarzit Riesling trocken, ebenfalls ein Gutswein, stoffig-würziger Stil, schöne Balance und guter Trinkfluss. Besonders gefallen hat aber der Münsterer Kapellenberg Riesling trocken, ein geschliffener Wein voll stoffiger Würze und zugleich Eleganz. Dürfte ein toller Essensbegleiter werden (Empfehlung).

Weingut Johann Baptist Schäfer

Animierender Basis-Riesling gefällig? Bitteschön. Schon beim Joh. Bapt. Schäfer Riesling trocken offenbart sich ein drahtiger Körper, saftige Limonen und rassige Säure sorgen für Zug, der den auf schöne Art unkomplizierten Wein im Glas verdunsten lässt – und so soll ein Gutsriesling ja bitte auch sein. Auch der Riesling „vom Kieselstein“ ist kein adipöser Vertreter, hinter einem leichten Sponti-Nebel zeigt sich ein steiniger, mit würzigen Noten unterlegter Wein (nomen est omen), der bereits Format andeutet und trotzdem in großen Schlucken getrunken werden möchte. Der Dorsheim Riesling trocken vereint eine saftige Frucht mit pikanter Säure, es entwickelt sich ein schöner Zug, ein intensiver Wein mit guter Struktur (Empfehlung). Für den Riesling Burg Layer Schlossberg kam diese Präsentation vielleicht zu früh. Gute Anlagen, feine Zitrusfrucht bei würzig-cremiger Struktur, aber hier sitzt der Fokus noch nicht.

Weingut Schäfer-Fröhlich

Es macht den Eindruck, als habe das Weingut von Tim Fröhlich in den letzten Jahren zunehmend an Erfahrung im dosierten Umgang mit der Spontanvergärung gewonnen. So zeigen sich inzwischen bei den einfacheren Qualitäten unterhalb des Großes-Gewächs-Niveaus hinter den Spontanvergärungsaromen vernehmbare Fruchtbestandteile, die man im Jungweinstadium aber weiterhin eher erahnen muss als treffsicher bestimmen kann. Der Riesling trocken des Hauses präsentiert bei prägnanter Säure eine saftige, aber eher zarte Rieslingfrucht, die – nicht zuletzt eben durch die Spontanvergärung – mit deutlichen Würznoten hinterlegt ist. Der Wein endet eher kurz – aber stimmig. Der Vulkangestein Riesling trocken zeigt sich als harmonisch, ich sag’s nochmal, spontanvergorener Riesling – schlank im Körper, mit reifer, aber dennoch pikanter Säure. Etwas fülliger in Körper und (sensorischer) Restsüße dann der Bockenauer Schiefergestein Riesling trocken – hier ahnt man, wenn auch geschmacklich eher scheu, einen grünen Apfel, was aber auch ein Stück weit der saftig-pikanten Säure geschuldet sein kann. Sowohl Vulkangestein als auch der Schiefergestein sind bereits gut zugänglich, wenn man sich nicht weiter an den Sponti-Aromen stört, und bieten gute Qualität. Wahre Klasse zeigt das Weingut aber beim fruchtsüßen Riesling Kabinett Felseneck. Wer ein Faible für dieses leider unterschätzte Prädikat hat: Empfehlung!

(Autor: Guido Müller)
 
 
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