Wachau Jahrgang 2010 – Smaragd-Probe Grüner Veltliner und Riesling
2010 wird in der Wachau aller Voraussicht als ungewöhnlicher Jahrgang eingehen. Ungewöhnlich hinsichtlich der Menge, denn sie war klein, sehr klein sogar und auch ungewöhnlich ob der Charakteristik der Weine. Ursache waren vermutlich die Wetterkapriolen, die die Winzer in diesem Jahr zu überstehen hatten. Ging es noch mit einer dauerhaften Schneedecke bis Ende Februar durchaus üblich los, war der Frühling ungewohnt kühl und regnerisch. Die Marillenbäume blühten erst gegen Mitte bis Ende April und der Austrieb der Reben lies ebenfalls auf sich warten. Auch während der Blüte war es vornehmlich ungemütlich frisch und so kam es zu erheblichen Verrieselungsschäden beim Grünen Veltliner als auch beim Riesling. Bis auf einen heißen Juli war der Sommer im Allgemeinen ebenfalls eher kühl, dasselbe Bild im Herbst. Und so verzögerte sich die physiologische Reife der Beeren teilweise bis Ende Oktober. Es ging ziemlich an die Nerven der Winzer und jene die zu früh lasen, deren Weine können der reschen Säure teilweise zu wenig Frucht und Extrakt dagegenstellen. Sie wirken dann zuweilen etwas streng. Es blieb bis Ende November trocken und so konnte die Reife abgewartet werden und wegen der kühlen Witterung gab es so gut wie keine Botrytis.
Diese Umstände sorgten für klare, strafe, säurebetonte Weine, die allermeisten ohne jede Botrytis, mit großem Potential, die aber auch bereits in ihrer Jugend viel Trinkfreude bereiten und vielfältige Fruchtnuancen und mineralische Merkmale zeigen. Dies gilt aber nur für die Smaragde. Aufgrund der hohen Säurewerte wirken Federspiele und Steinfeder gelegentlich zu säurebetont und dominiert von reschen Zitrusnoten. Hier gilt es genau auszuwählen. Die Smaragde jedoch, haben uns etwa ein Jahr nach der Lese selten so viel Freude bereitet wie aus 2010. Das Reifepotential dürfte gerade wegen der fehlenden Botrytis erheblich sein. Insbesondere der Grüner Veltliner zeigt sich von einer ganz neuen Seite. Er profitierte eindeutig am meisten von den hohen Säurewerten und präsentiert sich mit nie gekannten Frische und Trinkigkeit, ohne seine einmalige Aromatik zu verleugnen. Der Runde ein weiterer Beleg für das gehobene Potential dieser Rebsorte.
Zur Jahrgangsprobe trafen sich etwa 10 erfahrende Weinfreunde und steckten ihre Nase in jeweils sieben Rieslinge und Grüne Veltliner. Wie immer begannen wir mit den Rieslingen. Die Weine kamen natürlich blind auf den Tisch,
Die Riesling-Smaragde
1 Veyder-Malberg Bruck
[91+] Verschlossene Nase geprägt von Jungweinaromen ala Stachelbeere und weißer Johannisbeere, mineralisches Fundament. Am Gaumen straff, fast bissig und frisch, Gräser, erneut die Aromen der Nase, markante, aber feine Säure, straff und klarer Verlauf, sehr stimmig, aber nicht zum jetzigen Genuss bestimmt. Trotzdem bereits heute ein ausgezeichneter Riesling mit erheblichem Potential. 32 Euro
Info zu Veyder-Malberg: Zählt sicherlich derzeit zu den spannendsten Projekten in der Wachau. Hier wird konsequent eine andere Philosophie verfolgt. Möglichst ohne Botrytis, eher straffe und schlanke Weine mit großem Lagerpotential werden hier vinifiziert. Der Trinkfluss nach erreichter Reife steht im Vordergrund. Somit steht nicht eine übermäßige Mostkonzentration im Vordergrund, sondern die richtige Balance und Reinheit, denn nur so, auch aus meiner Erfahrung, erhält man die Frische ebenso bei fortgeschrittener Reife. Die Lagen befinden sich nahezu über die gesamte Wachau verteilt, mit einer vermuteten Vorliebe der westlichen Weingärten. Hier ist es einfach etwas kühler. Mit Ausnahme des Kreutles wird auf den Einsatz von Maschinen verzichtet und der Winzer übt sein Handwerk noch mit seinen Händen aus.
2 Rudi Pichler Achleiten
[93] Mineralisch geprägte Nase nach Kalkstein, noch verschlossen, aber schon jetzt stimmig und konzentriert. Recht fruchtfrei, höchstens ein Hauch Zitrusfrüchte. Im Antrunk fällt sofort die feine, animierende Säurestruktur auf, die sich über den gesamten Verlauf zeigt. Sehr fest, packend mit Zug am Gaumen, recht trocken, Zitrusfrüchte, langer Nachhall. 48 Euro
3 Prager Wachstum Bodenstein
[94] Etwas offenere, fruchtbetontere Nase von Tiefe und Komplexität. Gelbfleischige Früchte, sehr sauber und scharf gezeichnet, mineralische Anklänge, sehr gute Balance. Im Mund kräftig, fruchtbetont, enorme Extraktdichte, winziger, angenehmer Botrytiseinschlag, trotzdem klare Steinfrüchte, erquickliche Säure, ungemein animierend, macht schon jetzt richtig Freude, langer Nachhall. 35 Euro
4 Knoll Vinothekfüllung
[93-95] Erdbetonte Mineralik, dezente Fruchtanklänge, balsamische Noten, tief und vielschichtig. Im Mund typisch Knoll. Etwas barock, aber ungemein subtil. Saftiger, kräftiger Antrunk, reife gelbfleischige Früchtekorb, sehr tiefe und dunkle Mineralik, völlig sauber, ohne Botrytis, animierende Säure, große Zukunft, langer Nachhall. 41 Euro
5 Hirtzberger Singerriedel
[96/97] Musterbeispiel einer großen Rieslingnase. Hochkomplexes Aromenspiel aus diversen Früchten, Mineralien, Balsamischen Noten und Kräutern. Wir notieren gelbwangige Äpfel, junges Steinobst, Ananas, erhitzter Stein, Rauch, Kreide und Basaltnoten, dahinter frischtgemähte Kräuterwiese. Am Gaumen höchster Konzentration und trotzdem von erstaunlicher Balance. Ungemein straff, und stoffig und trotzdem elegant. Auch hier große Tiefe mit ständig wandelndem Aromakern. Der Nachhall will kaum enden. Gewaltiges Zukunftspotential, aber schon jetzt spielend ein großer Riesling.
6 Alzinger Loibenberg
[93] Animierender und erfrischender Duft nach Grapefruit, jungen Granny Smith und einer fein-komponierten kalkigen Mineralik. Eher puristisch, statt üppig. Das gleiche Bild am Gaumen. Auch hier sehr frisch, recht trocken, fast puristisch, noch etwas verschlossen. Wird noch von Jungweinaromen bestimmt. Sehr feine, elegante Säurestruktur, florale Anklänge. Nochmal, der Wein wirkt ungemein frisch und trinkanimierend und unterscheidet sich deutlich vom Knoll. Welchen Wein jemand bevorzug ist wirklich reine Geschmacksache. Klasse haben Beide ohne Zweifel. Für mich persönlich ist es eine Frage der Situation. 44 Euro
7 F.X. Pichler Loibenberg
[91] Sehr verschlossen, kaum Frucht, noch etwas kantig, wirkt sauber und zeigt Tiefe, Feuerstein, aber kaum zu bewerten. Im Mund etwas offener, aber nicht im besten Stadium. Kräftiger Antrunk, etwas ruppig und wild, trotzdem erkennt man Klasse und aromatische Tiefe, gut integrierte Säure, setzt sehr auf Konzentration. 44 Euro
___
Die Grünen Veltliner-Smaragde
1 Rudi Pichler Kollmütz
[93/94] Honigmelone, Haselnuss, weißer Pfeffer, Küchenkräuter, trotzdem noch recht verschlossen. Im Mund straff und animierend. Feiner, prägnanter Säurebogen, der sich mit Fruchtaromen von Birne, Melone und Haselnuss bestens verbindet. Sehr langer Nachhall mit tabakigen Einschlag und einer salzigen Mineralik. Großes Zukunftspotential.
2 Alzinger Loibnerberg
[94/95] Was Alzinger in 2010 aus dem Loibenberg geholt hat ist ein Ausnahmewein. Er ist ungemein terroirbezogen und ein Musterbeispiel wie ein Grüner Veltliner riechen und schmecken darf. Da ist zu einem deutlich weißer Pfeffer und Tabaknoten, aber auch Frucht: Birne, Melone und auch Zitrus und gar Pfirsich. Hier geht es ständig hin und her und betört unsere Sinne. Dazu ist er am Gaumen straff, betont trocken, ohne jede Botrytis, mit packender Säure und langem Nachhall. Chapeau! 24 Euro
3 F.X. Pichler Loibnerberg
[91] Bei aller Klasse, aber da kommt der F.X. nicht mit. Er präsentiert sich sehr nussig mit etwas überreifer Melone und Honigmelone in der Nase. Am Gaumen ungemein füllig, fast übermäßige Konzentration, erdbetonte tiefe Mineralik, feines, durchaus animierendes Säurespiel, viel Druck, kräutrig-tabakiger langer Nachhall. Ganz gewiss ausgezeichnet, besonders den Freunden der barokeren GV-Stilistik zu empfehlen. 44 Euro
4 Knoll Vinothekfüllung
[94/95+] Subtile, abgrundtiefe mineralische Nase nach Kalkstaub, Brotkruste, Bügeltuch und Thunfischöl, daneben Zitruszesten und tropischen Anklängen. Sehr sauber, frei von jeder Botrytis. Faszinierende Nase. Am Gaumen ebenso subtil, und tief. Frische, animierende Säure über den gesamten Verlauf, enormes Wechselspiel aus Frucht und Mineralik. Kaum endender Nachhall. Recht sicher großer Wein mit erheblichem Potential. 34 Euro
5 Hirtzberger Honivogel
[96/97] Kaum noch zu überbietende Tiefe und Spannung in der Nase. Alles ist vorhanden, aber doch irgendwie verschlossen. Da blitzen Frucht, Mineralik, Kräuter und Blüten auf, nur um sich sofort in die tiefe Höhle zurückzuziehen, um sich dem neugierigen Betrachter zu entziehen. Am Gaumen ebenso große Tiefe und Klasse. Glockenklare Quitten, weiße Johannisbeeren, saftige Pfirsiche, Hasselnüsse und elegante Pfeffernoten. Hochkomplexe Mineralik, pure Eleganz und Tranzparenz, trotz seine Viskosität und Dichte, bleibt der Wein trinkig und animierend. Wobei dies sicherlich kein Wein für jeden Tag ist, sondern der Montrachet der Wachau. Enormes Zukunftspotential, aber schon heute ein großer Grüner Veltliner. 42 Euro
6 Prager Achleiten Stockkultur
[92] Sehr typische GV-Nase mit einem Einschlag von Grapefruit, eher kühle Stilistik, etwas Thunfischöl, noch recht verschlossen. Mittlerer Körper am Gaumen, eher auf der feinen Seite, sehr animierend, gute Säurestruktur, tabakig-salziger Nachhall mit guter Länge. Insgesamt noch deutlich verschlossen, hat gutes Reifepotential. 35 Euro
7 Veyder-Malberg Weitenberg
[94] Recht untypisch, weil ungemein stahlig, mineralisch geprägt nach Kalk, Kreide und etwas Kohle, dahinter frisch geschnittene Gräser, kein Crowd-Pleaser. Am Mund kompromisslos trocken, straff und mineralisch. Die Säure markant, aber gekonnt eingebunden und elegant. Ein GV auf burgundische Art, der dank des fehlenden Holzes bereits in seiner Jugend ungemein Spaß macht. Die Frucht noch verschlossen, zeigt jedoch Herkunft und die notwendige Extraktdichte. Enormer Nachhall mit salziger Mineralik und jeder Menge Tabak. Die Runde ist zum Abschluss nochmals richtig begeistert. Könnte mit Reife ein großer Grüner Veltliner werden. Warten wir es ab. 49 Euro
Nach der Probe sitzen wir alle ziemlich erstaunt da und rätzeln über die unverschämt hohen Bewertungen. Sind wir alle im Rausch? Dürfen wir uns selbst noch trauen? So etwas hat es noch nicht gegeben. Aber wenn selbst die nachgereichten Weine im Mittel „nur“ 92/93 Punkte erhalten, waren wir nicht gänzlich auf einem anderen Stern, schliesslich gab es mit dem 2001er Altenberg von Deis, dem 82er Tablot und dem 83er Margaux nicht die schlechtesten Rausschmeißer.
2010 war in der Wachau einfach ein außergewöhnliches Jahr, von dem insbesondere der Grüne Veltliner ungemein profitierte. Die erhöhten Säurewerte kommen vermutlich insbesondere den deutschen Riesling-Trinkern besonders entgegen.
[Autor: Rainer Kaltenecker]