Egon Müller Riesling Spätlese Scharzhofberger, 1995
Ich sag es immer wieder, gute Weinfreunde muss man haben. Und so fand sich diese 95er-Spätlese in meinem Glas wieder. Das Etikett und die Kapsel sahen aus als hätte die Flasche schon einige Jahrzehnte auf dem Meeresboden zugebracht, moder pur. Der gammelige Korken bröselte uns entgegen und stank nach hochreinem Weinfehler. Was aber ins Glas kam war klar wie Felsquellwasser, von Reife gezeichnet, aber der Petrolduft war fein und ummantelt von einer so herrlich animierenden Frucht, dass es mir einen Schauer über die Haut jagte, nur ganz am Firnament eine Ahnung von störenden Heizölnoten – daher Abzug in der B-Note. Die Frucht erinnert an Pfirsichschalen und mürben Äpfeln, auch Anklänge von Schiefer und Kieselsteinen. Am Gaumen von knapp mittlerem Gaumen, trifft exakt die Süße einer Spätlese, sprich sie bleibt jederzeit trinkanimierend, nach all den Jahren hat sich die Süße bestens in die Frucht eingebracht, kommt am Gaumen eher über die Kern- als über die Steinfrucht, die deutlich vernehmbare Petrolnote vermählt sich perfekt mit der Frucht und demonstriert die einmalige Aromatik gereiften Riesling. Lässt sich heute als Apperativ-Wein bestens geniessen, denn im Nachhall dämmert die Süße langsam aus und lässt eine reife Säure und Mineralik zurück. Langer mineralische Nachhall, sehr reif, sehr charmant und vornehm. Der perfekte Wein um entweder eine große Weinprobe zu beginnen oder abzuschliessen. Spätlese at its best, sollte aber in den nächsten 4-5 Jahren auch getrunken werden.
Vom Fachhandel, damals 66 DM, 92 Punkte (ausgezeichnet), jetzt bis 2017