Weingut Keller Spätburgunder Dalsheimer Bürgel Großes Gewächs, 2012
Kennt Ihr das? Man meint, einen Wein zu kennen, seine Stilistik entschlüsselt zu haben, und plötzlich kommt der neue Jahrgang ins Glas und man muss auf die Reset-Taste drücken, da der Wein sich gänzlich anders als gewohnt präsentiert. So ging es mir beim Bürgel, den ich im Frühjahr 2014 bei einem Besuch des Weingutes vor Ort ins Glas bekam. Bürgel war für mich im Vergleich zum Frauenberg der rustikalere Spätburgunder von Keller, viel deutsche Typizität, viel Schokolade, deutliche Süße, ein Hang zur Opulenz. Und dann — meine erste Notiz lautete: Er duftet wie ein Chambolle-Musigny, leichtfüßig, klare jugendliche Schwarzkirsche und Himbeere, für seine Jugendlichkeit eine überaus dezente Neuholzwürze, die sich aber weniger von seiner Schokoladenseite zeigt, sondern seriöser wirkt, gecrunchte Kräuter, herbe erdige Noten, dazu etwas Brom- und Himbeeren, also an einen deutschen Klon denke ich da wirklich nicht.
Nun ein Jahr nach seiner Abfüllung ging ich der ersten Flasche an den Kragen: Eine herrlich feinsinnige, duftige Pinot Noir-Nase mit einer feinen steinwürzigen Mineralität steigt da aus dem Glas empor, mit zunehmender Wärme durchaus kräftig wirkend. Am Gaumen von mittlerer Dichte, sehr reintönige Pinot-Noir-Frucht, Kirschen, Orangenschalen, herbe Kräuter, harmonische, feinporige Säure, trinkt sich bereits heute sehr harmonisch und animierend, wenngleich die jugendlichen Holzaromen sich noch dezent zeigen, aber kein Vergleich zu manch holzgeschwängerten Franzosen. Iich muss es nochmal sagen, der Wein wirkt frisch und packend, herrlich animierender Trinkfluss, heute noch ohne die letzte Tiefe, dazu ist er noch zu verschlossen und somit ist der Abgang eher mittellang.
Vom Weingut, 39 Euro, 91+ Punkte (ausgezeichnet), ab 2018+