L´Heritage de Chasse-Spleen Haut-Medoc, 2001
Es gibt untrügliche Zeichen, dass der Herbst unmittelbar vor der Tür steht. Die ersten Blätter schalten schon auf „bunt“ und sobald die Sonne verschwunden ist, kühlt es auf der Terasse unerhört schnell aus. Das Stichwort „Rotwein“ kam uns somit zuletzt des öfteren in den Sinn. Dieser hier ist der Zweitwein von Chateau Chasse-Spleen aus Moulis-en-Medoc. „L´Heritage“ — das Vermächtnis. Wie symbolhaft. Materiell gesehen ist es nämlich bei einem Zweitwein wie bei einer echten Erbschaft: Der Hinterbliebene muss sich mit dem begnügen, was noch übrig blieb. Aber hier bestehen wirklich keine Gründe, sich Gedanken darüber zu machen, die Trauben-Erbschaft auszuschlagen: Granatrot mit ziegelroten Reflexen. In der fein verwobenen Nase Paprika, Zedernholz, ein subtiler Duft von roten Johannisbeeren, ein Hauch Kakao. Im Antrunk ist der Wein rotfruchtig mit Kirsche, Paprika und einem feinen Holzton, der Kakao ist förmlich nur ins Glas gehaucht. Die Säure ist fein und auf den Punkt balanciert. Mittellanger Abgang, feines Tannin. Seine schlanke Struktur, sein feiner Fruchtcharakter und seine balancierte Harmonie — dies sind die drei prägenden Wesensmerkmale. Wer bei diesem Wein jedoch nicht genau hinhört, wer gar Blockbuster-Wein erwartet, wird enttäuscht werden und den Wein wohl als „dünn“ schimpfen — was er meiner Meinung nach nicht verdient.
Dieser Wein ist zwar nur ein kleiner Bordeaux, keine Frage, aber er ist ein angenehmer Claret der alten Schule, natürlich ist seine Tiefe nicht mit der Tiefe eines Cru zu vergleichen, aber der Wein bietet für mich einfach harmonisches Trinkvergnügen pur. Deshalb vielleicht hier auch ein bis zwei Punkte zu hoch bewertet, mal ganz objektiv betrachtet. Zwei Stunden in der Karaffe, dann aus großen Gläsern (hier gewinnt er noch einmal etwas) über den Abend offen genossen.
Im Fachhandel gekauft, 14 Euro, 85 Punkte (sehr gut), jetzt bis 2011