Luc Massy Dézaley Grand Cru Chemin de Fer, 2006

Luc Massy Dézaley Grand Cru Chemin de Fer, 2006

Ein echter Kenner Schweizer Weine hat mir diese Flasche als Präsent zu einer Einladung mitgebracht — ein Geschenk, über das ich mich wirklich sehr gefreut habe, denn meine bisherigen Berührungspunkte mit Schweizer Weißweinen beschränkten sich bis dato auf eine Handvoll belangloser Touristenweine. Nichts, was in Erinnerung bleiben müsste. Insofern lauerte ich schon eine geraume Zeit auf eine Gelegenheit, mich dieser Flasche zu nähern und meine Neugierde zu stillen. Die Gelegenheit, sie kam, ein kräftiges Fischgericht sollte begleitet werden. Also dann, betreten wir vinophiles Neuland: ernsthafter Schweizer Weißwein.

Das Weingut Massy bewirtschaftet acht Hektar im Kanton Waadt, das Stammhaus ist in Epesses beheimatet, unmittelbar am nördöstlichen Ufer des Genfer Sees gelegen. Die Grand Cru-Lage Dézaley ist eine steile Terassenlage, in der zu 90 % Chasselas-Trauben (a.k.a. Gutedel) kultiviert werden. Die Einzellage „Chemin de Fer“ markiert in der hauseigenen Klassifikation die Lagenspitze.

Das Mikroklima der Lage Dézaley wird durch zwei Faktoren geprägt: Tagsüber profitieren die Trauben aufgrund der Steilheit der Lage von der direkten bzw. aufgrund der Seenähe indirekten Sonneneinstrahlung und den Terassenmauern, die die Wärme aufnehmen und speichern. Nachts wird die Lage durch die so genannte „Bise des Dézaley“, einem kühlen, teilweise bissigem Wind gekühlt, was einen verzögerten Reifeprozess bewirkt. Dass Dézaley für die Schweizer eine besondere Bedeutung hat, zeigt auch ein Blick auf die 200 Franken-Banknote, auf deren Rückseite sie abgebildet ist.

Strohgelbe Farbe. In der Nase ein feiner Limonenton, ein kleiner Strauß Blüten, dazu ein feiner Anklang an geschmolzene Butter, insgesamt schon sehr verheißungsvoll. Mit mehr Luft entwickeln sich deutlich Honigtöne, die Frucht verlagert sich etwas ins Orangenfruchtige. Im Antrunk ist der Wein extraktreich, dieser sortenreine Chasselas schmeckt nach Zitrus, Nüssen (Paranuss), Blüten und mürben gelben Äpfeln; ein feiner Honigton ergänzt die fein-minerlischen Eindrücke des ton- und kalkhaltigen Bodens. Strukturiert und dicht ist dieser Wein, jedoch auch alkoholstark (trotz nur 12,5 % auf dem Etikett) — er gefällt mir als Begleiter zum Essen deshalb etwas besser wie als Solist. Mit mehr Verweildauer im Glas verändert sich auch hier die Frucht, sie erinnert nun an Quitte und milde Orangen, der Honigton wird immer deutlicher und bietet viel Schmelz und Charme. Trotz seines Extraktes ist der Wein sensorisch trocken. Sehr feine Säure. Am Gaumen wird der Wein leider zunächst geschmacklich alkoholisch, die angenehmen Fruchttöne werden hier etwas überlagert, um dann aber im mittellangen und schmelzigen Abgang doch wieder durchzubrechen und mit den mineralischen Tönen die Oberhand zurück zu gewinnen.

Ein interessanter und charaktervoller Wein; er macht wirklich Lust auf weitere Experimente — leider sind Weine dieser Qualitätsstufe in Deutschland nur schlecht zu beziehen und wenn, dann nur teilweise mit so abenteuerlichen Preisaufschlägen, dass es der Händler fast schon verdient hat, auf seinen Flaschen sitzen zu bleiben. Offen und undekantiert über zwei Abende probiert.

Als Geschenk probiert (ab Hof ca. 24 CHF), 88 Punkte (sehr gut), jetzt trinken

Wegen der Steilheit des Hanges können die Rebstöcke bis zum Boden von der Sonne bestrahlt werden, ohne dass ein Schatten auf die benachbarten Reben fällt. Die zahlreichen Steinmauern reflektieren das Licht und sind gute Wärmespeicher. Zusammen mit den indirekten Sonnenstrahlen vom See ergibt dies ein ausgezeichnetes Mikroklima, das wie ein natürlicher Ofen die Trauben reifen lässt. Die Qualität dieser Grand Cru entsteht aber nicht nur dank der heissen Sonnenstrahlen. Während der Nacht arbeitet ein anderes Element des lokalen Klimas: Die Bise des Dézaley. Ein kühler, trockener, bissiger und zeitweise heftiger Wind kühlt die Pflanzen und verlangsamt den Reifeprozess. Die Trauben behalten ihr ganzes Aroma und profitieren von dieser verzögerten Reifung. Dieses gegensätzliche Klima bringt dem Wein seine Rasse und seinen an Mandeln, Honig und Caramel erinnernden Charakter, der von einem blumigen und fruchtigen Aroma umrahmt wird.

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