J. B. Becker Riesling Spätlese trocken Wallufer Walkenberg, 1998

J. B. Becker Riesling Spätlese trocken Wallufer Walkenberg, 1998

Dem Weingut J. B. Becker eilt der Ruf voraus, dass man dort nicht mit einstimmt in den Zeitgeist der Riesling-Welt. Hier wird seit Jahrzehnten an einem unverwechselbarem, gebietstypischem Stil gefeilt. Die Weine liegen ein Jahr lang im großen Holzfass auf der Hefe, sind in ihrer Jugend geradezu explosiv und können Jahrzehnte lang reifen.

Allesamt viele Gründe, die einen Besuch auf dem Weingut längst überfällig machten. Beeindruckend war dabei so Manches. Etwa ein Blick auf die Preisliste mit über hundert Weinen und verfügbaren Jahrgänge bis zurück in die achtziger Jahre, darüber hinaus schmücken die Weingutsvilla unzählige Exponate aus vielen Jahrzehnten Weingutsgeschichte, präsentiert wurden die Weine von der überaus sympathischen Grand Dame des Weinguts Maria Becker. Und von wegen altmodisch — Frau Becker kam gerade von einem Business-Trip zur Vin Italy, Fotos wurden auf einem nagelneuen Macbook angeschaut und sogar einige Dosen Red Bull spielten eine gewisse Rolle an diesem Nachmittag. Die Verkostung begann mit einem 1992 Kabinett trocken und endete mit dem wunderbar milden Weinbrand des Weinguts und einem ganz jungen, nach frischen Brioches duftenden Grappa.

Die Eindrücke sind noch frisch, und so wurde heute die erste Flasche von der Weintour aufgezogen. Im Glas ein helles Goldgelb mit grünen Reflexen. In der weniger eindrindlich, vielmehr im positivsten Sinne schlank wirkenden Nase sticht nichts hervor, gelbes Stein- und Kernobst, etwas Quitte, nur leichte Firnis in der Nase, mehr aber erdige Mineralität, Petrol.

Beim Antrunk kommt einem dann in den Sinn, was diesen Weinen unnachgiebig nachgesagt wird, „klassisch Rheingau“, zumindest was die Säure betrifft, kompromisslos, zuerst richtig stark, dann immer cremiger und feiner werdend. An Aromen diese eigenartige Mischung aus saftiger weißer Steinfrucht, mürbem gelben Apfel und einem Spritzer Zitrone, sogar etwas frische grüne Kräuter, dazu schönste Reifenoten, etwas grüne Banane, auch Mokka. In seiner Textur wirkt der Wein wie ein mineralischer Sud, dicht, petrolig, ganz leicht salzig, dazu stets ein Hauch von Frucht. Hinten kommt eine nur allzu gut passende mildwürzige Muskatnussnote dazu, die sich dann eine ganze Weile hält. Eleganz ist das, was man diesem Wein zusprechen mag, und zugleich eine rassige Säure. Hinzu kommt ein richtig trockener Stil. Nicht jedem läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn er das hier liest, man muss das schon mögen. Tut man das aber, sollte man das hier unbedingt mal probiert haben.

Frau Becker erklärte uns, dass die Weine des Hauses nach vier, fünf Jahren trinkfertig sind und sich dann einfach sehr lange auf diesem Niveau halten. Trinkt man einen ihrer Weine, so kann man sich gut vorstellen, was sie damit meint. Vor allem in der Säure scheint das Wunderrezept zu liegen. Keine Spur von Alterung oder Zersetzung, immer noch wirkt sie lebendig, frisch, dynamisch, einzig haftet ihr anfangs ein rustikaler Touch an, bevor sie sich voll in die Struktur des Weines integriert. Ein Weinerlebnis der eigenen Art, einige mögen schreiben altmodisch, ich würde hingegen sagen, ein Wein der leiseren Töne, subtil, diskret, elegant, charaktervoll. Hätte ich nur drei Worte, würde ich sagen, Essenz von Riesling. Und wären es nur zwei, Riesling zeitlos!

Vom Weingut, 13 Euro, 87 Punkte (sehr gut), jetzt gut zu trinken

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