Chateau Leoville Las Cases Clos du Marquis, 1997
Wie sehr eine kleine Änderung der Trinktemperatur Einfluss auf die sensorische Wahrnehmung eines Weines haben kann, wurde uns bei dem Genuss dieser Flasche mehr als eindrücklich in Erinnerung gebracht. Denn dank der sommerlich hohen Außentemperaturen hatte sich der Wein klammheimlich um gefühlte zwei Grad zu hoch erwärmt, was er mit verwaschenen, breiten Fruchteindrücken dankte… also zurück in die Karaffe und eine halbe Stunde gekühlt. Danach hatte der Wein sich (wieder)gefunden…
Clos du Marquis gilt ja landläufig als Zweitwein des Chateau Leoville Las Cases – und doch stimmt dies so nun auch nicht. Denn die Trauben für diesen Wein kommen aus einer abgetrennten Rebanlage, teils von einer Mauer umschlossen (deshalb auch: „clos“) und westlich der Hauptanlage gelegen; er wird separat ausgebaut. Da ein Weingut dieses Formats seine Junganlagenweine aber nicht zu Essig verkommen lässt, gibt es zwischenzeitlich auch einen offiziellen Zweitwein, den „Le Petit Lion du Marquis de Las Cases“…
Purpurrot, nur leichte Randaufhellung, ein zu vernachlässiger, da nur geringer Wasserrand. In der Nase mit sehr guter Struktur, Kirschkonfit, Kräuter, etwas Laub und Paprika, mit mehr Luft auch dunkle Beeren und zunehmend röstige Kaffeenoten – sehr gekonnter Holzeinsatz; insgesamt ein sehr differenzierter und wohltuend feiner Auftritt. Der Antrunk setzt die Eindrücke der Nase konsequent und kraftvoll fort, wieder bestimmt das Kirschkonfit die Richtung; viel Extrakt, sensorisch aber absolut auf der trockenen Seite, Zedernhölzer, dunkler Kaffeeschokokern. Feines eisernes Mineral, dass sich mit Luft immer mehr hervorhebt und die Struktur pronounciert. Gute Tiefe. Die kräftige, aber als „harmonisch eingebunden“ zu bezeichnende Säure gibt dem Wein eine angenehme Frische. Gut maskierter Alkohol. Das Tannin ist schon deutlich abgeschmolzen und hat nur noch wenige, kleine Kanten, die in den nächsten Jahren rund werden dürften. Holzwürziges und kirschkonfitiges Finale, der Wein hallt mittellang harmonisch nach.
Wir gaben ihm – inklusive Nachkühlzeit – insgesamt drei Stunden in der Karaffe, was augenscheinlich nicht geschadet hat. Mir hat dieser zunächst puristisch anmutende, dann aber doch schon Komplexität anzeigende Wein in seiner klassischen Art sehr gut gefallen (eine echte Überraschung gerade für diesen kleineren Jahrgang!) – das ist ein Stil, den ich für mich als „old-school“-Bordeaux bezeichnen würde. Man bereite schlicht ein blutiges Rindersteak dazu und trinke ihn mit wachsendem Vergnügen…
Im Fachhandel, 35 Euro, 89 Punkte (sehr gut), jetzt bis 2013