Heymann-Löwenstein Riesling Uhlen „R“ Roth Lay, 2006

Heymann-Löwenstein Riesling Uhlen „R“ Roth Lay, 2006

2006-u2Es gibt Weine, die trinkt man nicht nur wegen Ihres schönen Geschmacks, sondern weil es einfach spannend ist, ihre Entwicklung im Glas zu verfolgen – Heymann-Löwensteins Flaggschiff, der „trockene“ Uhlen Roth Lay aus Winningen gehört in seinen ersten Jahren nach der Füllung sicher zu der Gruppe dieser Weine. Spannend ist das Verkosten solcher Weine deshalb, weil sie sich permanent im Glas zu verändern scheinen. So auch dieser Uhlen, er changiert geschmacklich. Ein jedes Mal, wenn man meint, man habe den Wein erfasst, seinen Geruch und seinen Geschmack zugeordnet, schon ist er noch einmal anders, man entdeckt neue, differenziertere Nuancen.

Tiefe, das ist das Merkmal, das diesem Wein regelmäßig mit mehr Reife attestiert wird. Diese zeigt der 2006er schon in seinen Anlagen. Deshalb habe ich mir den Spaß gemacht, ihn über mehrere Tage zu verfolgen, wobei ich natürlich wusste, dass dieser Wein viel zu jung ist, um sich bereits gestriegelt und geschniegelt ausgehfertig im Smoking zu präsentieren. Er wird sich in den nächsten Jahren sicher noch einmal deutlich entwickeln und damit verändern. Schon heute aber meine ich, drei Dinge feststellen zu können: Der Wein ist, anders als seine Jahrgangskollegen der Jahre 2004 und 2005 etwas schlanker im Körper und deutlich moseltypischer im Geruch (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt). Auffälligkeit Nummer drei ist eine reine Spekulation, sie betrifft das Trinkfenster: Ich wage die Prognose, dass der Wein noch ca. zwei weitere Jahre braucht (oder eine sehr lange Belüftungszeit in der Karaffe), um sein Trinkfenster zu öffnen. Selbiges wird sich aber dann aber (es mag vielleicht am Jahrgang liegen) für einen Uhlen R vergleichsweise zügig wieder schließen. Die Prognosen einiger Händler, man könne diesen Wein – im besten Genussfenster – bis weit nach 2020 trinken, teile ich nicht (natürlich urteilt jeder anders über Reifenoten – mich stören sie, solange sie nicht geschmacklich dominant werden, jedenfalls nicht). Mir fehlt für diese lange Reifezeit aber einfach die Säurestruktur, zudem bereiten mir die nicht unerheblichen Bitternoten, die sich gegen Ende der Verkostung zeigten, dann doch etwas Zweifel. Erwähnen sollte ich noch, dass ich die „späte Füllung“ (AP Nr. 02 08), die mit dem Jahrgang erstmals 18 Monate lang vergoren und daher erst im Frühjahr 2008 abgefüllt wurde, geöffnet habe.

Helles Goldgelb. In der Nase hohe Moseltypizität, verspielte Nuancen von Weinbergspfirsich, etwas Orangenzesten, florale Anklänge nach Blüten, alles sehr fein miteinander verwoben.Dies gelingt – es scheint auf den ersten Blick paradox – trotz der dichten, fast schon üppigen Nase. Im Antrunk voll, moderate Süße, sehr saftiges Steinobst, wieder Orangenzesten. Sehr geschliffene, verhalten feinnervige Säure, sehr hohe Viskosität. Über übermäßigen Alkohol muss man bei diesem Wein aber nie jammern, so auch in diesem Jahrgang nicht. Der Wein schleicht sich im Antrunk zunächst auf ganz leisen Sohlen an. Fast ist man irritiert ob des banalen Früchtekorbs, der sich da (nur) zeigt. Am Gaumen verändert er seinen Charakter aber nachhaltig mit Noten einer schneidenden, fast schon beißenden (aber nicht bitteren) Schiefer-Mineralität, die die Fruchtnoten in den langen „Abgrund“ bzw. Abgang mit herüberzieht.

Soweit der erste Eindruck, nach 24 Stunden in der Karaffe. Die einzelnen Elemente standen noch recht deutlich nebeneinander, besondere Tiefe hatte der Wein hier noch nicht gezeigt. Binnen der weiteren 48 Stunden in der Karaffe fanden die Komponenten jedoch sehr gut zueinander, von Banalität keine Spur mehr, der Wein fügte sich ernsthaft zusammen und zeigte hier erstmals auch Komplexität. Zudem entdeckte ich neue geschmacklich Nuancen, mal wartete der Wein mit getrockneten Kräutern auf, dann zeigten sich auch saftige Birnentöne und auch Darjeeling-Tee. Die Punkte unten stammen vom Ende des zweiten Tages, wo er mir am besten gefiel. Am dritten Tag fiel der Wein dann aber merklich ab, er präsentierte sich nur noch deutlich karger als in den Vortagen (die Flasche war noch zu einem Viertel voll), kein Luftton, aber weniger harmonisch mit nunmehr geschmacklich dominierender rosa Grapefruit und einer sehr präsenten Bitternis, die alles andere überdeckte und mich in Sachen Reifung dann doch zweifeln ließ. Allerdings wäre es auch nicht das erste Mal, dass mich der Uhlen überrascht. Insofern: time will tell. Offen verkostet, über mehrere Tage dekantiert, zu Hause.

Im Fachhandel, 32 Euro, 92 Punkte (ausgezeichnet), 2011-2015

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