Les Pagodes de Cos Saint-Estephe, 1996
Zweitweine zu verkosten ist immer spannend und oft ungewiss, vor allem wenn sie schon etwas älter sind. Zu den Trinkfenstern gibt es unterschiedlichste Meinungen und Diskussionen. Oft zeigt sich jedoch, dass auch die kleinen Brüder der großen Bordeaux-Weine vernünftig reifen können und auf Cru-Bourgeois-Niveau oder gar noch besser getrunken werden können. Gemäß der Regel, dass in guten Jahrgängen auch viel Gutes in den Zweitwein geht, wurde heute der 1996er aufgezogen — erst der dritte Jahrgang des neben Chateau Marbuzet zweiten kleinen Bruders des großen Cos d’Estournel. Wie dieser wird auch der Pagodes zu etwa 60 Prozent aus Cabernet Sauvignon und zum Rest mit Merlot bereitet. Er reift dabei ein gutes Jahr in einmal vom großen Cos belegten Allier-Fässern. Zur Verkostung: In der Glasmitte ein trübes Rot von Purpur, zum Rand hin eher von Ziegeln, hellbraune Reflexe und erkennbarer Wasserrand. Die Nase verbindet eine duftig-süße Frucht und eine feine Würzigkeit. Charakteristische Noten von Cassis, rauchigen, trockenen Kräutern, auch etwas Paprika und Pfeffer. Der erste Eindruck im Mund ist erstaunlich trocken, die Duftigkeit weicht dunklen Toastnoten und einem Spiel von viel geschmolzenem Tannin und einer immer noch leicht saftigen Säure. An Aromen kaum Frucht, höchstens etwas schwarze Kirsche, dafür dunkle Erde, Bleistift, vor allem aber Gewürze, Wacholder, Piment, Pfeffer, etwas Muskatnuss. Das dominierende Tannin und die zurückhaltende Frucht prägen die Stilistik. Extrakt und Körper liegen im mittleren Bereich, der Abgang bietet keine Wucht, hat aber Länge, vor allem auf der Feinwürzigkeit und dem zartbitteren Nachhall der Tannine. Hinten zeigt sich ein bisschen Alkohol. Auch wenn er natürlich keinen Vergleich zum großen Cos darstellt, zeigt auch der Pagodes, dass er gut reifen kann und auch bei einem kleineren Wein aus der für Saint-Estephe typischen robusten Stilistik einige Eleganz entstehen kann. Besser wird er sicher noch in den nächsten drei, vier Jahren, obwohl unklar ist, was dann mit der restlichen, bereits etwas spärlichen Frucht geschehen wird. Offen verkostet, fünf Stunden in der Flasche belüftet, zu Hause.
Im Fachhandel, 22 Euro (in einer Preisaktion), 88 Punkte (sehr gut), bis 2012