Tasca D´Almerita „Camastra“ IGT, 2004
Ich hatte mich schlicht verschätzt — trotz Belüftung von knapp drei Stunden in der bauchigen Karaffe zeigte sich dieser Wein am ersten Abend zunächst wie ein ungebetener Gast, den wohl jemand zur Feier mitgebracht hatte, ohne Einladung, versteht sich — grobschlächtig, uncharmant, dafür schon alkoholisiert. Gehören Sie hier zu jemandem? Nein? Dann danke ich für Ihren Besuch. Am Kragen gepackt und zurück in die Flasche geschleift. Kleine Denkpause in der Dunkelheit des Kühlschranks. Diese Behandlung hat erkennbar Wirkung hinterlassen, denn am Folgeabend hat dieser Besucher plötzlich Manieren und ein frisch gebügeltes Hemd angelegt.
Dichtes Schwarzrot, ohne Aufhellungen zum Rand hin. Geschmeidig und viskos liegt der Wein im Glas, seine ansprechende Nase ist eindeutig dunkelbeerig, mit einer Melange aus Kirschen, Kirschlikör, Brombeere, etwas Heidelbeere, begleitet von balsamischen Noten, kaltem Rauch und vanilligen Holztönen, die auf den deutlichen Barriqueeinsatz verweisen (14 Monate in französischer Eiche, so lässt es uns das Rückenetikett wissen). Seidig dicht und dunkelfruchtig im Antrunk, geschmacklich füllig zeigt der Wein vollreife Schwarzkirschen, dunkle Beerenfrucht, Teerspuren und den Geschmack der Hölzer. Der Alkohol ist spürbar, brandet aber nicht hoch. Die Bitternis vom Vortag ist nahezu gänzlich verschwunden, die dunkle Frucht hat vollends die Oberhand gewonnen. Präsente Säure, die überaus kraftvoll gegen die Frucht hält — mir ist sie aber fast eine Spur zu dominant. Abgeschmolzenes, nur leicht stumpfendes Tannin. Auch hier hat die Belüftung für mehr Harmonie gesorgt. Der Wein endet deutlich mittellang mit rauchiger Holzwürze, dunklem Nougat, etwas schwarzem Pfeffer und einem Korb voller dunkler Waldfrüchte.
Diesen Wein als Charakterkopf zu bezeichnen, wäre für ihn etwas zu viel der Ehre — dafür erscheint er doch ein wenig zu sehr gemacht — wenngleich auch gut! Man gebe ihm viel Luft und etwas Fleischbegleitung zur Seite, dann wird er auch bei Ihnen zum gern gesehenen Gast werden. Offen verkostet, über zwei Tage getrunken.
Im Fachhandel bezogen, 13 Euro, 85 Punkte (sehr gut), ab Herbst 2010 bis 2012