Chateau Rieussec Sauternes, 1982
Es gibt Probleme, die gibt es gar nicht. Kürzlich konnte ich ein solches lösen. Genauer gesagt, drehte es sich um eine goldgelbe Flasche, die da im Keller schlummerte. Es war ein Geschenk von einem lieben Freund, für das wir uns die Auflage setzten, es uns an einem schönen zweisamen Abend zu genehmigen. Doch wann trinkt man zu zweit eine große Flasche Sauternes? An Weihnachten lebt man kulinarisch eh extrem, sagten wir uns, und zogen das Juwel an Heiligabend auf.
Nicht erst im Glas, schon in der weißen Flasche schimmert dieser sichtbar gereifte Süßwein in einem schönen, an Bernstein erinnernden Orange. Zum Glasrand hin wird er heller, der Wasserrand ist aber erstaunlich schmal. Die Nase ist ziemlich zurückhaltend, lediglich etwas kandierte gelbe Früchte, noch mehr Mandarinenschalen und auch etwas Alkohol. Was dann aber im Mund geschieht, ist ein Knaller. Der Wein fließt ganz dickflüssig über die Zunge, nicht jedoch wie man es kennt viskos und sirupartig, vielmehr wirkt die Frucht ganz dicht konzentriert wie bei Orangennektar. Auch die Aromen passen dazu — jede Menge vor reifem Saft strotzende Orangen und Blutorangen, Mandarinen, dazu Mandeln, zwischendurch auch mal ganz lang feinste vanillisierte Aprikosenkonfitüre. Der Abgang ist sehr lang auf den gelbfruchtigen Aromen.
Wunderschön wirkt die Reife des Weins — der Zucker hat sich in mineralische, ungemein fruchtig schmeckende Honignoten gewandelt. Für Frische sorgen weit im Hintergrund Nuancen von exotischen Zitrusfrüchten und eine äußerst fein zergliederte, schon recht reife Säure. Insgesamt wirkt der Wein eher schwer und ungemein konzentriert, fast likörartig, und ist trotzdem durch seine fruchtsaftartige Konsistenz und sein tolles Aromenspiel enorm animierend.
So war die Flasche dann am dritten Abend doch schneller ausgetrunken als geplant. Unnötig zu erwähnen, dass der Wein zwischendurch in keinster Weise abgebaut hat, lediglich seine Aromen schienen ständig zwischen Orangen und Aprikosen hin und her zu pendeln, was aber wohl vor allem der wechselnden Trinktemperatur geschuldet war.
Es bleibt zu sagen, diese Flasche war ein Weinerlebnis. Wir konnten damit das Phänomen Sauternes etwas entmystifizieren. Man sollte ihn genießen wie eine Zigarre. Sich Zeit nehmen, ihm seine ganze Aufmerksamkeit schenken und sich nicht verrückt machen, wenn man den Geschmack fürs Erste nicht mehr los wird. Danke Dir, lieber Schenker, für diesen tollen Trip!
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