Chateau Gruaud Larose St. Julien, 1982
Das Deuxiémes classe-Chateau steht mittlerweile wohl etwas im Schatten von Las Cases, Léoville-Barton oder Ducru und i.d.T. entsprechen die Weine in den 90ern nicht ihrem Classés. Unbestritten verfügt Gruaud aber über das notwendige Terrior großartige Weine zu erzeugen und seit einigen Jahren scheint es wieder aufwärts zu gehen, will man den Beschreibungen und Bewertungen der üblichen Verdächtigen glauben. Aber dies musste uns an einem Freitagabend nicht interessieren, denn es stand blind der 1982er auf dem Tisch. Eines der besten Jahrgänge von Gruaud und wir sollten nicht enttäuscht werden.
Sehr dichtes Granatrot mit undurchsichtigem Kern und feiner Randaufhellung. Ein wunderbarer weicher, verspielter und dichter Bordeaux-Duft strömt aus dem Glas. Reife Cabernet-Würze mit vermehrt Brombeeren und viel Pflaumen. Auffällig ist die leicht süßliche Lakritznote – sehr betörend. Daneben noch Anklänge von Leder und feinem Zigarrentabak, ein willkommener Kontrast zu all den lieblichen Fruchtdüften.
Im Mund bestätigt der Wein die hohen Erwartungen der Nase. Der Antrunk ist sehr harmonisch und konzentriert zu gleich, wird aber in keiner Phase breit oder schwer. Ein Früchtekorb mit einer ganzen Menge Cassis, eingelegten Pflaumen und ein paar Blutorangen vermischt sich mit einer vielschichtigen noblen Holzwüze. Wieder viel Lakritz, daneben Waldpilze, etwas Räucherspeck und Tabak. Die Säure ist perfekt eingebunden. Der Wein hatte ursprünglich sicherlich massive Tannine, die aber über die Jahre ihre Krallen eingezogen haben und nun dem Wein Kraft und Schmelz zugleich geben. Sie sorgen für eine gutes Gerüst und einen straffen Verlauf. Sehr langer, geschmacksschöner Nachhall. Nach jedem Schluck fühlt man sich erfrischt und hat sofort Lust wieder das Glas zu heben. Ein ausgezeichneter Gruaud, dessen Komponenten sich nach nun fast 30 Jahren in einer spannungsgeladenen Harmonie gefunden haben. Die vorhandene Süße verleiht dem Wein eine besondere Trinkigkeit und lenkt davon ab, dass es ihm ein Hauch an Tiefe und Komplexität fehlt für noch höhere Bewertungen. Zwei Stunden vorab geöffnet, nicht dekantiert.
Vom Fachhandel, 125 Euro (0,375 Liter Flasche), 93-94 Punkte, jetzt bis 2020