Chateau Leoville Las Cases St. Julien, 1982
Nein, ich habe nicht auf ein solches Weinerlebnis gewartet, um meine Schreiberei auf diesem Blog nach etwas Abstinenz wieder aufnehmen zu wollen – aber, das sei zugegeben, hierzu zu schweigen – nein, das wäre nun auch nicht angezeigt gewesen.
Blind kam dieser Wein auf den Tisch – und doch, weder geographische Herkunft noch seine Abstammung selbst konnte dieser Wein lange verbergen…
Dunkles Karminrot, nur leichte Aufhellungen zum Rand hin. Kein Wasserrand. In der Nase eine unaufdringliche, hochkomplexe Eleganzvielfalt aus Kaffee, Eukalyptus, roter Frucht, dann Toffee, frisch geöffnete Cigarbox, auch etwas Lorbeer. Neben den süßlichen Komponenten auch eine kontrastierende, strengere Note, die an rohes Fleisch erinnert. Diese Komponenten auf eine fast süchtig machende, feine Weise mitander verschichtet, es ist eine schiere Freude.
Im Mund trumpft der Wein auf mit einem Mundgefühl aus flüssiger Seide, hocharomatisch, Hagebutte, rote Kirschfruch, feinste Schokosplitter, verwoben und komplex mit mittlerem Körper, stilistisch eher fein und elegant. Auch hier Aromen, die an Blut oder Eisen erinnern, aber bitte, dies in einer Art und Weise, die dem Wein nur noch mehr Komplexität vermittelt. Frische gebendes Säuregerüst, das dort sützt, wo es sollte, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Baut im Glas weiter aus. Eine fast schon unerhörte Harmonie ist bei diesem Wein das herrausstehende Merkmal; ein Wein der eher leise Töne spielt, dies aber in nahezu perfekter, eleganter Vollendung.
Nahezu perfekt, denn allein im langen Finale findet sich etwas zu mäkeln, und hier lässt sich dann die Herunterstufung (von der ich erst nach dem Aufdecken erfahre) vom ehemaligen 100-Punkte-Wein vom Maryland Bob gen 95 Punkte nachvollziehen. Das feine Tannin trocknet eine kleine Spur zu sehr, um hier noch dreistellig unterwegs sein zu können. Das Niveau bleibt aber trotzdem in der Abteilung „groß“, denn es gibt dem Wein haptisch etwas, woran ich mich an diesem Abend einfach nicht nachhaltig zu stören vermag – es gibt dem Wein Charakter, wenn auch zugegeben, einen minimalen Hauch zu viel. Die Frucht nimmt der Wein mit ins lange Finale und lässt sie auch dort nur langsam verklingen.
Was bleibt, ist nur ein Eindruck: das ist ein echter Referenzwein. Und das Bedürfnis für ein eindrückliches Merci für dieses Weinerlebnis.
Im Fachhandel nachkaufbar, ca. 400 EUR, 97 Punkte (groß), jetzt bis 2018