Chateau Cheval Blanc 1er Cru Saint Emilion, 1993

Chateau Cheval Blanc 1er Cru Saint Emilion, 1993

Überraschend jungendliches Schwarzkirschrot mit bläulich-violetten Reflexen, nur am Rand zeigen sich zaghaft erste Aufhellungen, mitteltiefe Intensität mit durchscheinenden Kern. Die Nase macht sofort an. Sie ist vollständig aufgeblüht, es überwiegen feine rote und dunkle Beerenfrüchte. Eindrücklich auch die noble Holzwürze nach Kokos und fein-herber Dunkelschokolade. Die Frucht pendelt aufregend ständig zwischen Schattenmorellen, Cassis und reifen Pflaumen. Die gleichen Anteile von Merlot und Cabernet Sauvignon zeigen sich hier schulmäßig. Bisweilen auch Anklänge nach Bleistiftspitze, Pfeffer und Kerbel. Ich könnte die ganze Zeit nur an ihm schnuppern. In der Nase großer Stoff.

Auch im Mund ein überaus fruchtbetonter Wein, was für dieses Jahr sehr erstaunlich ist. Schließlich befinden sich die meisten 93er schon lange im Abstieg, von der Fruchtphase mal ganz zu schweigen. Dieser hier bietet von Beginn saftige Schattenmorellen und Cassis, die er auch bis zum Schluss mit viel Frische und Extraksüße durchhält. Kräftiges, aber gut eingebundenes Säuregerüst verleiht dem Wein ein Hauch von jugendlicher Frische, vertreibt aber auch ein wenig Charme und Opulenz. Dadurch liegt dem Wein eine gewisse Strenge inne, oder gar Sehnigkeit vernehme ich. Zum Glück gibt das Holz dem Wein Volumen, dank einer Menge Süßholz, noblem Schokoladennoten und ein Hauch Zedern. Nach einer längeren Weile im Glas gesellen sich süße Tabaknoten hinzu. Im hinteren Verlauf leider eine Ahnung grüner Paprikanoten, dass den Cheval dann wieder etwas strenger werden läßt. Wer den Wein mit den Erwartungen aufzieht hier einen typischen St. Emilion, mit der typischen Opulenz und seidig-schmeichelnden Struktur zu haben, wird vermutlich enttäuscht sein. So recht stören kann ich mich aber nicht daran. Cheval ist nun mal wegen seines hohen Cabernet-Anteils kein üblicher St. Emilion-Wein. Man möge mich nicht missverstehen, der Wein bietet durchaus eine schöne Fruchtsüße und ausreichend Struktur und Körper. Die Tannine sind auf den Punkt ausreichend integriert – kaum noch adstringierende Wahrnehmung, trotzdem noch hinreichend strukturgebend. Trotzdem fehlt im die letzte Tiefe, Süße und Seidigkeit. Im langen Nachhall erneut viel Frucht und Kräuterwürze mit feinen mineralischen Anklängen. Ein perfekter Vertreter für jedes Sensorikseminar mit viel Trinkspaß. 93 war das letzte Jahr in dem der Wein zu akzeptablen Preise auf den Markt kam. Heute im Nachkauf deutlich im dreistelligen Bereich. Ob dies für einen solchen Wein gerechtfertigt ist, darüber läßt sich trefflich streiten, aber ein gehobener, ja nobler Genuß ist es auf alle Mal. Zu recht ein 1er Grand Cru.

Vom Fachhandel, 93 Punkte (ausgezeichnet), jetzt bis 2018

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