Weingut Wittmann Riesling Westhofen Aulerde GG, 2010
Bei der Jungweinverkostung der Großen Gewächse 2010 hatte ich bei diesem Wein den Eindruck, dass es meinem Geschmack eher entgegen kommen würde, diesen Wein jung zu trinken, weil mich die Vermutung geleitet hat, er könne mit weiterer Reife seine (trotz Jugend schon erkennbare) Botrytisnote später zunehmend betonen. Natürlich ein Stück weit Spekulation, aber nach den letzten Erfahrungen mit einigen 2006er-GG eine vielleicht – für meinen Gaumen – nicht ganz unbegründete Annahme…
Und so kam es, dass diese Aulerde trotz Ihrer Jugend schon entkorkt wurde. Bei dem Spass, den ich mit dem Wein sodann über die Folgewoche hatte, beileibe keine schlechte Entscheidung.
Wittmanns Aulerde ist in seiner jugend meistens das unspektakulärste GG im Direktvergleich zu Wittmann Kirchspiel und Morstein – auch in diesem Jahr stand er ein wenig hinter den vorgenannten Weinen zurück. Überraschenderweise habe ich aber schon mehrfach erleben können, dass die vermeintlich im Vergleich „kleinere Lage“ doch einen langen Atem beweist und richtig gut reifen (und im Alter zulegen) kann. Von daher: vielleicht ist der Jahrgang 2010 dann auch eine gewisse Ausnahme. Oder ich täusche mich einfach und lasse mich 2020 eines Besseren belehren…
Helles goldgelb. Eine ungemein expressive und zugängliche, jugendlich wilde Nase nach exotischen Früchten, insbesondere Passionsfrucht und reifen gelben Pfirsich vernehme ich, Mandarinencreme und etwas Zitronenzeste. Sehr spannungsgeladen ist sie, diese durchaus als komplex zu bezeichnende Nase. Eine Vielfalt, die von herb-grünen Äpfeln noch ergänzt wird, Zitronenmelisse, zudem metallische Noten, als hätte die Frucht in einer Dose überwintert. Ein bunter, vielfältiger Korb an Eindrücken.
Ein vollmundiger Antrunk, eine leicht cremige Essenz schwingt hier mit, dann aber kippt der Wein zunehmend ins metallisch herbe, wird immer zunehmender mineralisch, um einen dann doch im weiteren Verlauf wieder mit seiner malzigen, leicht honigartigen Cremigkeit für sich einzunehmen. Da ist sie, die Botrytis. Sie bleibt aber eher dezent, denn der Wein schiebt noch betonend seine Passionsfrucht durchs Glas, flankiert von einer Spur dunkler Beeren. Die Säure? Rassig, etwas kantig und präsent, dabei aber viel Pikanz vermittelnd – und insbesondere nicht grün oder überbetonend unangenehm. Ganz im Gegenteil, sie federt den durchaus vorhandenen Restzucker dieses Weines sehr gut ab. Langes rassiges Finale, von Frucht und mineralischer Herbe getragen.
Ein sehr ernsthafter Wein in toto, ich hatte zunächst ob der cremigen Eindrücke und seiner Süße etwas Bedenken – diese hat der Wein aber zunehmend ausgeräumt. So bleibt dies ein sehr strukturierter, voller Wein, der seinen Spannungsbogen von vorne bis hinten durchzieht. Keine Delle auch nach einer Woche in der Flasche, stattdessen ein satter, nicht wirklich eleganter, aber sonorer Sound. Und wie ich eingangs schrieb: in diesem Stadium ein großes Vergnügen. Ich bleibe (heute) dabei: diese Aulerde trinke ich jung. Wer mich eines besseren belehren will: ich habe in 2020 bestimmt noch einen Abend frei…
Im Fachhandel, 24,50 EUR, 91 Punkte (ausgezeichnet), jetzt bis 2016