Peter Jakob Kühn Riesling Doosberg 3 Trauben, 2005
Dunkles goldgelb. Dieser Doosberg hat eine schier ausladende Nase, sie bietet in gewissem Maß eine Reizüberflutung: einerseits florale Blütentöne, dann aber grüner Tee, wechselnd zu Trockenkräutern, sich verändernd in Richtung Mokka, um dann zu mürbem gelben Apfel zu changieren – und zu guter Letzt gesellt sich dann noch ein feiner Malz-/Honigton hinzu. Über diese vielfältigen Eindrücke unterschiedlichster Couleur legt sich ein allumspannendes Netz von flintigem Schießpulverduft, so, wie man es von den Kühn-Weinen in der Dreitrauben-Selektion kennt. Das braucht Ruhe und Geduld auf Konsumentenseite – aber es wird belohnt: was füe eine wunderbare Nase.
Barocker Auftakt im Mund, der Wein ist hochkonzentriert – aber er wird nicht undefiniert süß. Natürlich hat dieser Wein jede Menge Fruchtextrakt zu bieten, aber süßlich erscheint er beileibe nicht. Es macht vielmehr den Eindruck, dass dieser Wein sich nicht entscheiden kann – Rubens-hafte Fruchtstruktur und Dichte auf der einen Seite, mineralische Askese auf der anderen Seite. Die Wahrheit bzw. konkreter: die Eindrücke im Mund, sie liegen zwischen diesen Polen, und der Wein nimmt beide Extreme jeweils bis zum Anschlag mit.
Im weiteren Verlauf zeigt sich somit reife Apfelfrüchte, der Wein verweilt aber nur kurz bei seiner Fruchtigkeit, weil er sich schnell auf die mineralische Seite schlägt. Dunkles Gesteinsmehl in gesättigter Lösung, fast schon ins Herbe gehend, dazu wieder Noten von schärfebefreitem Wasabi und grünem Tee, aus dem Nichts dann mit Verweildauer im Glas wird der Apfel ersetzt durch eine reife gelbe Steinfrucht, diese mariniert in einer Kräuteressenz. Durchgehend: eine steinige Herbe, die dem Wein nur bedingt Charme verleihen kann – es vermutlich aber auch gar nicht soll.
Der Doosberg hat eine sehr ruhige, getragene Säure – auch sie ist es, die dem Wein einen tiefenentspannten Charakter verleiht, der eher an ein Moll-Musikstück denken lässt. Sehr nachhaltig bis ins mittellange, allein von mineralischen Aromen geprägte Finish. Seine 13,5 % Alkohol verstaut er mühelos in einer Felsspalte.
Der Wein dürfte sich auf dem Höhepunkt befinden und hier noch für zwei bis drei, vielleicht auch mehr Jahre verbleiben. Reifetöne hat der Wein zwar noch keine, ich möchte aber die Fruchtnoten, die mit weiterer Reife vermutlich weniger vernehmbar werden, hier nicht missen – deshalb ein eher konservatives Trinkfenster (nach meinem Geschmack).
Was bleibt? Dieser Wein ist ein Charakterkopf für eine ruhige Stunde, der dem Trinker die volle Aufmerksamkeit abverlangt – ganz weit weg von „easy drinking“ & gedankenlosem Trinkspaß. Mir persönlich gefällt er etwas beausser, wenn er unter 10 Grad Trinktemperatur bleibt. Ist schließlich gut für die Figur, wenn man sich öfter zum Kühlschrank hin bewegt: und das ist wirklich ganz sicher – hier läuft man, wenn auch nicht an jeden Tag!
Nachtrag: der Wein hat binnen weiterer 24 Stunden in der geöffneten Flasche nochmal hinzugewonnen und zeigt nun noch mehr fokussierte Struktur. Von daher ist eine Aufwertung von 92 auf 93 Punkte absolut gerechtfertigt. Ausreichendes Belüften lohnt hier also.
Chapeau, Herr Kühn!
Aus dem Fachhandel, 26 Euro, 93 Punkte (ausgezeichnet), jetzt bis 2017