Weingut Seeger Blauer Spätburgunder trocken »R« Heidelberger Herrenberg, 2011
Ganz im Norden des Südens liegt eines dieser kleinen Weinbaugebiete, das irgendwie nur Insider auf dem Schirm haben. Die Badische Bergstraße ist wunderschön am Westhang des Odenwalds gelegen, man kann in die Pfalz und nach Hessen hinübergrüßen. Das Bild bestimmen hier Genossenschaften und Nebenerwerbswinzer, große Namen kennt man hier nicht, bis auf einen: das Weingut Seeger, dessen sämtliche Rebflächen im Leimener und Heidelberger Herrenberg liegen. Als erster und alleiniger Winzer von der Bergstraße ist Thomas Seeger seit 2010 Mitglied im VDP und hat den Herrenberg damit in den Kreis der Ersten Lagen gehoben. Herausragende Weine macht er aber schon seit fast dreißig Jahren. Thomas Seeger setzt nicht auf Wachstum, sondern auf eine tiefe Verbundenheit und liebevolle Pflege seiner Lagen. So ist das Weingut in seiner immerhin dreihundertjährigen Geschichte auf nicht mehr als gerade mal zehn Hektar angewachsen. Die Sündenfälle der siebziger und achtziger Jahre ließ man hier aus. Schon seit vielen Generationen werden die Rebflächen – man nennt es ja noch gar nicht lange so – ökologisch bewirtschaftet und schonend ausgebaut.
Die Paradeweine sind die Spätburgunder vom Muschelkalk. Mit ihnen hat Thomas Seeger schon seit Jahren einen festen Platz in der ersten Reihe der deutschen Burgunder-Winzer. Probiert man den Wein, wird eines klar: Auch wenn der Winzer die Weine trockener, dichter und burgundischer gemacht hat, der Weinstil ist traditionell geblieben. Im Glas schwenkt unverkennbar hochwertiger deutscher Spätburgunder, in seiner ernsthaften, schönen Form, mit Extrakt, Kraft, Würze, Samt und Rauch. Die Weine sind, wie sie sind, mit Mineralität und Tiefe. Sie biedern sich nicht an, sie explodieren nicht gefällig im Mund, sie fordern, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt. Dabei sollte man die Flasche einige Jahre liegen lassen. Das gilt zumindest für die hochwertigen Reserven. Der »R« und »RR«, die aus den Parzellen Spermen bzw. Oberklamm stammen und seit Kurzem jetzt auch beide das Prädikat Großes Gewächs tragen, reifen um die 20 Monate in neuen französischen Barriques. Ebenso der »RRR«, den es nur in ausgewählten Jahrgängen gibt und der dann schon jenseits von hundert Euro kostet.
Also, gut Ding will Weile haben. Um diese These zu bestätigen, ziehe ich den »R« aus der Parzelle Spermen jetzt schon auf. Wie sich die gereiften Spätburgunder von Thomas Seeger präsentieren, wird aber auch bald hier nachzulesen sein. Jetzt geht es erstmal diesem jungen Großen Gewächs an den Kragen, auch wenn das im Jahr 2011 so noch nicht auf dem Etikett stand.
Der 2011 »R« ist rubinrot, hat dunkelblaue Reflexe, tiefe Farbe, jung schwenkt der Wein im Glas. In der Nase dunkler Rauch vom Barrique, ein tiefer Zug schwarzer Beeren, viel Bleistift, dazu eine holzsüße Note von Milchschokolade. Was gefällt ist die tiefe, saubere Beerenfrucht, die ganz ordentlich von Graphit- und Holztönen umwölkt wird. Eine leicht herzhafte Note, ordentlich Röstigkeit, ein Hauch von Weihnachtswürze verrät ihn als deutschen Spätburgunder. Im Mund strömt die junge, bisweilen noch herbe Rauchigkeit aus dem Wein, die Unruhe der Gerbstoffe. Dahinter gelangt man an das trockene schwarze, auch etwas rote Beerenkonfit. Herbe Aromen beherrschen den Wein weiterhin, Walnuss, Kräuter, Graphit, Gerbstoffe, auch ansatzweise Leder. Dem stehen eine saftige Säure, dichtes Extrakt und ein wahrlich sehr schöner Schmelz gegenüber. Der Wein wirkt konzentriert, bleibt aber im ganzen Verlauf konsequent trocken, auch hält er gut die Spur. Der Aromakern ist noch fest, kompakt jugendlich mit Potenzial für Reife. Auch im schon ansatzweise langen Abgang ist der Wein herb, kräuterwürzig und mineralisch, erneut Noten von kaltem Rauch. Ein maskuliner Stil, keine Süße, nuancierte Primärfrucht. Dieser Wein meint es ernst. Wenn er sich in vielleicht fünf, sechs Jahren entspannen wird, sich die Rauchigkeit legt, die Herbheit des Tannins etwas zurückgeht und die Gerbstoffe abschleifen, wird das mit Sicherheit ziemlich schön. Denn betörend und komplex wirkt die Frucht jetzt schon. Wenn ihr die ganze Bühne gehören wird, wird hier Ausgezeichnetes in der Flasche schlummern.
Vom Weingut, etwas über 30 Euro, 89+ Punkte (sehr gut), frühestens 2018 aufziehen