
Der Riesling Jahrgang 2015 auf der VDP-Weinbörse in Mainz
Nach einigen viel zu frühen Unkereien und Streitereien in diversen Blogs und sozialen Medien kann man es nun endlich sagen: Der Jahrgang 2015 ist sehr gut ausgefallen, in allen Gebieten, für die Weißweine und insbesondere für den Riesling. Das zeigen längst nicht nur meine Verkostungsnotizen in diesem Bericht. Darüber sind sich alle Probanden einig.
Winzer aus allen Gebieten berichten das Gleiche: Im Winter gab es reichlich Niederschlag, was für gute Wasserreserven sorgte. Der Frühling startete früh. Doch blieb es, entgegen dem Klima in den Vorjahren, eine ganze Zeit lang kühl, was den Reben gut gefiel. Erst im Juli zog dann so richtig der Sommer ein. Wochenlange Hitze und vor allem Trockenheit führten stellenweise zu so viel Stress, dass die Reben in manchen Gebieten und Lagen das Wachstum einstellten. Das führte stellenweise dazu, dass die Beeren auch noch in Folge recht klein waren, aber in den nächsten Wochen bei nahezu idealem Wetter mit nur noch kurzen heißen Episoden sehr gut ausreifen konnten.
Zur Lese gab es dann fast überall optimale Bedingungen, weitgehende Trockenheit, warme Tage und kühle Nächte. Im Süden zogen die Öchsle an, daher wurden die Trauben früh geerntet. In nördlicheren Gebieten konnte man in den günstigsten Lagen durch das anhaltende trockene und sonnenreiche Wetter, einigermaßen Wind mit kühle Nächte förmlich nach Wunsch lesen und Trauben auf den Punkt zum Ausreifen hängen lassen. Negative Vorlese oder Auspflücken am Stock waren vielerorts kaum erforderlich, und während die Beeren reifer wurden, sanken nicht ihre Säurewerte. Unterm Strich zählt 2015 wohl als warmes Jahr, aber eben nur warm, nicht zu trocken, und von genügend kühlen Phasen unterbrochen. Und somit zählt es eben nicht wie 2003 oder 2005 als säurearmes Jahr. Die Säure hat in keinster Weise gelitten, die Reife litt nur bei den Winzern, die viel zu früh ernteten.
Wie schmeckt der Riesling Jahrgang 2015?
Das Ergebnis, das man auf der VDP-Weinbörse in Mainz Ende April verkosten konnte, spiegelt das Wetter sehr gut wider: Die Weine haben eine sehr präsente, teils sogar hoch stehende, aber meist sehr reife, weinige Säure, hohes Extrakt und durchaus auch mal etwas Restsüße, was mit der ausgeprägten Säure harmoniert, oder alternativ in einem Fähnchen Alkohol resultiert. Oft wurden die Beeren aber früh genug gelesen. Man findet kaum hohe Öchsle-Grade und häufig eine frische Ader in den Weinen, eine animierende Saftigkeit und eine saubere Frucht. Mit anderen Worten, 2015 ist ein sehr gutes, vielleicht sogar ausgezeichnetes Jahr, und das fast ohne Stress. Wenn man in die Gesichter der Winzer schaute auf der Weinbörse, schien es so, als könnten sie ihr Glück noch immer nicht fassen und würden noch immer den Haken daran suchen.
Den gibt es aber nicht. Was es gibt, sind strahlende Weine, und zwar sehr viele davon, in allen Anbaugebieten, in allen Prädikaten. Einigen Weinen aber kommt der Jahrgangsstil entgegen und diese haben dann richtig Größe. Vor allem ist der Riesling Jahrgang 2015 ein Kabinett-Jahrgang. Vergesst das tänzelnde Möselchen, hier kommen rassige, pikante, strahlende, knackige, leichte Weine, die allzu Leichtbesaitete mit einem säurereichen Griff auf die Matte legen. Das Dreamteam aus dieser Kategorie heißt für mich Geltz-Zilliken, van Othegraven, Schloss Lieser und Peter Lauer. Und natürlich der Kabinett aus dem Felseneck von Schäfer-Fröhlich, wo der wirklich schon etwas irre Säurezug aber mittlerweile jedes Jahr Programm ist. Unter den besten werden sicher noch andere Kabinette sein, von denen wir hoffentlich noch viele auf diesem Blog besprechen werden.
Im trockenen Bereich stehen aus meiner Sicht vielleicht Rheinhessen, Nahe und Saar am besten da, aber wirklich nur um eine Nasenlänge. Franken ist ebenfalls ganz oben dabei, zu fränkisch trocken kommen 2015 auch fränkisch salzig und fränkisch pikant. Auch im Rheingau und in der Pfalz ist die Säure bis auf bei wenigen Ausnahmen sehr präsent, hat aber weniger Schärfe, Baden und Württemberg kommen klassischerweise stärker über das Aroma als über die aber auch dort mehr als hinreichende Säure.
Das alles hier rufe ich nur auf mit einer Verkostung ausgewählter Weine von ausgewählten Weingütern. Ich beschreibe dabei nur, was für mich aussagekräftig war. Einige verschlossene oder ausdruckslose Weine, von denen es aber nicht viele gab, lasse ich weg.
Riesling Jahrgang 2015 – Die besten Weine
Für alle, denen dieser Text zu lang wird, in Folge die Weine des Tages, die mich besonders glücklich gemacht haben. Jeder dieser Weine ist nicht nur sehr gut, sondern bietet wirklich etwas Besonderes. Wer also die Gelegenheit hat, sie zu verkosten oder sich ein paar Flaschen zuzulegen, wird es ziemlich sicher nicht bereuen.
Gutsrieslinge
- Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan Auf der Mauer Riesling trocken
- Weingut Andreas Laible Riesling trocken
- Weingut Emrich-Schönleber »Lenz« Riesling trocken
Ortsrieslinge
- Weingut Wagner-Stempel Fürfeld Melaphyr Riesling trocken
- Weingut Emrich-Schönleber Monzingen »Frühtau« Riesling trocken
- Weingut Künstler Hochheimer Domdechaney Riesling Kabinett trocken
Lagenrieslinge
- Weingut Schäffer Escherndorf Lump Riesling trocken
- Joh. Bapt. Schäfer Burg Layen Schlossberg Riesling trocken
- Peter Lauer Ayler Kupp »Stirn« Riesling feinherb
Kabinette
- Forstmeister Geltz-Zilliken Saarburger Rausch Kabinett
- Weingut van Othegraven Herrenberger Kabinett
- Weingut Schäfer-Fröhlich Bockenau Felseneck Kabinett
Rheingau
Fritz Allendorf
Zuerst zog es mich zu Fritz Allendorf, weil ich die Weine noch nicht kannte. Die Rieslinge zeigten sich gar nicht so typisch pikant für den Jahrgang, sie sind stattdessen auffällig extraktreich, zeigen hinreichende Frische, neigen zu einem Quentchen Restsüße und haben aber vor allem eine sehr saubere, strahlende, gewinnende Frucht.
Schon der Riesling trocken legt ordentlich geschmackvolles Extrakt ins Glas, bietet klassische weiße Pfirsicharomen, ist nicht ganz trocken und damit ein ziemlich attraktiver, trinkanimierend und viel bietender Gutsriesling.
Spannungsvoller und mineralischer macht es der Riesling Kabinett trocken. Die Frucht dreht in Richtung saurer Apfel, wieder ordentliches Extrakt, dazu eine sehr reife und damit bekömmliche Säure. Der Riesling Kabinett zeigt Strahlkraft mit Aromen von Apfel, aber auch roten Johannisbeeren, eine saubere, sehr delikate Frucht mit einer guten Portion Restsüße.
Interessant ist der Rote Riesling trocken mit seiner ausgeprägteren Struktur. Rotbeeriger, gerbstoffiger, rotwangiger Apfel, präsentes Mundgefühl, schönes Frucht-Säurespiel, nachhaltig, wie ich es von rotem Riesling sonst nicht kenne. Ein interessanter Wein für alle, die viel Struktur mögen, vielleicht ein Weißwein für Rotweintrinker.
Was im oberen Bereich möglich ist, zeigt der Winkel Jesuitengarten Riesling Großes Gewächs 2014. In der Nase nussig in allen Variationen: Nussjoghurt, Nougat, dabei aber kühl und mineralisch. Im Antrunk geht das so weiter, wieder Nuss-Nougat-Creme, dazu eine schöne Apfelfrucht, gute Dichte, pikante Säure und ordentlich Spannung. Ein ungewöhnliches, früh zugängliches, geschmackiges Großes Gewächs, obendrein gut bezahlbar für 25 Euro.
Weingut von Oetinger
Aus purer Neugier landete Achim von Oetinger auf meiner Verkostungsliste. Was ich vorfand, waren sehr puristische, geradlinige Weine. Zuerst ein Müller-Thurgau trocken, der mir als Riesling eingeschenkt wird und mir tatsächlich außergewöhnlich nussig und gemüsig vorkommt, aber trotzdem einen guten Säurebiss und gute Straffheit hat. Das weitere Line-up ist kurz und straight. Achim von Oetinger macht keine Ortsweine, sondern nur drei sehr hochwertige Gutsweine, die alle drei ein eigenes Gesicht zeigen, Gesteinsweine eben.
Der Lösslehm Riesling trocken ist fruchtbetont auf weißer Kernfrucht, dazu frisch geschnittene Kräuter, trockener Stil, mittlere Säure, sehr rund. Der Mineral Riesling trocken wird seinem Namen treu, sehr kompakter Auftritt, nur ein Hauch von Zitrus, dafür aber viel Salz und Stein und gute Länge. Der Wein, den der Winzer, wie er sagt, eher weniger schätzt, gefällt mir am besten. Der Tradition Riesling trocken hat Schmelz, viel Würze und einen Touch vom Holz. Auch mit einem kleinen Zuckerle ist er vielschichtig und nachhaltig und damit sehr komplett. Der Winzer sagt, bei dem Wein würde er einen Kompromiss für die Weicheier machen. Finde ich gut!
Weingut Künstler
Gunter Künstler hat wieder mal ein besonderes Jahr in die Flasche bekommen, auch wenn das ja hier in den letzten Jahren schon normal ist. Die Weine sind aber nicht »nur« verdammt gut gemacht, der Jahrgang scheint Ihnen tatsächlich entgegenzukommen. Mit ein wenig Opulenz können sie sowieso umgehen, und die steht ihnen ja auch gut. Die pikante Säure puffert dieses Jahr aber besonders effektiv dagegen an.
Spannung zeigt daher schon der enorm gelungene Riesling trocken, für mich einer der besten Gutsweine an dem Tag. Viel Extrakt und Saft, ganz klassisch Steinfrucht, Steinwürze und das für Jahr und Wein typische Zuckerschwänzchen. Wer es gerne mineralisch mag, kann auf den Hochheimer Herrnberg Riesling trocken zurückgreifen. Limette, Salz, Steinmehl, Salz, Mineralität, Salz, dabei geradlinig und kühl und mit einem durchaus, ich habe es bereits gesagt, salzigen Spiel.
Ein Kontrastprogramm ist der Hochheimer Hölle Riesling Kabinett trocken. Feine Maracuja, weißer Nougat, alles beschwingt und kühl, hier jetzt wahrlich tänzelnd, hinten dann mit einem kräftigem Nachhall. Was für ein Weinwert und für mich einer der Best-Buys an diesem Tag. Da steckt geschmacklich ganz schön viel Hölle drin! Der Hochheimer Stielweg Riesling trocken zeigt sich leider verschlossen, nicht so der Hochheimer Domdechaney Riesling trocken. In der Nase eine feste Kernfrucht, im Antrunk dann aber ein ganzer Korb saftiger, reifer Früchte, man schmeckt jedes Milligramm Extrakt, dabei bleibt der Wein trocken. Das ist noch expressiver als die Hölle, zugleich eleganter, wenn auch etwas weniger abwechslungsreich.
Peter Jakob Kühn
Peter Jakob Kühn brachte ganz konsequent nur sechs Weine mit, allesamt aus 2015. Verkostet habe ich nur den Oestrich Riesling trocken »Quarzit« . Der Wein wurde in den letzten Jahren quasi abgestuft und fiel der Sortimentsbereinigung zum Opfer. Jetzt steht er auf einer Stufe mit dem Jacobus und dem Rheinschiefer. Da gehört er meiner Meinung nach nicht hin, für mich bleibt er der Zwei-Trauben-Wein. 2015 ist er sehr pikant ausgefallen, aber ausdrucksstark, Limette, Kiwi, weiße Kirschen, ein starker kühler Zug durchweht den Wein. Ich glaube im Vergleich zu früher eine schlankere Struktur zu bemerken, aber Eleganz und Komplexität bringt er noch immer mit.
Domäne Schloss Johannisberg
Die Fassproben von Schloss Johannisberg zu verkosten ist immer irgendwie gleich. Die Weine sind geschliffen, die Frucht sauber, ein Touch Restsüße, nur die Säure ist in diesem Jahr vielleicht etwas nerviger. Ansonsten Riesling aus dem überaus niveauvollen Musterkatalog. Gut gefiel mir vor allem der Rotlack Riesling Kabinett trocken. Er ragt immer etwas heraus in seiner nervigen, etwas kargen und salzigen Art. Ein Wein mit mineralischem Skelett. Dieses Jahr so gut wie in jedem anderen. Gespannt sein darf man auf das Große Gewächs, den Silberlack, dem die etwas nervigere Säure des Jahrgangs sehr gut stehen dürfte.
Franken
Weingut Egon Schäffer
Ich bedaure es sehr, aber aus Franken konnte ich neben vielen Silvanern, zu denen ich mir aber leider keine Notizen machen konnte, nur zwei Rieslinge verkosten. Bei Egon Schäffer war ich aber auf keinen Fall an der falschen Adresse dafür. Das Weingut bewirtschaftet gerade mal 3,5 Hektar und lässt die Weine ungemein lange auf der Hefe liegen – wenn es sein muss, anderthalb Jahre und mehr. Dabei reifen kompakte und komplexe Gewächse heran. Die Fassprobe des Escherndorf Lump Riesling trocken gräbt sich ganz tief in den Gaumen ein, eine superknackige, extrem nachhaltige Säure. Irrer Zug, kühl, mineralisch, rauchig, salzig und pikant bei wenig Alkohol. Der Wein soll bei 6 Gramm Restzucker stehen geblieben sein, ich schmecke davon nichts. Ist er zu stark, bist Du zu schwach. Beruhigen soll er sich aber noch, man verkaufe die Weine am liebsten eh erst dann, wenn man sie gut trinken kann, so der Winzer.
Einen Eindruck davon, was aus dem Wein werden kann, zeigt die Escherndorf Lump Riesling Spätlese trocken 2010. In der Nase mineralisches Karamell, Kalk, Mokka, im Antrunk dezente kandierte Fruchtnoten, erdige Mineralität, steiniger Stil, fränkisch trocken, erste Reifetöne, viel Struktur. Der Wein ist jetzt, aber sicher auch noch in fünf Jahren sehr schön zu trinken. Solche Weine brauchen Zeit.
Nahe
Weingut Emrich-Schönleber
Gibt es eigentlich noch Jahre, in denen die Nahe nicht zu den Gewinnern gehört? Warum das auch 2015 wieder so ist, zeigt schon der Gutswein von Emrich-Schönleber. Der »Lenz« Riesling trocken kommt ja eigentlich immer recht unkompliziert und gerne auch mal feinherb daher. Etwas Restsüße hat er auch in diesem Jahr. Diese wird aber mitgerissen von der pikanten, ungeheuer salzigen Mineralität. Sogar die deutliche Säure wird dadurch gepuffert. Welch ein Weinwert! Und man kann das jetzt schon mit all seiner Unruhe sehr gut trinken. Einer meiner Weine des Tages.
Der stets etwas ambitioniertere »Mineral« Riesling trocken bleibt seinem Stil treu. Kräuterige, würzige Limetten-Aromatik, am Gaumen dann doch noch abgerundet mit weißer Steinfrucht, recht feste Struktur, trockener Stil, auch hier ist der Abgang schön steinig, mineralisch und vor allem pikant. Bewährte Qualität.
Das Frühlingsplätzchen bringt jetzt auch einen Ortswein hervor, den Monzingen »Frühtau« Riesling trocken. Mit der Umbenennung markiert das Weingut nun auch beim Frühlingsplätzchen einen Kompromiss mit dem VDP, damit die eigentliche trockene Spätlesen aus der Lage nicht aufgegeben werden muss. Und der Weine hat seinen Platz im Sortiment, braucht nicht so lange, um sich zu öffnen, und bringt trotzdem die Lage auf den Punkt. In der Nase grüne Früchte, frisch geschnittene Kräuter, duftige Handcreme, ätherische Öle, im Mund arbeite ich mich Schicht für Schicht durch eine Limette hervor, zuerst herbe, mineralische Noten, etwas bitter, dann wird es immer saftiger, die Frucht strahlender, und die reife Säure übernimmt das Kommando. Das Extrakt ist hoch, der Abgang hat Länge und ist recht herb. Was ein dichtes Paket. Das kann sicher gut reifen.
Der Monzingen »Halgans« Riesling trocken aus dem Halenberg hingegen macht bereits komplett zu, ist abweisend, verschlossen, bietet kaum mehr als seine ungeheuer feste Struktur, das ist zur Zeit pures Steinelutschen. Zur Versöhnung landet dann aber der Monzingen Halenberg Riesling »R« 2012 im Glas, der erst 2015 in den Verkauf gekommen ist. Auch hier eine tiefe Grüne-Kräuter-Nase, Limetten, sehr feine, verspielte, vornehm dezente Duftigkeit, fein dosiert gewürzt mit Botrytis, zarte Blüten- und Honignoten, im Mund dann ein supersaftiger Auftritt, zupackende Mineralität, im Verlauf bauen sich Schicht für Schicht Aromen von weißen Früchten sowie Honig- und Karamellnoten auf, langer Abgang. Ein strahlender Wein. Den normalerweise feinherben Stil finde ich nicht wieder, der Wein bleibt sehr in der Spur. 93 Punkte im Glas. Dass dieser Wein so gut ist, ist ja auch schon längst kein Gerücht mehr.
Weingut Schäfer-Fröhlich
Auch dieses Jahr präsentiert Tim Schäfer-Fröhlich die wildesten und unruhigsten Weine, die in mein Weinbörsen-Glas finden. Als trockene Rieslinge gibt es nur zwei seiner Gesteinsweine, beide als Fassproben. Der Schlossböckelheim Riesling trocken »Vulkangestein« ist wie erwartet sehr fest, verschlossen und würzig, sonst aber abweisend. Der Bockenau Riesling trocken »Schiefergestein« hat hinter den Spontiaromen etwas mehr Ausdruck. Rauchig, eine pikante, ins Scharfe übergehende Mineralität, vor allem aber eine ganz breite salzige Schicht. Enorm gut, enorm unentwickelt.
Ebenfalls im Köcher hat Tim Schäfer-Fröhlich eine Fassprobe vom Bockenau Felseneck Riesling Kabinett, der seit ein paar Jahren irgendwie für eine Neuerfindung dieses Prädikats steht. Tänzeln tut hier wirklich nichts, der Wein ist enorm rassig und sehr ungestüm, mit nerviger Säure, so salzig wie ein Schluck Meerwasser fließt er über den Gaumen. Die Restsüße ist hier sensorisch nicht bleibend, sie puffert und vermittelt das Spektakel nur. Dieser Wein ist ein Erlebnis, nicht verschlossen, er fächert bereits Schicht für Schicht auf. Auch wer nicht auf Kabinett steht, sollte das hier probieren. Grandios.
Weingut Joh. Bapt. Schäfer
Ich habe lange nichts verkostet von diesem Weingut, fand die Weine noch vor fünf, sechs Jahren irgendwie zu brav. Eine Empfehlung von Andreas Durst machte mich jedoch neugierig. Auch wenn es nicht auf meinem Programm stand, schon die Scheurebe trocken überzeugte mich. Pfeffer, grüner Apfel, Grapefruit, im Antrunk mit einer Spur Schmelz, grüne Nussigkeit, nachhaltig, schöne Länge und nochmal Pfeffer. Vergesst die vielen Sauvignon-blanc-Nachahmungen mit ihrer Grasigkeit und tropischen Früchten, hier wird die Scheu auf den Punkt gebracht. Und das für nicht mal 10 Euro.
Der Ortswein Rümmelsheim Kieselstein Riesling trocken war der zweite Wein, der mich richtig überzeugte. In der Nase grüne Früchte und Würze, Waldmeisterpesto, frisch geschnittene Blätter, sehr kühler Stil, raffiniert, frischkräuterige Mineralität, der Wein schmeckt kühl vergoren, leicht reduktiv, die Säure hat leichte Pikanz. Ein interessanter Stil.
Der Dorsheim Riesling trocken ist etwas klassischer, fruchtbetonter, an Aromen Grapefruit, Steinfrucht, dazu etwas kraftvoller, charmant und elegant. Spannender dann wieder die Fassprobe des Burg Layer Schlossberg Riesling trocken. Wieder diese Grapefruit-Note, aber schön dezent, dann kommen florale Noten, auch frisches Heu, reife Säure, schönes elegantes Spiel, durch die sehr gewogene Säure schon zugänglich. Die Weine aus der Kollektion zeigen, wie charaktervoll Riesling sein kann, ohne laut und extrem zu sein und auf Nervigkeit, Pikanz und Druck zu setzen. Und trotzdem wirken die Weine nicht geschliffen. Sie bieten wirklich etwas Besonderes.
Rheinhessen
Weingut Battenfeld-Spanier
Die Guts- und Ortsweine von Hans Oliver Spanier dienen mir Jahr für Jahr als Gradmesser für den Jahrgang in Rheinhessen. Die Weine haben immer schon eine gewisse Ruhe in sich, was auch daran liegt, dass sie bereits recht früh auf die Flasche gefüllt sind. Sie zeigen stets ihren Charakter, haben eine saubere Frucht und überdecken nichts. Ihre Bestandteile sind förmlich herauszuschmecken. Und auch dieses Jahr hat das gut geklappt. Als Benchmark taugte der Riesling trocken, denn er hat schon alles, was man sich wünscht und was der tolle Jahrgang hergegeben hat, Saftigkeit, eine klare, nicht zu reife Frucht, Schmelz, etwas weißer Nougat, ordentlich Zug, viel Spiel. Vor allem aber hat er die jahrgangstypische pikante, reife Säure. Eine Punktlandung, genau in die Mitte, vielleicht mit leichter Tendenz in die säuredominierte Richtung. Für mich einer der besten Gutsweine an diesem Tag.
Weingut Wagner-Stempel
Danach schickte mich Martin Zwick zum Weingut Wagner-Stempel. Und ich musste mich nicht lange überzeugen lassen, denn die Weine gehören mich Jahr für Jahr zum Interessantesten aus Rheinhessen, weil man so aus ihnen vieles herausschmeckt — Lage, Jahrgang und Machart. Dies sind Weine, die sich auch durchaus mal unterscheiden können zum Vorjahr.
Zuerst zeigt der Siefersheim Porphyr Riesling trocken Purismus auf mit dezentem Duft von roten Beeren und Aprikosen unter einer beeindruckenden Saftigkeit, auch hier eine packende Pikanz, dazu ein kühl und fest wirkendes mineralisches Skelett, schöne Tiefe, auch wenn der Wein zur Zeit noch recht verschlossen ist. Aber der Porphyr muss reifen, das ist bekannt.
Ganz anders zeigt der Fürfeld Melaphyr Riesling trocken einen gleichsam unruhigen, aber trotzdem offeneren Charakter. Grüne Früchte, frisch geschnittene Kräuter, ganz feiner Duft von Handcreme, im Mund weiter die frischen grünfruchtigen, kräuterigen Aromen, kühler mineralischer Zug, und jetzt ganz stark ausgeprägt Pikanz und Salz. Beides zieht sich in den guten Abgang hinein und hinterlässt den Mund trocken und mit unwiderstehlicher Lust auf den nächsten Schluck. Das ist eine Paradewein für puristische Mineralität. Und ganz stark mein Fall. Einer der Weine des Tages.
Wie im letzten Jahr der Melaphyr, hat auch dieses Jahr ein neuer Ortswein Premiere bei Wagner-Stempel, und zwar der Neu-Bamberg Rotliegend Riesling trocken. Der Wein stammt aus einem Teil des Siefersheimer Heerkreetz. Auch dieser Wein hat ein eigenes Gesicht und und spielt eindeutig die fruchtbetonte Rolle im Sortiment, gelbes Obst, Aprikose, eine etwas erdigere Mineralität, etwas ausgewogenere Pikanz, eine Spur mehr Kraft. Auf dem jetzigen Stand ist er der »Pleaser« unter den drei Ortsweinen.
Pfalz
Weingut Bürklin-Wolf
Die Weine präsentierten sich sehr unruhig bis verschlossen. An Struktur und Sauberkeit aber gibt es nichts zu meckern. Wie der Jahrgang ausgefallen ist, zeigte für mich am ehesten die Fassprobe vom Wachenheim Riesling trocken. Durch all seine Unruhe eine vornehm leise, mineralisch kribbelnde und feinduftige Nase mit gelben und weißen Früchten, im Antrunk viel geschmackvolles Extrakt, dabei wässerige Textur, lebendige reife Säure, dieses Jahr nicht so druckvoll, sondern ausgesprochen fein, harmonisch und beweglich.
Interessant auch die Rückschau beim Ruppertsberg Hoheburg P. C. Riesling trocken 2013, der mit einer leckeren Kakaonote, mürben Äpfeln und einem leichten Bitterl schon überraschend weit gereift wirkt und jetzt getrunken werden sollte. Viel jugendlicher wirkt hingegen der deutlich ältere Deidesheim Kalkofen G. C. Riesling trocken 2007, der Dich in einen Korb mürber, saftiger gelber Früchte fallen lässt, saftiger Schmelz, von Frische durchzogen, und es klopfen die ersten Reifearomen an. Der Wein geht nun in seine schönste Phase über.
Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan
Die Deidesheimer Weingüter ragen mit ihren Guts- und Ortsweinen nicht ganz so heraus wie manche Weingüter aus anderen Gebieten. Spannung kommt erst bei den höheren Qualitäten in die Weine, was aber zumindest schon mal zuversichtlich für die Großen Gewächse macht. Der Deidesheim Riesling trocken von Bassermann-Jordan bietet eine recht reife und etwas weichere Säure, aber Duftigkeit von Steinfrucht, im Antrunk Saft und Druck, der Körper ist dafür relativ schlank, wenig Komplexität, ein sauberer Pfälzer mit Kraft. Der Forst Riesling trocken steht besser da, sorgt für Spannung am Gaumen und eine etwas gehaltvollere, ansatzweise pikante Säure.
Der Deidesheim Kieselberg Riesling trocken dreht im Vergleich dazu schon stärker auf. Aromatisch nicht allzu aufregend mit Apfel und Steinfrucht, dafür aber eine ausgezeichnete Struktur, sehr saftiger Stil, druckvoll, vibrierend am Gaumen, über die junge Säure und die druckvolle Mineralität viel Spannung am Gaumen, ein effektvoller Auftritt.
Sogar noch leicht darüber sehe ich den Forster Ungeheuer »Ziegler« Riesling trocken, der eine besondere, zentral gelegene Parzelle im Namen trägt. Aromatisch ist er deutlich ausdrucksstärker mit tropischen Früchten und einer besonderen Intensität, die ebenso spannungsvoll von Säure und mineralischen Noten flankiert wird. Einige Länge, schöner Verlauf, nachhaltig.
Noch einen Gang hoch schaltet der nächste Wein, der Auf der Mauer Riesling trocken, der zwar aus verschiedenen Deidesheimer Lagen (Hohenmorgen, Grainhübel und Kalkofen) cuveetiert wird, aber trotzdem als Gutswein deklariert wird. Schluss mit Frucht, jetzt wird es steinig. Ein ungewöhnlich intensiver, mineralischer und aromatisch wilder Wein. Spontinoten, dahinter Schalen von Pfirsich und Apfel, viel Säure und Würze. Dabei hat der Wein durchaus Kraft. »Naked Riesling« aus Deidesheim, dieser Wein zeigt, wie das geht. Das sollte man probieren. Großes-Gewächs-Niveau, nur eben ein konsequenterer, gewagterer Stil. Ist dieser Wein eine Richtungsbestimmung? Ich hätte nichts dagegen!
Abrunden konnte ich die Verkostung mit dem Chardonnay »S« trocken 2014 aus dem frisch getoasteten 500-Liter-Tonneau. In der Nase Blutorange, Kräuter, Nüsse, Butter, Safran, Vanille, welch ein Bukett, im Antrunk ist der Wein saftig, mineralisch, überhaupt nicht fett, dazu salzige Gerbstoffe. Das ist opulent, frisch und ungeheuer schmackhaft. Und eben überhaupt nicht zu kräftig. Warten muss man nicht, der Wein ist wunderbar trinkbar. Und ist für unter 20 Euro ein wahrer Weinwert bei einem nicht gerade als günstig bekannten Weingut.
Weingut Reichsrat von Buhl
Nur eine kleine Kollektion präsentiert von Buhl, die Weine liegen fast alle noch auf der Hefe. Als einziger Riesling aus dem aktuellen Jahrgang gibt es den Deidesheim Riesling trocken, der verschlossen, unruhig, reduktiv nach Stachelbeeren schmeckt. Die Säure ist überraschend weich, die Cremigkeit gefällt mir nicht ganz so gut. Der Wein scheint zur Zeit komplett durcheinander.
Von Null auf Hundert geht es aber dann mit dem Deidesheim Herrgottsacker Riesling trocken 2014. Vollständig im großen Holz gereift, was man ihm auch anschmeckt. Der Wein hat viel Schmelz und eine tiefe eingewobene frische Frucht und feste Säure, das wirkt recht burgundisch für einen Riesling. Eine komplexe Aromatik von Blutorange, Kräuter, Tabak. Sehr langer Abgang. Einer der schönsten Weine am heutigen Tag, wenn auch nicht aus 2015. Sollte man probieren!
Weingut Von Winning
An den letzten Wein schließt sehr gut der Deidesheim Herrgottsacker Riesling trocken vom Weingut von Winning an, dieser allerdings aus dem aktuellen Jahrgang 2015. Die Nase ist rauchig und hat deftige Aromen, viel erdige Mineralität, etwas Petrol, das Extrakt ist hoch, der Körper bleibt dabei aber angenehm schlank. Das ist jetzt äußerst unruhig und braucht ganz viel Luft, hat aber Potenzial!
Etwas zugänglicher ist der Deidesheim Maushöhle Riesling trocken. Eine würzige Steinfrucht, recht fruchtbetont, Melone, ordentlicher Schmelz, der mit der pikanten Säure ein schönes Spiel einnimmt. Saftige Struktur, krispe Säure, aromatisch und erfrischend. Nicht komplex, aber das macht sehr viel Spaß! Der Ruppertsberg Reiterpfad Riesling trocken kommt da nicht ganz mit, er hat eine opulentere Frucht, wirkt im Gesamten noch fruchtiger und weniger vielschichtig.
Der Forst U500 Riesling trocken 2012 ist zur Zeit noch aktuell im Sortiment, die späteren Jahrgänge reifen noch im Fass. Dieses Paradestück vom Barrique-Riesling beginnt sich ganz leicht zu öffnen. Immer noch viel Rauch, darunter Sahnebonbon, Feige, Aprikose, dahinter ein toller komplexer Nachhall, der dann aber doch noch in Röstnoten steckenbleibt. Wenn dieser Wein die Holznoten verarbeitet hat, wird er ganz sicher ein Erlebnis. Ähnlich wie beim Sauvignon blanc 500 2013, der zur Zeit viel Fumé bietet, umräucherte Fichtennadeln, Rauchfleisch, kalte Asche und ganz hinten noch etwas Steinfrucht und Ananas.
Baden
Weingut Andreas Laible
Zum Weingut Andreas Laible fällt mit vor allem eines ein — eine expressive Frucht. Die Rieslinge sind eine Offenbarung an Geschmackigkeit, aber auf hohem Niveau. Und auch hier kommt der Jahrgang 2015 den Weinen zugegen und gibt ihnen Filigranität und Frische. Bereits der Gutsriesling Riesling trocken ist schlicht ein kompletter Wein. Ungeheuer fruchtig mit gelbem und weißem Steinobst, Pfirsichen und Marille, saftige Säure, viel Extrakt, gutem Druck, wässeriger Textur und angenehmem Körper. Der Wein hat sogar einen schönen, salzigen Abgang. Für mich der beste Gutsriesling des Tages, vielleicht ist er dem Weingut sogar etwas zu gut geraten. Klarer Kauftipp!
Ortsweine gibt es nicht bei Andreas Laible, da die Weine alle aus einer Lage, dem Durbacher Plauelrain, stammen. Unterschieden wird dann nach Parzellen. Der Durbach Plauelrain »Steinrassel« Riesling trocken hat eine förmlich explodierende Frucht, jetzt mit mehr Zitrone, das ist noch expressiver, auch noch mehr Säure und Mineralität, aber so richtig weit vermag er sich nicht vom Gutsriesling abzusetzen. Der Durbach Plauelrain »Achat« Riesling trocken unterscheidet sich wiederum nicht groß vom Steinrassel, hat aber mehr Kraft und noch mehr Konzentration. Für mich ist das sogar schon etwas zuviel.
Weingut Seeger
Auch wenn ich beim Weingut Seeger vor allem über die Rotweine aus dem Jahrgang 2012 ins Meditieren kam, möchte ich einen Weißwein herausheben, der mich stark begeistert hat. Der Leimen Herrenberg Sauvignon blanc trocken »S« steckt voller Understatement. In der Nase ist er sauber und hat eine expressive Frucht mit Grapefruit und geschnittenen Kräutern, im Antrunk fächert er dann richtig auf und wird vielschichtig, hat eine mineralische Rauchnote, viel reife Säure, wirkt aromatisch spannend und wild, und sehr nachhaltig. Der ideale Sommerwein, sagen Thomas und Sanni Seeger. So kann man das sagen, wenn man einen nicht zu einfachen, sondern ausdrucksstarken und interessanten Wein im Sommer trinken möchte. Die Qualitäten zieht der Wein ganz sicher aus minimalen Erträgen. Von seinem Aromabild hätte ich ihn nie nach Deutschland gesteckt. Das ist verdammt gut!
Saar
Weingut Peter Lauer
Die Kollektion von Peter Lauer war ja bereits im letzten Jahr mit dem Jahrgang 2014 beeindruckend stark. Dieses Jahr haben die Weine das Niveau erneut fast erreicht. Die Säure scheint mir leicht weniger pikant, die Süße etwas ausgeprägter als im letzten Jahr. Irgendwie scheinen die Weine etwas mehr zu schmeicheln. Ich bin gespannt auf die Analysewerte und ob sie meinen Eindruck bestätigen. Unterm Strich aber erneut eine ausgezeichnete Kollektion.
Der Ayl Riesling trocken ist knackig jung, unruhig, Spontinoten, hefig, rote Beeren, Würzigkeit, viel Pikanz, dabei hat der Wein durchaus einige Süße, was ihm aber gut steht, mit der Säure ein schönes Spiel ergibt und nicht zu Lasten von Frische und Aroma geht.
Der Ayl »Senior« Riesling halbtrocken zeigt ein anderes Gesicht, seine viel reifere Säure ist runder, wirkt eher stahlig als pikant, dazu eine deutlich cremige Textur und wirklich halbtrockene Restsüße. Das ist ganz klassisch Saar, ich mag aber die fokussierteren, schlankeren Weine des, mit Verlaub, »Juniors« lieber.
Den Kupp »Unterstenberg« Riesling feinherb sehe ich genauso gut, wenn nicht sogar noch besser als im letzten Jahr, sehr saftig, schmelzig, schmeichlerisch, sich aber trotzdem wandelnd und mit wässeriger Textur, mittendrin eine mineralische Kante, an Aromen rotwangige Äpfel und rote Beeren, dabei ordentlich Schieferwürze, einige Süße. Das ist raffiniert und trinkanimierend.
Der Kupp »Stirn« Riesling feinherb kommt nicht so cremig, dafür weitaus fester über den Gaumen und bietet ein ganz intensives Süße-Säure-Spiel. Auf der eine Seite ist er knackig wie der Biss in einen saftigen grünen Apfel, dazu die Saftigkeit einer weißen Ananas, auf der anderen Seite dann die tragende Süße, Aromen von roten gesüßten Erdbeeren. Ungemein nachhaltig, feste Frucht, man merkt ihm seinen Stellenwert als bester feinherber Riesling im Line-up erneut deutlich an. Monumental.
Zum Schluss wird noch der bereits auf der Große-Gewächse-Präsentation in Wiesbaden hervorragende Saarfeilser Riesling trocken Großes Gewächs 2014 verkostet. Der Wein entwickelt sich hervorragend, die spontane, hefige Sour-Cream-Aromatik legt sich allmählich, an ihre Stelle treten Noten von Steinfruchtschalen und roten Beeren, dazu wilde kräuterige Noten. Der Wein ist fest und herb. Einfach lagern lassen und sich darauf freuen!
Last but not least … ein paar Kabinette
Ich habe es schon erwähnt, der Riesling Jahrgang 2015 bringt vortreffliche Anlagen für restsüße Weine mit. Die Reife der Trauben ging nicht zu Lasten der Säure. Somit gibt es Süßweine, die frisch, knackig bis nervig und deren Mineralität und feinen Aromen eben nicht von Süße überlagert sind. Die schönsten Kabinette — neben dem bereits erwähnten Felseneck von Tim Schäfer-Fröhlich — sollen hier noch Erwähnung finden. Leider hatte ich zu wenig Zeit, noch mehr davon und überhaupt auch die Spät- und Auslesen zu verkosten.
Weingut Schloss Lieser
Der einfache Schloss Lieser SL Riesling Kabinett ist ein Bilderbuch-Kabinett, fokussiert auf sein Spiel aus Süße und Säure. Er hat viel von beidem, dazu Kraft und Druck, ordentlich Extrakt. Auf schlankem Fuß kommt er nicht daher, ist aber schön verspielt und auch etwas pikant.
Deutlich mehr Charakter hat der Schloss Lieser Riesling Kabinett Brauneberger Juffer, in der Nase mit wilden Fruchtaromen und Schiefer, außerdem eine fast piekende Mineralität, im Antrunk dann eine kristalline Säure, ein spannungsgeladener Wein mit einer deutlichen, typischen Süßeschicht auf festem mineralischem Skelett. Was besonders gefällt, ist seine schieferiger Auftritt mit Aromen wilder Steinfrüchte. Ich mag die Kabinette von Schloss Lieser sehr, eine solche Qualität glaube ich aber noch nicht im Glas gehabt zu haben.
Weingut van Othegraven
Noch einen Gang höher schalteten für mich einige Kabinette von der Saar, vielleicht neben der Nahe das Gebiet mit der besten Jahrgangsqualität. Zwei Kollektionen weisen darauf hin. Ein Highlight in diesem Jahr sind die Kabinette vom Weingut van Othegraven. Andreas Barth hat sage und schreibe vier Kabinette abgefüllt, drei davon aus einzelnen Lagen – allesamt mit eigenem Stil und Gesicht. Während ich die Weine bisher zwar immer ausdrucksstark, aber eher zugänglich und geschliffen fand, definieren diese Kabinette den Stil für mich neu. Ich bin neugierig auf die trockenen Weine, von denen das Weingut auf der Weinbörse keine mit dabei hatte.
Der Kupp Riesling Kabinett zeigt zunächst den klassischen, sehr definierten, feinen Stil des Weinguts an, den man von hier kennt. Geschliffen, etwas Pikanz, sehr rund mit Aromen von Steinfrucht und roten Beeren.
Der Bockstein Riesling Kabinett dreht dann so richtig auf, mit einer zupackenden, pikanten, feinpulverigen Säure, ganz viel Zug, förmlich freigespülte, kühle Mineralität, dazu wässerige Textur, feiner Körper, rote Beeren, Schalen von Steinfrüchten, bis in den Abgang steinig, saftig und sogar etwas salzig. Ein beeindruckend konsequenter Wein! Und ein Fest für Puristen. Für manch anderen vielleicht etwas abweisend. Ein Ritt auf mineralischem Skelett.
Der Herrenberger Riesling Kabinett hat das gleiche Fundament, wirkt aber durch etwas mehr wahrnehmbare Süße gezeichneter, die Frucht bekommt dadurch aromatischere, aufregend wilde Anklänge. Der Wein ist aber ebenso mineralisch, pikant, saftig. Insgesamt bietet er mehr als der Bockstein, ohne seine Ernsthaftigkeit und Spannung zu verlieren, und er hat eine vortreffliche Balance!
Der Altenberg Riesling Kabinett baut noch mehr Frucht auf, die Säure wirkt etwas leiser, sorgt aber immer noch für einen guten, animierenden Zug. An die Stelle der Saftigkeit tritt jetzt ein ansatzweise opulenteres, dabei durchaus elegantes Süße-Säure-Spiel. Wohldefiniert, wenn auch etwas zahmer, aber ebenso mit mineralisch festem Kern. Ein Klassiker.
Nicht umher kam ich, dann doch noch von der Bockstein Riesling Spätlese zu kosten. Der Wein wirkt nicht ganz so unwirsch wie der Kabinett, ist aber voller Spannung. Aromen von kandiertem Pfirsich, wieder so wunderbar wässerig, und jetzt kommt dieser besondere Schmelz hinzu, der sich mit der pikanten Säure auf aufregende Weise vermählt. Da bleibt Dir die Luft weg, diese Bockstein-Rieslinge sind wirklich konsequent und verdammt gut geraten.
Weingut von Hövel
Der Saar Riesling Kabinett bietet eine schöne, aufregende, aufrauschende Säure, danach fällt er jedoch ab, aromatisch ist der Wein etwas schlicht, er hat nicht so viel Spiel und Beweglichkeit, ist eventuell aber auch noch durch die frische Abfüllung verschlossen. Ebenso der Hütte Riesling Kabinett mit ähnlicher Säurestruktur, wässeriger Textur und deutlicherer Mineralität, doch auch er ist aromatisch indifferent und nicht von Länge geprägt. Die Weine finden zur Zeit keinen guten Zeitpunkt.
Weingut Geltz-Zilliken
Kurz vor Toresschluss folgte noch einer der faszinierendsten Weine für mich. Der Geltz-Zilliken Saarburger Rausch Riesling Kabinett strömt zwar unruhig, aber ungeheuer mineralisch in die Nase, im Antrunk eine brausig aufrauschende Säure, pikante Mineralität, faszinierender Zug, eine irre packendes Spiel, das die Wangen unter Strom setzt, hocharomatisch mit Pomelo und roten Beeren, der Wein baut Zitrusfrische auf, die Süße ist wirklich nur nachgeordnet. Dieser Wein hat so viel Zug und Beweglichkeit und bleibt damit ganz schlank, nur 7,5 Prozent Alkohol. Reinste Kabinett-Magie.
Bei der Geltz-Zilliken Saarburger Rausch Riesling Spätlese geht das übrigens genauso weiter, die Säure rauscht ebenso auf, wirkt aber hier noch konzentrierter, fast kristallin, die Süße kommt stärker hervor, aromatisch ist der Wein noch sehr unruhig, die Anlagen sind aber faszinierend. Bei Geltz-Zilliken könnte sich hier ein großartiger Jahrgang anbahnen. Auch Hanno Zilliken ist sich da auf seine leise, zurückhaltende Art recht sicher. Man sollte die Weine unbedingt verfolgen.