Chateau Lagrange Saint-Julien, 1994
1994 war im Bordeaux das, was Händler gerne als „klassischen Jahrgang“ beschreiben. Sprich: er war nicht sonderlich herausragend. Nicht einmal sehr gut. Stattdessen: regelmäßig sehr tanninstark. Und in vielen Fällen konnte der Cabernet Sauvignon nicht gänzlich vollreif gelesen worden – grüne, vegetale Noten waren in diesen Fällen in vom Cabernet dominierten Weinen öfter einmal die Folge. Und das muss man nun wirklich (nicht unbedingt) mögen… Trotzdem finden sich, und sei der Jahrgang noch so unauffällig, auch aus diesem Jahr immer wieder schöne Weine. Und wenn man das Glück hat, diese in einem Reifezustand zu erwischen, in dem die (fast gänzlich ausgereifte) Frucht und Tannin nicht mehr unangenehm gegeneinander stehen, dann kann das richtig nett werden. So geschehen vor einigen Tagen…
Dunkles Purpurrot im Glas, opaker Kern mit leichten Aufhellungen zum Glasrand hin. Feiner Wasserrand. Nach vier Stunden Zeit in der Karaffe erwartet uns ein vollreife Schwarzkirschfrucht, die fast schon eine Spur Überreife (!) in sich trägt; sie vermengt sich angenehm mit einem Hauch Marzipan, Flieder und Kirschkonfit, bevor die Vollmilchschokonoten das Ruder übernehmen. Wahnsinnig komplex ist das nicht, aber der Auftritt überzeugt einen ein um das andere Mal mit der Nase im Glas zu verharren. Im Antrunk schokoladiges Holz, leichter Schmelz, wieder dieses volle Kirschkonfit, nur ein Hauch von Paprika. Auch hier geht es nicht sonderlich tief, aber das braucht es auch gar nicht. Der Wein spielt nicht mit Fruchtsüße — und doch kann man es auf ein Wort reduzieren, um diesen Wein zu beschreiben: Verführer!
Dicht im Mund, es entwickelt sich im Glas ein Hauch Cigarbox, wieder diese schmelzige Vollmilchschokolade und vollreife Kirsche. Stimmige Säure. Das Tannin ist auch im 16. Jahr seines Lebens noch präsent, aber bereits am ersten Abend gut eingebunden. Es gibt Struktur, wirkt aber nicht kantig oder harsch. Am Folgetag zeigt sich der Wein noch eleganter, das Tannin wirkt noch feinkörniger, es hinterlässt einen seidigen Film auf den Zähnen. Deutlich mittellanger Abgang, darin spiegeln sich die Komponenten dieses Weines harmonisch wieder.
Leider kann ich nicht mehr nachvollziehen, was ich für den Wein bezahlt habe, er liegt schon über ein Jahrzehnt in meinen Beständen. Wer ihn aktuell nachkaufen möchte, sollte hierfür ca. 35 Euro veranschlagen. Aber wer dann eine Flasche erhält, die ähnlich gut gelagert wurde, dürfte dennoch einen annehmbaren Gegenwert erhalten. Offen über zwei Abende getrunken, am ersten Abend vier Stunden dekantiert. 90 Punkte. Jetzt bis 2013.
NACHVERKOSTUNG
Nachverkotet am 25.11.2011
Durchgehende Bestätigung der Eindrücke. Wieder vier Stunden dekantiert – diese Flasche war wunderbar auf den Punkt und voll da. Mittlerer Körper, könnte noch etwas mehr Druck haben, aber kaum grüne Paprika, harmonisch, mit elegante Kirsch- und Rotfrucht, ergänzt mit Schokoschmelz und viel Zigarrenkiste. Das Tannin weiter gerundet und samtig. Ganz hohes Trinkvergnügen, aktuell und für die nächsten 2-3 Jahre! Heute 91-92 Punkte.
Im Fachhandel ca. 35 Euro, 91-92 Punkte (ausgezeichnet), jetzt bis 2013