Chateau Bianca Pinor Noir „Estate Reserve“ Willamette Valley, 2001

Chateau Bianca Pinor Noir „Estate Reserve“ Willamette Valley, 2001

Es ist schon ein Riesenspaß: 80% Blindflug durch die U.S.A. Die Literatur, die ich aus Deutschland mitgebracht habe (DKJ), taugte für das überschaubare Riesling-Gebiet Finger Lakes sehr gut, sobald es aber um die Westküste geht, wo das Angebot riesig ist, steht man schnell im Regen. Im größten Buchladen Harvards konnte ich keinen U.S.-Führer finden. Auch die Weinläden hierzulande müssen erstmal verstanden werden: Was mir bislang untergekommen ist, ist Fachhandel für Alkoholika, wo keine qualifizierte Beratung zu Wein im Speziellen zu erwarten ist, oder aber stylisch-szenige Shops, wie man sie auch aus unseren Landen kennt – man kann da Entdeckungen machen, aber das Sortiment ist doch eher eklektisch und man muss schon den Geschmack des Besitzers teilen, um zum Stammkunden zu werden. Ein richtiger Weinfachhandel mit umfassender Abdeckung der Premier und Grand Crus, wie er sich z.B. im gesegneten Bonn-Kölner Raum gleich mehrfach findet, ist mir hier noch nicht untergekommen. Was tun? Orientierung am Etikett, am Jahrgang und am Preis. Na, dann Prost.

Mir stand der Sinn nach einem richtig guten Pinot mit einigen Jahren auf dem Buckel. In einem eher kleinen Laden hier um die Ecke wurde ich tatsächlich fündig: 2001! Der Preis war mir spontan egal (ebenso auch das Etikett und der dubiose Name des Gutes). Ersten Punktabzug gibt’s dann aber schon beim Aufmachen: Plastikkorken! (Naja, 2001 hat sich auch so mancher deutsche Weinkünstler damit die Finger verbrannt.) Dann: Hochreifer und gereifter Duft, füllt nach dem Karaffieren sofort den ganzen Kühlschrank aus und kommt mir später auch aus dem Glas weit entgegen; ganz, ganz leicht rumtopfig, warm, aber nicht störend alkoholisch (nur 12,5%), Pilze, etwas sonderbar Chemisches, Kirsche und Pflaume, ein wenig Wacholder, herrlicher Pinot in der Nase!

Am Gaumen sehr offen, weich, Säure nicht sonderlich ausgeprägt, viel Extrakt, ganz sanftes Tannin, wieder Kirsche (süß), etwas Kräuter, ganz gute Nachhaltigkeit, könnte aber etwas tiefer und vor allem konturierter sein. Ein Teil dieses Problems ist jedoch – das merke ich schnell – die Raumtemperatur in diesem neuenglischen Sommer: Trinkt man den Wein direkt aus dem Kühlschrank, entwickelt sich neben der weichen, süßlichen Reife auch eine elegante Mineralik. Ein schöner Wein, der dem Klischee des Oregon-Pinot nicht entspricht, sondern die Balance zwischen hochreifer Frucht, Kraft und auch Eleganz gut schafft, wenn ihm auch der ganz große Tiefgang fehlt. Gut gereift. Einer der besten Pinots meines U.S.-Aufenthaltes bisher.

Aus dem Liqour Store, 37.- USD, 89 Punkte (sehr gut), jetzt trinken

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