Drei große Rieslinge zum Mittagstisch
Letztens kamen drei große und zugleich grundlegend unterscheidliche Riesling-Gewächse auf den Tisch und boten einen großartigen kaleidoskopischen Bogen durch die Aromenwelt dieser Rebsorte, wobei die beiden Aristokraten dem Neuling noch immer zeigen wo der Bathel den Most holt.
Etwas überraschend ging es mit dem dicksten und süßesten der drei Kandidaten los, dem 2007er Pettenthal von Kühling-Gillot, der sich offenbar gerade in einem vorzüglichem Entwicklungsstadium befindet. Denn er präsentierte sich wunderbar geöffnet und zeigte seinen ganzen Sex-Appeal. Diese bezieht er aus einer ungemein betörenden dunklen, warmen, erdigen Mineralik in die man sich spontan verliebt. Ebenso ausdrucksstark die hochreifen Steinfrüchte und die Ankänge von tropischen Früchten. Nicht unerwähnt soll auch die satte gelb-grüne Farbe bleiben, die nur so funkelte in der Mittagsonne. Im Mund unheimlich wuchtiger Antrunk, die Wein okkupiert unmittelbar die gesamte Mundhöhle, bleibt jedoch in erstaunlicher Balance. Erneut die tiefe, dunkle Mineralik nach Rauch, Jod und Karamell und die hochreifen Steinfrüchte drängen sich förmlich auf. Hinzu kommen Kernfrüchte, leichte Honignoten von der Botryits und ein herber Einschlag. Über den gesamten Verlauf ein lauter Wein, mit viel Druck, auch aufgrund des Alkohols und einer hohen Restsüße. Die Säure könnte etwas ausdrucksstärker sein. Sehr guter Nachhall. Ich geb ihm 91 KA-Punkte, weil er einfach ausgezeichnet ist. Mehr sehe ich aufgrund fehlendem Spiel und Eleganz nicht. Und die beiden Nachfolger zeigten dann auch ganz deutlich den Unterschied von ausgezeichneten und großen Riesling auf.
Es folgte der 2001er Saumagen R von Koehler-Rupprecht. Mittlerweile hatte ich bereits mehrfach das Vergnügen und dies war bisher die beste Flasche. Feine, packende ungemein vielschichtige Nase nach komplexen mineralischen Anklängen nach Kreidestaub, Kieselsteinen, Rauch und Graphit. Daneben Zirtrusfrüchte, weiße Johannisbeeren und sehr frische florare/kräutrige Nuancen; frisch, tief und animierend. Im Mund crisp, viel Zug am Gaumen und eine feine, fast jugendlich frische Säure verleiht dem Wein eine erstaunliche Jugendlichkeit. Junge Stein- und Kernfrüchte, Wildkräuter, Blüten und tropische Früchte wechseln sich ständig ab. Dies alles wird umgeben von einer minerlischen Wolke aus medizinalen Tönen, nassem Schiefer, Brotkruste und Kreide. Ohne jegliche Schwere, aber trotzdem gräbt er sich in den Gaumen ein und bleibt dort ungemein lange haften. Noch ganz am Anfang seiner Entwicklung, aber schon jetzt locker 95+ KA-Punkte.
Wein des Abends, ähh des Mittagsstisches wurde aber dann die 93er Hölle von Künstler. Ein Wein der mich schon öfters enttäuschte, zeigt mir zum ersten Mal warum er immer wieder genannt wird, wenn es um „den besten trockenen Riesling“ der 90er-Jahre geht. Was wir hier ins Glas bekamen war perfekter Riesling und ein schöner Lohn für die lange Lagerung. Er präsentierte sich insgesamt derart jugendlich, als wäre er erst gestern abgefüllt worden und zeigte doch zugleich die Ruhe und Tiefe des Alters. In der Nase von große Komplexität aus Frucht, Mineralik und feinsten terziären Aromen. Am Gaumen klar und frisch wie dieser Frühlingstag. Die kandierten Zitrusaromen, diese mineralische Wucht, diese Komplexität, diese feinste Reifenoten ergeben für mich Riesling, wie ich ihn noch kaum erleben durfte. Alles schwebt in wundersamer Harmonie und hat gleichzeitig die Kraft der Lage und zeigt somit Herkunft. Alles kommt über den Extrakt, denn von Restsüße ist kaum etwas zu spüren und schon gar nicht vom Alkohol. Trotz all seiner Kraft, erhält der Wein, dank der Säure, seinen Trinkfluss. Der Abgang fügt sich perfekt ins gesamte Bild ein und ist ungewöhnlich lang. Keine Ahnung ob es noch besser geht, aber um in meinem Bewertungsschema zu bleiben gibt es dafür „nur“ 98 KA-Punkte. Ganz herzlichen Dank an Uwe, dem edlen Spender dieser Weine.