Chateau Lynch-Bages Pauillac, 1985

Chateau Lynch-Bages Pauillac, 1985

Wer kennt nicht die These, es gäbe im Boredeaux eigentlich nur zwei verschiedene Entwicklungsstadien: entweder der Wein sei noch zu jung, oder schon lange über seinen Höhepunkt hinweg. Auch wenn es ein wenig zum Schmunzeln einlädt, kenne ich das Phänomen aus eigener Erfahrung. Der 85er-Lynch Bages belegt überzeugend das Gegenteil und zeigt wie ungemein betörend ein vollkommen ausgereifter Wein aus Pauillac sein kann. Das ist ein so verführerischer Saft, dass ich am liebsten mein bestens gefülltes Glas binnen weniger Minuten leertrinken möchte.

Die Nase ist komplex und gleichzeitig, ja fast dekadent ausladend. Der Witz ist dabei die einzigartige Kombination aus den Cabernet-Noten nach grünen Paprika und einem betörenden Duft nach süßem Lakritz, mildem Espresso, Zedernholz und feinster Havanna-Zigarre. Hinzu kommt die Milde der Reife und ein Fundament aus eingelegten Kirschen und süßlichem Cassis. Man ahnt schon die kommende Süße und den Schmelz am Gaumen, und genau so stellt es sich auch ein. Das ist ganz feiner Wein im Mund, höchsten von mittleren Körper. Einzigartige Balance, Milde, Schmelz und süßlicher Extrakt. Dabei vermeidet der Wein jede Aufdringlichkeit oder übermäßiges Fruchtgetue. Die Mundhöhle wird von feinsten Tabakaromen, Amarenakirsche, süßliche Holzwürze eingenommen. Aber da taucht auch wieder die Cassis und die grüne Paprika auf. Sie sorgt für Kontur und die notwendige Seriösität. Es bleibt aber ein großer Wein, der über seine feine Süße, seine Samtigkeit und einer einmalige Balance vollstens überzeugt. Ganz sicher einer der besten 85er, die ich bisher im Glas hatte und ein weiterer Beleg für die Güte des Jahrgangs. Die Säure ist reif, die Tannine vollständig abgeschmolzen und über den gesamten Verlauf ruht der Wein wie ein Zen-Mönch in sich. Langes, nuanciertes Finish mit feiner Karamell-Süße.

Vom Fachhandel, heute ca. 200 Euro, 95 Punkte, jetzt bis 2015

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