
Stefan Vetters Sylvaner von Muschelkalk und Sandstein
Fränkischer Sylvaner? Verkostet man die Weine von Stefan Vetter, denkt man erstmal nicht zwangsläufig daran. Kompromisslos und puristisch sind fränkische Weine ja gerne. Stefan Vetters Sylvaner aber legen das anders aus. Sie sind nicht druckvoll, extraktreich, sie sind alles andere als Kraftpakete und überhaupt nicht von kantiger Mineralität geprägt. Sie sind eher das Gegenteil von alledem, in jeder Hinsicht schlank, säuredominiert, filigran gewoben, von ätherischen Noten geprägt, dezent und dabei raffiniert.
Man schmeckt den Weinen ganz deutlich an, dass der Winzer etwas anders macht. Dabei macht er sich vor allem sehr viel Arbeit, damit er seine Weine in Ruhe lassen kann. Die Weinberge werden biologisch bewirtschaftet, es geschieht alles in Handarbeit, gepresst werden die Weine in einer alten Korbpresse, die Vergärung geschieht spontan, ausgebaut wird in Holzfässern, keine Enzyme, keine Schönung, keine Filtrierung, geschwefelt wird minimal. Bewirtschaftet werden nur knapp zwei Hektar. Stefan Vetters wichtigste Parzellen liegen im Gambacher Kalbenstein. Ein alter, legendärer, aber sehr steiler und schwierig zu bewirtschaftender Weinberg, in dem schon lange nur noch Nebenerwerbswinzer anzutreffen waren – bis Stefan Vetter kam. Die Besonderheiten dieses Weinbergs sind die über 50 Jahre alten Reben und ein warmes Mikroklima. Vor allem sind aber gleich beide klassische Bodenformationen in Franken unter einer dünnen Auflage anzutreffen. Aus getrennten Parzellen macht Stefan Vetter seit dem Jahrgang 2013 daher mehr oder weniger »reinbödige« Sylvaner mit den Namen »Muschelkalk« und »Sandstein«. Beide sind komplett durchvergoren und lagern rund 18 Monate im Holzfass auf der Hefe. Und genau diese beiden Weine haben wir heute im Glas.
Stefan Vetter Sylvaner Steinterrassen Muschelkalk, 2013
Gleich aus der Flasche eingeschenkt, ist der Wein in jeder Hinsicht dezent, nur etwas Rauchigkeit, eine Frucht zeigt er erst gar nicht. Man muss ihn schon ganz schön locken mit Wärme und viel viel Luft. Etwas mehr öffnet sich der Wein aber erst am zweiten Tag. Etwas gelber Apfel in der Nase, etwas Holz, auch Wurzelaromen, Petersilienwurzel, Topinambur. Im Antrunk ist er trocken, dazu kommt eine saubere gelbe und kräuterige Frucht, gelbe Grapefruit, die sich dann zu einer dezent duftigen Almdudler-Note wandelt, darunter eine Spur von Holz. Die Säure ist jetzt entspannter und trägt den Wein. Auch die am ersten Tag noch schärfenden, bitteren Phenole haben sich zurückgezogen und sorgen nur noch für eine schöne, feste Struktur. Bei allem holt der Wein aus seinem wenigen Alkohol von nur 11,5 Prozent viel Kraft. Mittlerer Körper, eine etwas wilde Aromatik, viel Frische. Dabei wirkt der Wein überhaupt nicht hart, sondern saftig und wässerig, vielleicht ein Segen des wenigen Schwefels? Zum Schluss kommen dann wieder Wurzelaromen, Salz und auch wieder diese mineralische steinige Rauchigkeit, in die sich der Wein im Abgang mehr und mehr verhüllt. Ein ziemlich spannender Wein, beim dem meine Verkostungsnotiz wenig mit anderen zu tun hat, die sich so im Netz finden. Aber das verwundert nicht. Dieser Wein ist nicht leicht greifbar, er ist wandlungsfähig und trotzdem intensiv. (Aus dem Weinhandel, 18,50 Euro, 89 Punkte)
Stefan Vetter Sylvaner Steinterrassen Sandstein, 2013
Auch der Sandstein war am ersten Tag noch völlig unruhig, baute sich aber schon nach wenigen Stunden Luftzufuhr und bei Zimmertemperatur richtig auf. In der Nase viele Facetten von Blutorange, dazu stengelige Kräuter und schöne, gebändigte Holzaromen. Im Antrunk ist der Wein kompromisslos und dabei sehr geschmackig. Zuerst kommt ein wahrer Schub an Säure, der Wein wirkt förmlich sauer, dahinter aber folgt die wunderschönste Essenz der Blutorange, getragen von leichten Holzaromen. Der Körper ist ultraleicht, der Wein ist richtig schlank, er hat nur 10,5 Prozent Alkohol. Für den einen oder anderen, auch für meine Mittrinker an dem Abend, ist das ungewohnt. Mir aber gefällt das gut, auch weil der Wein aromatisch unheimlich viel herausholt. Der Abgang ist auf der säuerlichen, kräuterigen, roten Orangenfrucht und einer schönen frischen mineralischen Ader richtig lang, auch hier tickt hinten nochmal die Salzigkeit hoch. Weiter hinten greifen dann auch hier noch Gerbstoffe zu, die er von der Maische mitgenommen hat. Besonders im Nachhall fällt auf, wie ungemein sauber die Frucht ist. Über den Wein lässt sich streiten. Der Körper ist sehr schlank, der Antrunk sauer, die Säure zitronig. Schafft man es aber, dahinter zu schauen, wird man reich belohnt mit viel aromatischer Fülle und ätherischer Frische. Sehr schön ist auch die burgundische Holznote, und selten hatte ich soviel Blutorange im Glas! (Aus dem Weinhandel, 18,50 Euro, 90 Punkte)
Auf die Weine von Stefan Vetter bin ich eigentlich über seinen Gutswein gekommen, ein wunderbar klarer, leichter, aber trotzdem intensiver Sylvaner mit guter Säure, leichter Cremigkeit und einer verführerischen leichten Holznote. Die beiden Steinterrassen haben mich nun ehrlich gesagt überrascht, denn sie sind weit fordernder als vermutet. Man braucht ein, zwei Schlucke, um sich an die Säure und den schlanken Körper zu gewöhnen. Dann allerdings rührt man an der Vielschichtigkeit der Weine und an der dezenten Aromatik. Die Steinterrassen sind Weine für Entdecker, obendrein sind sie hervorragende Speisenbegleiter, etwa zu Terrinen oder Rillettes, eben Speisen, die sie mit der Säure richtig gut bespielen können.
Man schmeckt es den Weinen zwar an, ich habe in diesen Zeilen aber trotzdem ganz bewusst nicht den Begriff »Vin Naturel« verwendet. Auch wenn Stefan Vetter eben solche Weine macht, womit er in Franken noch ziemlich alleine dasteht. Aber ich denke, ich halte es dabei mit dem Winzer. Stefan Vetter schreibt auf seine Flaschen: »Nicht mehr, aber auch nicht weniger.« Ich finde, das ist eine der schönsten Entgegnungen auf den anhaltenden Streit um die Naturweine. Stefan Vetter macht auf jeden Fall keinen fuzz about it. Also, mein Tipp: Wenn Ihr Lust darauf habt, Unterschiede zu erschmecken, und Ihr seid offen für schlanke, intensive Weine, probiert diese hier. Aber gebt Ihnen Temperatur und Luft, ganz viel Luft, sonst schmeckt Ihr den Sylvaner nicht.
Die Weine sind recht gut verfügbar, zu kaufen gibt es sie unter anderem hier, hier und hier.