
Von Racknitz Riesling trocken Odernheimer Kloster Disibodenberg, 2012
Heute etwas aus der Kategorie »Weingüter, die es nicht mehr gibt«. Schon 2015 war Schluss mit dem Weingut von Racknitz, einem interessanten Projekt, das der Quereinsteiger Matthias Adams zusammen mit seiner Frau, Winzerin und Kellermeisterin Luise von Racknitz über elf Jahre hinweg aufgebaut hatte. In kurzer Zeit wurde es zu einem der großen Geheimtipps jenseits des VDP. Viel Presse, viel Ambition, eine tolle Geschichte, ein denkwürdiger Ort – das Weingut selbst ist der ehemalige Gutshof des Klosters Disibodenberg, gleich nebenan, wo Hildegard von Bingen eine Zeitlang wohnte.
Auch die Weine von hier waren toll, sehr reintönige, aber auch komplexe und interessante Nahe-Rieslinge. Und sie waren schwierig. denn lange waren sie verschlossen und nach einem kurzen Trinkfenster dann doch schnell nicht mehr so ganz auf der Höhe. Man musste Glück haben, sie zur richtigen Zeit zu trinken. Heute habe ich meine letzte Flasche des Weinguts geöffnet, den 2012 Kloster Disibodenberg, der nominell beste Wein des Weinguts.
Immer noch helles Zitronengelb im Glas, sehr viel Frucht in der Nase, Weinbergspfirsich, weiße Ananas, etwas Handcreme, Mineralität, vor allem aber endlos lang gelbe Früchte. Im Antrunk dann konzentriert, intensiv, wieder Frucht ohne Ende, eine sehr filigrane Säure. Besonders aber ist eine mineralisch-salzige, feinherbe Phenolik, genauer gesagt, eine richtige Welle davon, die mit der Frucht ein schönes Spiel zwischen feiner Bitterkeit und viel Extraktsüße ergibt. An Frucht jetzt noch mehr gelbe Früchte, auch etwas Waldmeister. Und das alles richtig lang. Megaguter Körper, der aus den 12,5 Prozent viel herausholt. Das hier ist richtig gut. Und eine Überraschung, denn sowohl Niederhäuser Klamm als auch Schlößböckelheimer Königfels hatten vor ein paar Wochen die zehn Jahre auf der Flasche nicht mehr überlebt. Der Disibodenberg aber ist ein ganz anderer Schnack. Vielleicht ist er jetzt sogar jetzt noch auf dem Höhepunkt. Die Entspanntheit und die reife Struktur (ohne Reifenoten) tun ihm sehr gut.
Ich freue mich darüber, denn so findet die Geschichte mit den Von-Racknitz-Weinen ein gutes Ende. Der Wein zeigt nochmal, für was sie standen, diese Expressivität, diese aromatische Breite und Verspieltheit, die den sonst so präzisen, fokussierten, supersauberen Nahe-Weinen mal immer wieder abgeht. Genau das war damals schon von Racknitz‘ Ding, und das ist hier voll präsent. Ich behalte die Weine in guter Erinnerung.
Im Jahr 2014 und somit kurz vor Schließung des Weinguts vor Ort für ca. 30 Euro gekauft. Das war damals nicht gerade billig, wie auch die ganze Preispolitik des Weinguts. Vereinzelt gibt es noch Weine zu kaufen, aktuell wird hier Jahrgang 2013 angeboten.
Luise von Racknitz hat ihre Weinberge seit 2018 verpachtet, den Disibodenberg hat sie sogar verkauft. Und zwar an den Nachbarn: Das ehemalige Weingut Klostermühle Odernheim hält die Lage nun fast im Alleinbesitz und hat das zum Anlass genommen, sich selbst umzubenennen zu: Weingut Disibodenberg (dazu ein Artikel in VINUM).